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Kobels Kunstwoche

NFT - Kunst für Alle? Bild Werner Remm
NFT - Kunst für Alle? Bild Werner Remm
Stefan Kobel

Stefan Kobel

Kobels Kunstwoche 1 2022

An NFTs wird sich der Kunstmarkt wohl gewöhnen müssen. Der erste Hype scheint jedoch abgeflaut zu sein. Übersichtlicher wird die Szene jedoch nicht. Der letzte Teil unseres Rückblicks versucht eine Zusammenfassung.

Derweil boomt der NFT-Markt weiterhin, wie Shanti Escalante-De Mattei Anfang August bei Artnews feststellt: „DappRadar, das die Blockchain-Verkäufe verfolgt, stellte fest, dass im zweiten Quartal 2021 NFTs 2,4 Milliarden Dollar einbrachten, etwas mehr als die 2,3 Milliarden Dollar des ersten Quartals. Diese Zahlen berücksichtigen noch nicht einmal Off-Chain-Verkäufe, also Transfers, die über Auktionshäuser stattfinden, wie zum Beispiel der Beeple-Verkauf. Derselbe Bericht stellte fest, dass die Verkäufe im Vergleich zum ersten Quartal um 111,46 % in die Höhe geschnellt sind, wobei die Anzahl der aktiven Wallets im selben Zeitraum um 151,89 % gestiegen ist.“ Die Jubelmeldung übersieht allerdings geflissentlich, dass NFT-Markt und Kunstmarkt zwar eine gewisse Schnittmenge bilden, aber beim besten Willen nicht deckungsgleich sind.

Nach Kunst boome nun eine andere Branche auf den NFT-Marktplätzen, erläutert Dieter Petereit bei t3n: „In Decentraland können Kleidungsstücke für Avatare – sogenannte „Wearables“ – auf der Blockchain in Form von Non-Fungible-Token (NFT) gekauft und verkauft werden. Nach einem Riesenhype um NFT im Frühjahr ist es wieder ruhiger geworden um das digitale Eigentumszertifikat. Lediglich unter Sammlern haben NFT nie an Popularität verloren. Das ist nachvollziehbar, denn etwa bei Sammelkarten geht es um die Gewissheit, eine bestimmte Karte als einziger zu besitzen. Das lässt sich im Digitalen nur mit NFT erreichen. Ganz ähnlich verhält es sich mit Mode. Niemand möchte aussehen wie der Nachbar. Und so verwundert es nicht, dass sich einige der größten Modeunternehmen der Welt verstärkt für virtuelle Assets als NFT interessieren.“

Über den Weg der NFTs in den Kunstbetrieb habe ich für das Artmagazine mit Saskia Draxler von der Galerie Nagel Draxler (Berlin/Köln/München) gesprochen.

NFTs werden sich als Standard zum Handel mit digitaler Kunst durchsetzen, glaubt Christina Steinbrecher-Pfandt, die mit Blockchain.art eine eigene Plattform betreibt. Für Medium.com hat sie Ende August einige mögliche Anwendungsbeispiele – unter anderem für Museen - zusammengestellt: „Museen können 'Mehrzweck-NFTs' nutzen und sie als Eintrittskarten für Ausstellungen oder als Eintrittskarten für Benefizgalas und andere Fundraising-Veranstaltungen verkaufen. Museen können Werke - digital oder physisch - für ihre ständigen Sammlungen erwerben und NFTs dieser Objekte als fraktionierte Eigentums-Token verkaufen, so dass ihr Publikum (buchstäblich) in die Akquisitionsaktivitäten des Museums eingebunden wird.“

Über die Bedeutung von NFTs für die Versicherungsbranche habe ich Mitte September für Artmagazine mit dem Kölner Kunstversicherungsmakler Stephan Zilkens gesprochen.

