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„Kunstversicherung in Zeiten der Unsicherheit“ ist ein rhetorischer Kniff. Das Geschäftsmodell jeder Risikoversicherung ist die Unsicherheit. Genau darum ging es jedoch im 6. Kölner Kunstversicherungsgespräch des Kunstversicherungsmaklers Zilkens Fine Art während der Art Cologne am 27. April.
Auf der Fähigkeit, Unsicherheit mess- und kalkulierbar zu machen, basiert das Geschäftsmodell von Versicherungen. Bei einem weltweiten Prämienaufkommen von geschätzt 1,7 Milliarden US-Dollar stellt die Kunst eine relative kleine Sparte im gigantischen Versicherungsmarkt dar. Gleichwohl ist sie in Niedrigzinszeiten attraktiv für flottierendes Kapital. Zuverlässige Daten und verlässliche Rahmenbedingungen sind daher essentiell für die Branche.
Nadine Oberste Hetbleck, von der Uni Köln stellt eingangs klar, dass die Forschung zum Kunstmarkt noch in den Kinderschuhen steckt. Festzustellen sei allerdings, dass politische und wirtschaftliche Veränderungen schon immer Auswirkungen auf den Kunstmarkt hatten, allerdings ohne dass sich diese bisher systematisieren oder auch nur quantifizieren ließen.
Kilian Jay von Seldeneck vom Kunsthaus Lempertz betont, dass die Anlage in Kunst nicht nur eine emotionale Dividende trage, sondern bisher immer auch als sichere Burg gegen staatlichen Zugriff gesehen worden sei. Die Aktivitäten des Gesetzgebers hätten jedoch in der jüngeren Vergangenheit zu Verunsicherung unter den Sammlern geführt. Sein Haus werde als Reaktion darauf etwa seine Asiatika-Abteilung weitgehend in die Brüsseler Dependance auslagern.
Daniel Hug, Direktor der Art Cologne, beobachtet, dass Sammler nicht mehr so gerne reisten. Für den klassischen Kunsthandel stelle das Internet einen Unsicherheitsfaktor dar, da die Kunden unberechenbarer seien. Er glaubt nicht, dass die Messversuche, wie sie der Tefaf- oder Art Basel-Report unternehmen, zuverlässige Daten bieten.
Birgit Rolfes, gelernte Kunsthistorikerin, leitet heute die Kunstversicherungssparte Artima der Mannheimer. Sie weist darauf hin, dass die seit gut hundert Jahren existierende Musikinstrumentenversicherung als Vorläuferin der Kunstversicherung zu gelten habe. Weder hier noch da kann sie eine Verunsicherung feststellen, lediglich die Lagerung in Deutschland würden einige ihrer Kunden überdenken. Ein Massenphänomen sei das nicht.
Mit dem Internet stünden sowohl ihre Branche wie der Kunsthandel in der Breite bisher allerdings noch auf Kriegsfuß, so Rolfes. Da bestehe Schulungsbedarf bei Profis und Kunden gleichermaßen.
Der Ökonom Kay Kuklinski ist Vorstandsvorsitzender der AXA Art. Für ihn hat Unsicherheit etwas Gutes. Er wolle Sicherheit geben, also sei Unsicherheit sein Geschäft. „Wir müssen alle mehr tun, um denselben Umsatz zu generieren [...] und wir sehen immer weniger Zahlungsbereitschaft“, um die Sicherheit einer Versicherung auch zu honorieren.
Die Erhebung zuverlässiger Marktdaten sei tatsächlich ein Problem. Oberste-Hetbleck verweist auf die wissenschaftlich fragwürdige Grundlage der einschlägigen Untersuchungen, die in weiten Teilen auf eigenen Umfragen mit extrem dürftigen Rücklaufquoten beruhen.
Statt die Motive für die Schmallippigkeit seiner Kollegen zu hinterfragen, möchte von Seldeneck das Thema lieber abstrakt betrachten und verweist auf die disparaten und teilweise gegenläufigen Entwicklungen einzelner Sparten und Regionen. Unsicherheit bestehe auch im Geschmackswandel über die Zeiten. Um Sammlungen über Generationen dynamisch zu halten, empfiehlt er unter anderem die Dienste seines Unternehmens: Kaufen im Primämarkt, verkaufen im Sekundärmarkt, um die Erlöse wiederum im Primämarkt zu investieren.
