Optionale Cookies erlauben?

Neben technisch notwendigen Cookies möchten wir Analyse-Cookies nutzen, um unsere Zielgruppe besser zu verstehen. Mehr dazu in unserer Datenschutz­erklärung. Sie können Ihre Zustimmung jederzeit widerrufen.

Kobels Kunstwoche

Kristína Uhráková, HOPE for Ukraine; frei via creativesforukraine.com
Kristína Uhráková, HOPE for Ukraine; frei via creativesforukraine.com
Stefan Kobel

Stefan Kobel

Kobels Kunstwoche 1 2023

Für die großen Auktionshäuser verlief das erste Halbjahr hingegen erstaunlich erfolgreich, analysiert Christian Herchenröder im zweiten von drei Teilen unseres Saissonrückblicks Anfang August im Handelsblatt: „Ein Hauptindiz der Markthausse sind die globalen Auktionsergebnisse von Christie’s, Sotheby’s und Phillips. Sie stiegen in den ersten Monaten des Jahres um 25 Prozent auf 7,4 Milliarden Dollar. An der Spitze dieser Erfolgsrunde stehen die zeitgenössische und die Nachkriegs-Kunst mit 2,5 Milliarden Dollar, dicht gefolgt von den Impressionisten und der Moderne mit 2,4 Milliarden Dollar.“ Weniger erstaunlich sei angesichts der wieder zunehmenden Präsenzveranstaltungen hingegen der Rückgang der Online-Auktionen um gut ein Drittel.

Frankreichs Kunstversteigerer befänden sich weiter im Aufwind, so Bettina Wohlfarth in der FAZ: „Anfang Juli erschien der Jahresreport des französischen Versteigerungsrates, der mit den Daten von 427 Auktionshäusern auf 2021 zurückblickt: Vier Milliarden Euro wurden eingespielt, mit einem Zuwachs von vierzig Prozent. Im Vergleich zu 2019, dem Jahr vor der Pandemie, liegt die Steigerung bei 21 Prozent. Das erste Halbjahr 2022 bestätigt, dass der viertgrößte Auktionsmarkt der Welt weiterhin floriert. Neben wachsenden Umsätzen wurden drei Spitzenwerke zu Preisen von 20 Millionen Euro und mehr zugeschlagen.“

Den unternehmerischen Aktivitäten des Münchener Auktionators Robert Ketterer recherchieren Sabine Spindler und Susanne Schreiber in ihrem ausführlichen Portrait im Handelsblatt nach: „Die Namen seiner weiteren Firmen will Ketterer nicht rausrücken. Sie lassen sich aber im Handelsregister nachlesen. Die Experts Art Service GmbH etwa bietet 'Transport, Restaurierung, Rahmung, Bestandsdokumentation, Recherche, Schätzung und Verkauf von Kunstgegenständen'. Eine andere, schmal besetzte Firma durchkämmt die Angebotsseiten von Mitbewerbern, um über den Service hinaus 'die Wertschöpfungskette zu erweitern'. Wird ein unterschätztes relevantes Kunstwerk von Fritz Winter oder Ernst Wilhelm Nay entdeckt, einen 'sleeper', entscheidet der Chef persönlich über Ankauf und Preislimit“. Da werde es dann auch schon mal grenzwertig: „Sogenannte Eigenware im eigenen Auktionshaus einzuliefern, ist nicht verboten, aber streng reguliert, erklärt Christina Berking dem Handelsblatt auf Anfrage. Die Rechtsanwältin des Bundesverbands Deutscher Kunstversteigerer weist auf die Kennzeichnungspflicht ab einer gewissen Grenze hin und darauf, dass der Auktionator, seine Angehörigen und Angestellten nicht auf Versteigerungen im eigenen Haus bieten dürfen. Ein Schlupfloch nutzt der Münchener aber doch. Im Katalog erscheinen in der Liste der Provenienzen weder die Verkaufsquelle noch Ketterers einliefernde Neben-Firma, sondern nur eine Angabe zur Herkunft vor dem Eintritt in den Markt.“