Die Möglichkeiten von NFTs lotet Kolja Reichert in seinem neuen Buch aus, von dem ein Auszug in der FAS vom 26. September vorab erschienen ist. Der Programmkurator für Diskurs an der Bundeskunsthalle ist überzeugt, die neue Technologie rüttle an den Grundfestfesten unserer Kultur: „Mit Krypto-Kunst wird der semiotische Karneval weiter angefacht, der im Banden-Investment um den Softwarehändler Gamestop einen Höhepunkt fand und von Tesla-Chef Elon Musk mit seinen Bitcoin- und Dogecoin-Spielereien munter weiter befeuert wird. Die Scharniere der Kultur sind am Zittern, ihr Code flirrt. Und möglicherweise muss in diesem Sturm die Kunst, wie wir sie kannten, mit ihren langfristigen Wertbildungen und Bildungsvoraussetzungen, ihre Rolle und ihre Ansprüche neu erklären und legitimieren.“

So langsam sollte Kunstwelt die Herausforderung NFT vielleicht doch annehmen. Dem aktuellen Artprice-Report (komplett als PDF hier) von Mitte Oktober zufolge finden sich unter den nach 1980 geborenen umsatzstärksten Künstlern (der von Artprice beobachteten Auktionshäuser) drei Vertreter (zwei Menschen und eine Firma) dieser Sparte: Beeple, Larva Labs und Mad Dog Jones. Auch überraschend: Zu den Top 100 aller zeitgenössischen Künstler steuert China mit 31 mehr bei als die USA mit 29.

Art Basel-Mitbesitzer James Murdoch sei bei der NFT-Plattform Blockchain.Art von Christina Steinbrecher-Pfandt (ehemalige Direktorin der Viennacontemporary) eingestiegen, berichtet Eileen Kinsella bei Artnet. Das beantwortet wohl meine Frage, der sich Art Basel-Direktor Marc Spiegler im September noch verweigerte.

Der soeben erschienene erste Teil des Hiscox Online Art Trade Report 2021 (PDF zum Download hier) attestiert dem Online-Kunstmarkt ein stürmisches Wachstum und sagt ihm bis Ende des Jahres einen Marktanteil von satten 25 Prozent voraus. Teile der Aussagen des Berichts bezüglich NFTS könnten die Bevölkerung verunsichern: „CryptoPunks sind nicht die einzigen NFT -Figuren, die Aufmerksamkeit erregen. Im August wurde ein neuer Trend sichtbar. Digitale Collectibles namens 'Bored Ape Yacht Club', eine Serie von computergenerierten Affen-ähnlichen Avataren, erzielte laut CryptoSlam 297 Millionen Dollar Umsatz. Sotheby's veranstaltete im September eine spezielle Online-Auktion mit zwei Losen, bei dem eines, Bored Ape #7090, für den Rekordpreis von 2,25 Millionen Dollar verkauft wurde. Der Verkauf von 101 Bored Ape Yacht Club (BAYC) NFTs bei Sotheby's brachte 24,4 Millionen Dollar ein, und übertraf damit die Schätzung von 13,5 bis 20 Millionen Dollar. Sotheby's vermarktete dies als 'einzigartige Gelegenheit, 1% der gesamten BAYC-Produktion zu besitzen und zum drittgrößten Besitzer dieses NFT Phänomens zu werden'". Aus Sicht der Finanzbranche mögen manche Details keine Rolle spielen, solange der Rubel rollt. Doch tatsächlich ist längst nicht alles, was Sotheby's auf den Auktionsblock hebt, automatisch Kunst. Das gilt für Oldtimer, Wein, Turnschuhe ebenso wie für Bilder von Turnschuhen, Punks oder Affen.

Mit Eike Schmidt, dem Direktor des Uffizien in Florenz, habe ich Ende Oktober für das Handelsblatt darüber gesprochen, welche Möglichkeiten NFTs für Museen eröffnen können und wo ihre Grenzen liegen.

Chancen und Risiken beim Investieren in NFTs erklärt Ende November anschaulich Evan Armstrong in einem längeren Artikel ebenfalls bei golem: „Wir gehen davon aus, dass die bekanntesten NFT-Projekte wie Bored Ape Yacht Club und Pudgy Penguins eine so bemerkenswerte Ähnlichkeit mit Netzwerk- beziehungsweise Multi-Level-Marketing-Organisationen (MLMs) haben, dass auch sie unter den gleichen Fehlentwicklungen leiden werden. Die Anleger sollten bei der Einschätzung dieser aufstrebenden Assetklasse äußerste Vorsicht walten lassen.“