Hug berichtet von Sammlern, die sogar auf einen Absturz des Markts für zeitgenössische Kunst hoffen, um bei niedrigeren Preisen sich wieder mehr Kunst leisten könnten. Wenn man Unsicherheit als Schwankungen in der Mode verstehe, wäre die Perspektive ein ganz andere. So gesehen, böte Unsicherheit Chancen, weil sich in vernachlässigten Gebieten preiswert Entdeckungen machen ließen. Auf der anderen Seite entschieden im Multimillionen-Bereich superreiche Einzelpersonen über Erfolg oder Misserfolg, wenn sie bei auf ein Spitzenwerk böten oder eben nicht.
Oberste-Hetbleck weist darauf hin, dass die im Markt aktiven Akteure durchaus einen Überblick hätten und nur ein geringes Interesse daran, ihre Branche für Außenstehende transparenter, berechenbarer und damit sicherer zu machen.
Das Werterhaltungsmotiv sei in den letzten Jahren spürbar gestiegen, habe die AXA festgestellt, so Kuklinski. Jüngere Kunden diversifizierten unter diesem Aspekt auch weiter und nutzten neue Informations- und Vertriebskanäle.
Spektakuläre Pleiten wie die von Auctionata seien für Insider nicht verwunderlich, hätten jedoch das Potential, Kunden zu verunsichern. Daniel Hug glaubt, das Geschäft mit Kunst im Internet werde sich massiv verändern, weil das Internet schon in naher Zukunft völlig anders sein werde als heute. Zur Zukunft werde gehören, dass Kunstwerke über das Internet in exakten Kopien aus dem 3D-Drucker kämen.
Diese Entwicklungen beträfen den ganzen Markt, darunter eben auch die Kunstversicherer, so Kuklinski. Wie mit der Digitalisierung umzugehen sei und was für Produkte seine Branche in diesem Zusammenhang entwickeln müsste, kann er auch nicht sagen. Als ganz zentral sieht er allerdings den Ausbau von Beratungskompetenz und die Entwicklung angepasster Produkte.
Moderator Peter Grabowski erzählt von seiner Zeit bei 1Live, als zu Beginn der digitalen Revolution die Musikindustrie die Umwälzungen schlicht leugnete, bis sie von ihr überrollt wurde, um sich dann in Untergangsszenarien zu ergehen.
Rolfes besteht darauf, dass Kunstversicherung immer ein people business bleiben werde, weil es nicht um standardisierte Produkte gehe, sondern um Objekte, zu denen Kunden eine emotionale Bindung hätten. Daher erwarteten sie auch individuelle Behandlung, wenn es um die Absicherung gehe.
Ein irrationales Element, mit dem sich Rolfes aktuell konfrontiert sieht, ist die Terrorangst, die selbst bei randständigen Ausstellungen an abgelegenen Orten zum Thema werde. Versichern ließe sich das selbstverständlich, erklärt Kuklinski. Großveranstaltungen wie die Art Cologne, bei der enorme Werte zusammenkommen, stellten jedoch eine Herausforderung dar. Der Kunstmarkt selbst befindet sich im Wandel infolge der gefühlt oder tatsächlich geänderten Sicherheitslage. Die US-amerikanischen Sammler mit ihren tiefen Taschen reisen deshalb weniger, weshalb etwa die Tefaf einen Ableger in New York gegründet hat.
Die Gesetzeslage in Deutschland stellt für den Handel tatsächlich einen Unsicherheitsfaktor dar und nutze nach Ansicht von Marktteilnehmern vor allem Logistikern, weil diese Kunstwerke in großer Menge ins Ausland verbracht hätten und dort lagerten. Das wiederum sei potentiell schädlich für den gesamten Kunsthandel, da Kunst in der Regel eben nicht gekauft werde, um sie in weit entfernten Lagern nicht nur dem Zugriff des Staates zu entziehen sondern faktisch auch dem eigenen, gibt Henrik Hanstein vom Kunsthaus Lempertz zu bedenken. Gegen Verluste durch Gesetze gebe es keine Police, so Kuklinski: „Ein Versicherer geht nie Wetten ein.“