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KKVG #8 Apr 2019

8. Kölner Kunst­versicherungs­gespräch
12. April 2019 auf der Art Cologne

Art Bozen Montevideo oder die Grenzen des Kunstmarkts waren das Thema des achten Kölner Kunstversicherungsgesprächs des Kölner Kunstversicherungsmaklers Zilkens Fine Art im Rahmen der Art Cologne mit rund 200 geladenen Gästen am 12. April 2019.

Unter der Moderation des Kulturjournalisten Peter Grabowski diskutierten Dr. Christina Berking, Rechtsanwältin, Fachanwältin für Urheber- und Medienrecht bei Buse Heberer Fromm in Hamburg, Prof. Dr. Dirk Boll, President, Europe & UK, Middle East, Russia & India, CHRISTIE'S London, Dr. Thomas Schneider, Hasenkamp Holding GmbH, Katrin Stoll, Geschäftsführerin NEUMEISTER Münchener Kunstauktionshaus, öffentlich bestellte und vereidigte Kunstauktionatorin und Eric Wolzenburg, Leiter Kunstversicherung, Head of art insurance, Allianz Deutschland AG.

In seiner Einführung nannte Dr. Stephan Zilkens die Eckpunkte der Branche, die bei einem weltweiten Umsatz geschätzt knapp 65 Milliarden US-Dollar Umsatz verzeichnet. Deutschland spielt mit 2.1 Milliarden Euro Umsatz eine untergeordnete, sowohl international als auch im nationalen Vergleich mit anderen Branchen. Der extrem kleinteilig organisierte Kunsthandel habe in den vergangenen zwei Jahrzehnten einen rasanten Wandel durchlebt. Theoretisch findet zu jedem beliebigen Zeitpunkt im Jahr irgendwo auf der Erde eine Kunstmesse statt. Das Hinzukommen neuer Märkte mache auch Kleinstunternehmen zu Global Playern, die ein weltweites Publikum bedienen müssen.

Das ursprünglich vorgesehene Thema Brexit bestimmte auch die weiter gefasste Diskussion. Unwägbarkeiten und zunächst chaotische Verhältnisse nach Ausscheiden aus der Europäischen Union beiseite, dürfte der britische Kunsthandel im globalen Rahmen deutliche steuerliche Vorteile gegenüber den Kollegen aus der EU haben, erläuterte eingangs Christina Berking, Anwältin und Sprecherin der Interessengemeinschaft Deutscher Kunsthandel. Unvorbereitet werde der Tag X die Logistik nicht treffen, auch wenn die Branche nicht wisse, was genau passieren werde, versuchte Thomas Schneider von Hasenkamp zu beruhigen. Entwarnung gab Eric Wolzenburg von der Allianz: Im Januar 2019 habe die britische Finanzaufsicht einen Gesetzesentwurf vorgelegt, dass Finanzverträge im Rahmen des Contractual Run-Off noch fünf Jahre nach einem ungeregelten Brexit gelten, Versicherungsverträge sogar 15 Jahre.

Dringlichste Vorsorge bei Christie's gilt laut Dirk Boll dem Papiernachschub zum Druck der Kataloge, da dieses aus der EU bezogen werde. Während Christie's als globales Unternehmens Teams auf der ganzen Welt hat, die die jeweiligen Regionen abdecken und untereinander Wissen sowohl elektronisch als auch in realen Treffen austauschen, führt Katrin Stoll mit Neumeister in München ein kleineres Unternehmen an nur einem Standort. Ihre Philosophie besteht darin, jeden Mitarbeiter nur noch mit Aufgaben aus seinem Kompetenzbereich zu betrauen und von allem anderen zu entlasten. Sie selbst müsse nicht mehr überall vor Ort sein. Die Abschottung der Kulturen durch Betonung der jeweiligen Eigenheiten sieht sie kritisch, weil sie den Austausch nicht nur von Waren, sondern auch von Ideen einschränke.

Für Hasenkamps internationales Netzwerk sei die voranschreitende Nationalisierung der Politik im Bereich der Logistik noch nicht angekommen. Bisher sei sogar noch eine stetige Professionalisierung auch jeweils kleinerer lokaler Partner wie Konkurrenten zu beobachten. Die Allianz Kunstversicherung wiederum habe zwar nur deutsche Kunden, die aber jeweils durchaus international aufgestellt seien und gerne von einem Anbieter bedient würden, so Wolzenburg.

Nach Bolls Beobachtung sei der Kunstmarkt sowohl vernetzter, als auch vielfältiger geworden. Die Zusammensetzung der Sammler habe sich durch die neuen Märkte erweitert, zu klassischen Sammlern mit intellektuellem Hintergrund seien zeigefreudigere Sammler mit Anlageperspektive hinzugekommen, die auch die sozialen Medien intensiv nutzten, um sich und ihre Sammlungen zu präsentieren. Das sei ein anderer Umgang als in der westlichen, die diskreter sei.

Ob die Globalisierung des Marktes die Kunstproduktion, also die Inhalte verändert hätte, konnten weder Boll noch Berking eindeutig beantworten. Mit Verweis auf die Vergangenheit – etwa die Niederlande des 17.Jahrhunderts – wies Berking darauf hin, dass gesellschaftliche Veränderungen schon immer auch die Kunstproduktion beeinflusst hätten.

Wolzenburg beobachtet bei seinen Kunden zwar kein Artflipping, aber auch sehr viel junges Geld, bei dessen Eigentümern oft die Erfahrung fehle und daher auch das Risikobewusstsein. Ausbildungsbedarf sieht auch der Logistiker. Durch das extrem schnelle Wachstum der neuen Märkte müsste bei den Kunden oft erst ein Bewusstsein für die Notwendigkeiten bei der Behandlung von Kunst geschaffen werden.

Andererseits sei die Globalisierung eine Bereicherung, wusste Karin Stoll zu berichten: ein chinesischer Vorstandsvorsitzender habe ihr Haus persönlich besucht und auf einen Schlag 30 Bilder aus einem eher randständigen Bereich westlicher Kunst gekauft habe, wohl weil er seinen Mitarbeitern zeigen wolle, dass er europäisch denke.

In der Weltwirtschaft hänge alles vom Wachstum Chinas, dessen Nachhaltigkeit und ökologischer Verträglichkeit ab, so Wolzenburg. Der Logistiker Schneider sieht mittelfristig keine Risiken. Berking hofft auf eine Besinnung auf regionale Eigenheiten und Schwerpunkte der jeweiligen Marktplätze, weil auch die Kunden jeweils andere Wünsche und Verhalten an den Tag legten. Wachstum sei in der jüngeren Vergangenheit durch Dazukommen bisher abgeschnittenen Gesellschaften gekommen, erklärte Boll. Außer aus Afrika sei so etwas nicht mehr zu erwarten. Wachstum sieht er eher in einer Vertiefung der Nachfrage, weil das Verständnis für Kunst dort zunehme.

Unter Beteiligung des Publikums wurde abschließend festgestellt, dass sich die Grenzen des Kunstmarkts zwar verschoben, aber nicht grundsätzlich geändert haben. Langfristig habe sich die Armut sehr stark verringert. In den vergangenen 200 Jahren sei die allgemeine Kaufkraft um das Siebenunddreißigfache gestiegen. Das werde sich womöglich fortschreiben und damit ergäben sich Chancen für den Kunstmarkt zu einem nachhaltigen Wachstums.

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