Vor allem markiert die diesjährige Ausgabe der Art Basel Miami Beach Anfang Dezember offensichtlich die Ankunft der NFTs im Mainstream-Kunstmarkt. Anny Shaw widmet sich dem Phänomen im Art Newspaper: „Seit Jahrzehnten sind Tech-Investoren die schwer fassbaren Einhörner, denen der Kunstmarkt nachjagt. Dank der NFTs - den trojanischen Pferden der Kryptowährungen - beginnen die Welten der Kunst und der Technologie zu verschmelzen. Und da Fintech-Firmen in Scharen ins sonnige, steuergünstige Südflorida strömen, entwickelt sich Miami schnell zu einem Hotspot für NFT-Sammler. […] Vor einigen Jahren wurde gemunkelt, dass die Art Basel San Francisco als möglichen Standort für eine Messe ins Auge fasst - Gerüchte, die das Schweizer Unternehmen dementierte. Ihr globaler Direktor Marc Spiegler stellt fest, dass sich die Tech-Elite des Silicon Valley im Allgemeinen 'nicht genug mit der Kunstwelt beschäftigt hat, um in ein Flugzeug zu steigen und nach Miami Beach zu kommen'. Aber jetzt lebt plötzlich eine neue Gruppe von Tech-Unternehmern 'im Umkreis von 15 Minuten um die Messe - und viele von ihnen werden durch die NFTs auf den Kunstmarkt aufmerksam'.“

Die Strategien von Christie's und Sotheby's im Kampf um die Deutungshoheit und damit die Vorherrschaft im NFT-Markt zu erringen, analysiert Stephanie Dieckvoss im Handelsblatt: „Beide Auktionshäuser suggerieren den Käufern, die oftmals wenig von Kunst verstehen, dass ihre Experten die Qualität in der Masse der täglich unter immens hohem Energieverbrauch auf den Markt geworfenen NFTs beurteilen können. Beide nehmen für sich auch in Anspruch, im Bereich der NFTs und der Kryptokunst marktführend zu sein. Wer den Siegeszug davontragen wird, ist noch nicht abzusehen. Vorn liegen zurzeit die Spekulanten.“

Über Spekulation, NFTs und die Revolution der Kunst, die längst im Gange sei, spricht Marc Glimcher von der Pace Gallery mit Felix von Boehm und Silke Hohmann für Monopol: „Egal in welcher Assetklasse, es gibt immer einen fundamentalen Wert. Wenn die Anleger eines Vermögenswerts beginnen, dessen fundamentalen Wert zu ignorieren, können zwei Dinge passieren: Er kann sehr, sehr teuer werden, oder er kann auf null sinken. Etwas von seinem fundamentalen Wert abzukoppeln bedeutet: Glücksspiel. Schaut man sich den Aktienmarkt an, so endet die alte Geschichte von Vermögenswerten, die von ihrem fundamentalen Wert abgekoppelt wurden, immer auf die gleiche Weise, nämlich mit Tränen. Spekulanten richten also für einige Prozesse in der Kunstwelt ein gewisses Maß an Zerstörung an, aber eben nur ein gewisses Maß. Wann immer Künstler selbst in die Dynamik der Spekulation verwickelt sind, ist das der Anfang vom Ende ihrer Künstlerkarriere. Und das ist gut so. Aber hören Sie: Unsere Kunstwelt ist ein alles andere als perfektes Monster, das blind vorwärtsstolpert und neue Welten schafft, aber auf völlig chaotische Art und Weise!“

Das Freiheitsversprechen der NFT-Apologeten sei auch nur ein Trick des Kapitalismus, argumentiert der Philosoph Dominik Erhard in Monopol: „Mangel zu erzeugen, wo es keinen gibt: Darin liegt die revolutionäre Funktion von NFTs. Das Internet war, zumindest in seiner Anfangsphase, eine potenzielle Bedrohung für die westliche Wirtschaftsform, da es kostenlose Informationen im Überfluss zugänglich machte. Es war ein Raum, in dem die Knappheit nicht zu existieren schien, die Märkte zum Funktionieren brauchen. Das Aufkommen von NFTs und der Blockchain-Technologie tragen nun allerdings dazu bei, dass auch im digitalen Raum die (besonders begehrten) Dinge knapper und ihre Besitzer eindeutig zurechenbar werden.“


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Dr. Stephan Zilkens | Zilkens Kunstversicherung