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Leihverkehr - Kunst on Tour
Mehr als 150 Teilnehmer aus Deutschland, Österreich und der Schweiz diskutierten auf dem 4. Kölner Kunstversicherungsgespräch.
Neue Märkte sorgen dafür, dass Kunst zunehmend auf Tournee an bisher unbekannte Orte geht.
Köln, 17. April 2015. Die Art Cologne (16.-19.4.2015) ist nicht nur eine der größten internationalen Kunstmessen für zeitgenössische Kunst. Sie ist zugleich ein Beleg für An- und Abtransporte von enormen Werten. Rund 200 Galerien aus aller Welt stellten auf der Kölner Messe aus. Das Thema Leihverkehr spielt eine bedeutende Rolle – in all seinen risikobehafteten Facetten für Leihgeber, Leihnehmer, Spediteure und Versicherer. Dabei ist vieles zur Bewahrung der Kulturgüter vor Schäden durch den umsichtigen Einsatz technischer Mittel möglich. Doch Restrisiken bleiben und wollen versichert sein.
Die Versicherungswirtschaft schultert Jahr für Jahr Milliardensummen, damit Institutionen ihrem Bildungsauftrag entsprechend Kunst und Kulturgüter für ein breites Publikum erlebbar machen. Doch lohnt der Nutzen für die Gesellschaft die eingegangenen Risiken? Wo liegen etwaige Grenzen? Wie verteilen sich diese Risiken und lassen sie sich abfedern, abwälzen oder gar vermeiden?
Zwei Experten-Panel standen den Teilnehmern Rede und Antwort und zogen unter der fachkundigen Moderation von Kunstjournalist Stefan Kobel Lehren für die Zukunft.
Pro Jahr wird Kunst im Wert von mehr als 250 Mrd. Euro bewegt
Hintergrund: Weltweit verbuchte der Kunstmarkt 2014 einen Umsatz in Höhe von mehr als 51 Mrd. Euro, dem gut 36 Mio. Transaktionen zugrunde liegen. Jede einzelne Transaktion bedingt i.d.R. mindestens einen Transport. Hinzu kommt, dass sich in den vergangenen Jahren die Umsatzschwerpunkte von den USA Richtung neuer Märkte in Arabien, China und Indien verschoben haben – und mit ihnen die Ausstellungsorte. Das impliziert längere und bis dahin unbekannte Transportrouten.
Zum Leihverkehr gibt es keine offiziellen Daten. Gastgeber Dr. Stephan Zilkens vom gleichnamigen Kunstversicherungsmakler stellt folgende Überschlagsrechnung an: Auf einer Messe von internationalem Rang stellen durchschnittlich 220 Galerien aus. Jede von ihnen zeigt etwa 50 Werke à 50.000 Euro Verkaufspreis; pro Galerie also ein Gesamtwert von 2,5 Mio. Euro. Pro Messe summieren sich die Kunstwerte damit auf 550 Mio. Euro. Jedes Jahr finden ca. 180 solcher Kunstmessen rund um den Globus statt. Das ergibt ein Bewegungspotenzial von rund 100 Mrd. Euro im Jahr. Der Messe-Verkehr ist jedoch nicht alles. Hinzu kommen die an Ausstellungen und Museen entliehenen Werke. Hier kommt Dr. Zilkens unter Berücksichtigung von 20.000 im ICOM-Verband gelisteten Museen à drei Ausstellungen pro Jahr mit je 120 Exponaten auf mehr als 15 Mio. An- und Abtransporte im Wert von durchschnittlich 20.000 Euro bereits auf ein jährliches Bewegungsvolumen von 150 Mrd. Euro weltweit.
Ein Ende des Tournee-Trends ist vorerst nicht in Sicht. Dazu ist viel zu viel Kapital im Markt. Das flüchtet angesichts des anhaltend niedrigen Zinsniveaus in Sachwerte, wie Immobilien oder Kunst. Vor dem Hintergrund der genannten regionalen Verschiebungen im Kunstmarkt stellt die steigende Nachfrage alle Beteiligte vor neue Herausforderungen. Angefangen bei den Kunstgegenständen selbst, deren größte Gefahr nach Ansicht der Fachleute im Transport lauert. Für Eric Wolzenburg, Leiter der Kunstversicherung der Allianz Deutschland hat der Leihverkehr denn auch Grenzen: „Hier muss der Schutzanspruch höher wiegen dürfen, als das Vermarktungs- und Bildungsinteresse.“
Für Spediteure kommt erschwerend eine alte aber offenbar nach wie vor praktizierte Regel hinzu, wonach Kunst zuhause niedrig und unterwegs teuer versichert wird. Mit den Werten wächst sich die mögliche Haftung für sie allmählich zu einem existenzbedrohenden Problem aus. Zwar ist die gesetzliche Haftung der Spediteure in Deutschland auf 8,33 Sonderziehungsrechte pro Kilo Ladung begrenzt, was aktuell rund zehn Euro entspricht. Doch die Begrenzung greift nur, wenn keine grobe Fahrlässigkeit oder gar Vorsatz im Spiel war. „Wir werden als letztes Glied in der Kette in Regress genommen, wenn wir nicht aufpassen“, warnt daher Hans-Ewald Schneider, Chef der renommierten Kunst-Spedition Hasenkamp. Er trägt im Zweifel auch die Beweislast.