Zumindest für Christie's dürfte es ein gutes Jahr werden. Das Auktionshaus ist mit der rekordverdächtigen Versteigerung der Kunstsammlung des Microsoft-Mitgründers Paul Allen betraut worden. Details nennt Susanne Schreiber Ende August im Handelsblatt: „Mehr als 150 Kunstwerke aus 500 Jahren sollen im November 2022 in New York versteigert werden. Das Versteigerungshaus schätzt den Wert der Einlieferung aus dem Nachlass auf über einen Milliarde Dollar. Damit würde Allens Kunstsammlung über den 922 Millionen Dollar liegen, die Sotheby‘s 2021 und 2022 für die Sammlung des Immobilienentwicklers Harry Macklowe und seiner Ex-Frau Linda einnehmen konnte. Und auch über den von Christie’s 2018 eingehämmerten 835 Millionen Dollar aus den Nachlassversteigerungen des Bankiers David Rockefeller.“

Den passenden Turbo für Künstlerkarrieren bietet Sotheby's neuerdings mit dem Format Artist's Choice, bei dem Künstler direkt selbst Kunstwerke einliefern können, erklärt Jo Lawson-Tancred bei Artnet.

Die Zusammenarbeit der Auktionshäuser Karl & Faber in München und Van Ham gefällt Christiane Fricke vom Handelsblatt: "Die unter dem Label 'Auction Alliance' laufende Marketing-Initiative erscheint sinnvoll und sicher auch überfällig angesichts zunehmender Konzentrationsprozesse unter starkem internationalen Wettbewerbsdruck. Erinnert sei an den von Bonhams' Übernahmen gespeisten Konzentrationsprozess in Europa und an die immer schärfer gewordene Konkurrenz um Einlieferer, insbesondere durch den deutschen Marktführer Ketterer Kunst und Sotheby’s Filiale in Köln."

Nachdem Phillips in Hongkong bereits seit zwei Jahren mit Poly zusammenarbeite, habe das Auktionshaus sich jetzt mit dem Branchenneuling Yongle zusammengetan, um auch den festlandchinesischen Markt bedienen zu können, berichtet Vivienne Chow bei Artnet. Der Schritt leuchte ein, da das Unternehmen im letzten Halbjahr bereits 40 Prozent seines Umsatzes in Asien gemacht habe.

Während in der westlichen Welt die Vergreisung der Sammlerschaft droht und kaum junge Leute nachkommen, seien in Hongkong Millenials auf dem Vormarsch, hat im Oktober Krystal Chia von Bloomberg beobachtet: "Bei den Frühjahrsauktionen von Christie's in Hongkong wurden 56 Weltrekorde in allen Kunst- und Luxuskategorien aufgestellt, wobei die Zahl der Käufer aus der Generation der Millennials um mehr als ein Drittel anstieg. Bei Sotheby's ist ein Drittel der Käufer in Asien 40 Jahre und jünger, verglichen mit einem Viertel weltweit. In Hongkong ist bei zeitgenössischen Auktionen [...] ein Drittel der Bieter unter 30 Jahre alt. [...] Ein großer Anreiz für Kunstinvestoren in Hongkong ist die Steuerregelung, die bedeutet, dass es im Gegensatz zum chinesischen Festland keine Zölle, Mehrwertsteuern oder Erbschaftssteuern auf Kunstwerke gibt. Es ist außergewöhnlich. Wir beobachten, dass sich immer jüngere Leute beteiligen", sagte Alex Branczik, Leiter der Abteilung für zeitgenössische Kunst bei Sotheby's in Asien. Die Logik sollte vorschreiben, dass geschlossene Grenzen eine Herausforderung für den Kunstmarkt sein sollten, aber in Wirklichkeit haben viele Menschen zu Hause Zeit gefunden, um online zu recherchieren und sich Dinge anzusehen, die sie kaufen können - das eigene Zuhause hat für sie Priorität."

Die Auktionshäuser reagierten auf die Marktverschiebung Richtung Paris, beobachtet Bettina Wohlfarth in der FAZ vom 15. Oktober: „Dass nun auch Werke von Künstlern wie Francis Bacon, Andy Warhol oder Joan Mitchell in Paris versteigert werden und nicht in London oder New York, setzt Zeichen. Es sind zwar keine Hauptwerke mit höchsten Taxen, doch die Stadt an der Seine steigt unübersehbar im Kunstmarkt-Ranking auf. Zur ersten Ausgabe der Messe Paris+ par Art Basel haben die internationalen Auktionshäuser ein ehrgeiziges Programm zusammengestellt.“

Bieter aus Fernost dominierten der Beobachtung von Anne Reimers in der FAZ vom 22. Oktober zufolge die Londoner Auktionen: „Die Londoner Auktionen mit zeitgenössischer Kunst liefen gut, weil Sammler aus Asien weiterhin auf der Jagd nach Nachwuchsstars sind – deren Werke preislich ein rasantes Auf und Ab erleben. Vor einem Jahr waren Issy Wood, Jadé Fadojutimi und Flora Yukhnovich besonders gefragt. Nun wurden die Preise für die schottische Malerin Caroline Walker stark nach oben getrieben.“ Stephanie Dieckvoss setzt den Schwerpunkt im Handelsblatt etwas anders: „Aber auch im hochpreisigen Segment der Spitzenwerke wurden gute Preise erzielt, wenn die Arbeiten ausgezeichnete Provenienz und Marktfrische mitbrachten. Dann gingen auch nicht nur Trophäen gut weg, wie David Hockney oder Francis Bacon, sondern auch schwierigere, aber kunstgeschichtlich bedeutsame Arbeiten, wie eine frühe Fotoarbeit von Cindy Sherman oder eine sperrige Skulptur von Isa Genzken – beide bei Sotheby‘s. Dieser Markt wurde vor allem von Bietern aus Europa und den Vereinigten Staaten gestützt. Asiaten boten zwar mit, aber waren weniger aktiv. Christie’s berichtet, dass 62 Prozent der Arbeiten nach Europa, dem Mittleren Osten und Afrika (EMEA) verkauft wurden. 15 Prozent gingen nach Amerika und 23 Prozent in den asiatisch-pazifischen Raum.“

Eine eigene Auktionsplattform startet Hauser & Wirth im November laut einer Pressemitteilung mit einer Versteigerung zugunsten des UNO-Hilfswerks UNHCR. Für Artnet berichtet Eileen Kinsella darüber. Artsy hat auch mal mit Benefiz-Auktionen angefangen.

Mit über 1,5 Milliarden US-Dollar Erlös für die Sammlung des Microsoft-Mitgründers Paul Allen hat Christie's wieder einmal Kunstmarktgeschichte geschrieben. Für das Handelsblatt fasst Barbara Kutscher die Auktion zusammen: „In nur zwei Auktionen nahm das Haus in New York 1,62 Milliarden Dollar für 155 Meisterwerke aus fünf Jahrhunderten ein. Ein rundherum spektakulärer Erfolg für Christie’s! Sowohl beim New Yorker Publikum, das nur zum Schauen kam. Und auch bei Sammlern aus 32 Ländern, die in der sehr gut gemanagten Auktion am Abend des 9. November und am folgenden Morgen um das Angebot kämpften. Ihn habe die Tiefe des Bieterinteresses überrascht, so Alex Rotter, Chairman 20/21 Art Departments, nach einer Auktion der Superlative am Mittwochabend, 'und das in diesen Zeiten'. Ehe der Hammer zum ersten Mal niedersauste, wurden mindestens 76 Lose durch sogenannte 'unwiderrufliche Gebote' vorverkauft, aber nur sehr selten fielen Werke an ihre Garantoren. Die Sammlung wurde zu 100 Prozent und durchweg sehr starken Preisen abgesetzt für zuvor niemals erreichte 1,62 Milliarden Dollar.“