Kostendruck trotz Explosion der Werte
Die Kunstversicherer müssen ihre Prozesse ebenfalls immer detaillierter dokumentieren. Um im Wettbewerb zu bestehen, halten sie zudem teure Experten vor. Der Kunde wird seit Jahren anspruchsvoller. Die Prämien stehen gleichwohl unter Druck des internationalen Kapitals. Die steigenden Preise für Kunstwerke sind also nur die eine Seite der Medaille. Die andere glänzt eher durch Abwesenheit von Geld und Zahlungsbereitschaft. So waren sich die Vertreter der Versicherer mit denen der Spediteure darin einig, dass es bei Ausschreibungen letztlich weniger um Qualität denn um den günstigsten Preis geht.
Obendrein lassen die Kunden ihre Versicherer und Spediteure häufig im Dunkeln über die Vertragsgrundlage: „Der Spediteur kennt die Leihverträge und Konditionen in der Regel nicht“, so Spediteur Schneider. Und den Versicherern geht es nicht anders: „Wir kennen die Leihverträge in der überwiegenden Zahl der Fälle nicht“, räumte Eric Wolzenburg, Leiter der Kunstversicherung der Allianz Deutschland ein. Galerist Beck von der Düsseldorfer Galerie Beck und Eggeling und Tina Köhler vom Haus der Kunst in München reichen sie zur Prüfung an ihre Versicherungsmakler weiter. Für eine gute Lösung hält Schneider eine Art Pflichtenheft, in das detaillierte Transport oder Versicherungsanforderungen reingeschrieben werden können.
Fehlende Kommunikation
Es mangelt oft an der Kommunikation untereinander, waren sich die Beteiligten einig. „Vertrauen, Kontrolle und ständige Kommunikation“, das sind für Birgit Vikas von der österreichischen Spedition Kunsttrans „die drei grundlegenden Faktoren beim Umgang mit Leihgaben auf Reisen.“ Offene Schnittstellen sind ein großes Problem. Sabine Falke, die die Ergo-Versicherungsgruppe beim Aufbau der Kunstversicherung berät, geht es darum, die „gegenseitigen Bedürfnisse zu verstehen, denn dieses Verstehen ist die Grundlage für gemeinsame Lösungen.“
„Früher kannte man sich und die Ausstellungsorte. Im Laufe der Zeit sind immer mehr private Leihgaben dazu gekommen mit individuellen Verträgen, die von Anwälten verfasst worden sind“, erinnert sich Tina Köhler vom Haus der Kunst in München. Ausstellungsmanager wie sie bevorzugen aus Kostengründen standardisierte Leihformulare, weil sie dann nicht zig individuelle Verträge von Anwälten prüfen lassen müssen. Dazu fehlt ihnen auch oft die Zeit.
Die Leihgeber haben mehr Macht als sie glauben. Davon ist nicht nur Dr. Lucas Elmenhorst von der auf Kunstverträge spezialisierten Kanzlei dtb rechtsanwälte überzeugt: „Die Leihgeber haben alle Macht, die Bedingungen zu diktieren.“ Sie seien sich dessen nur nicht bewusst, weiß auch Till Fellrath von Art reoriented zu berichten.
Sollten Leihgeber und –nehmer künftig also erst Anwälte und Makler konsultieren, bevor sie sich auf eine Leihe verständigen? Die Antwort hängt nicht zuletzt davon ab, ob und inwieweit die nötige Zahlungsbereitschaft über die gesamte Kette des Leihverkehrs vorhanden ist. Denn am Ende des Tages geht es vor allem auch darum, ob für Qualität auch ein entsprechender Preis bezahlt wird, der auch eine Marge erlaubt, gibt Axa-Art-Chef Kai Kuklinski zu bedenken. Leben und leben lassen lautet die Devise der Nachhaltigkeit – auch im Leihverkehr.