Nach der sagenhaften Paul Allen-Versteigerung seien die Folgeveranstaltungen weniger glanzvoll verlaufen, resümiert Ursula Scheer in der FAZ die New Yorker Ergebnisse zusammen: „Von Krise oder Crash kann zwar immer noch keine Rede sein beim Kunsteinkauf der Crème de la Crème, doch ist offensichtlich, dass nun eher vorsichtig agiert wird als von Partylaune getrieben, sowohl bei den Investitionen als auch beim Verkauf. Garantien und unwiderrufliche Gebote vorab sicherten wesentliche Anteile der Lose in den aktuellen Abendveranstaltungen ab. An der Zurückhaltung der Bieter mag auch die Menge des Aufgebotenen ihren Anteil haben. 'Es ist die größte Auktionssaison der Geschichte', sagt etwa Brooke Lampley, die bei Sotheby’s als Chairwoman den weltweiten Verkauf von Kunst verantwortet, dem Onlineportal Artnet. Da sei man froh, wenn nur wenige Lose unverkauft liegen blieben. Nach Auktionsserien in London, Paris und Hongkong, nach Messen in Europa, allen voran der Paris+ par Art Basel, im Nahen Osten und in Amerika, musste sich in New York zeigen, wie viel der Markt noch aufzunehmen gewillt ist – und zu welchen Preisen.“

Die interessante Information in daoinsights Bericht über die Pläne zum Bau eines neuen China-Hauptquartiers in Schanghai steht zwischen den Zeilen: "Dieser Schritt zeigt das Vertrauen von Sotheby's in den Kunst- und Luxusmarkt auf dem chinesischen Festland, trotz der wirtschaftlichen Unsicherheiten, die durch die strenge Null Covid-Politik entstehen. [...] Es wird auch angenommen, dass der Luxussektor des Landes einen starken Standbein hat. Nachdem das Festland im Jahr 2021 erneut ein zweistelliges Wachstum verzeichnete, ist es 'auf dem besten Weg, bis 2025 der größte Luxusgütermarkt der Welt zu werden - unabhängig vom künftigen internationalen Reiseverhalten'." Ganz selbstverständlich wird der Kunstmarkt als Teil des Luxusgüter-Segments gesehen.

Ende November fragen sich Lisa Movius und Shana Wu im Art Newspaper nach den Gründen für den deutlichen Rückgang der Auktionsumsätze in Hongkong: „Die Ergebnisse spiegeln zum Teil den wirtschaftlichen Abschwung auf dem chinesischen Festland wider, das immer noch mit einer strengen Nullzins-Politik und einem einbrechenden Immobiliensektor zu kämpfen hat. Aber es stellt auch eine subtilere Verschiebung in dem dar, was auf den Markt gekommen ist.“

Endlich Weltspitze! Was dem deutschen Fußball schon länger nicht mehr gelingen will, schafft das hiesige Auktionswesen. 23,2 Millionen Euro inklusive Aufgeld erzielt ein Selbstportrait Max Beckmanns bei Villa Grisebach in Berlin. „Der Kaufpreis ist eine Sensation, die in die Kunstmarktannalen eingehen wird“, weiß Susanne Schreiber vom Handelsblatt.“Der Schätzpreis hatte zwischen 20 und 30 Millionen Euro gelegen. Der besonnen agierende Auktionator Markus Krause musste drei Bietende am Telefon zu immer höheren Geboten animieren. Wer bei den Millionenschritten mithalten wollte, hatte zuvor eine Bankauskunft hinterlegt. Die Bieter meldeten sich aus London, den USA und der Schweiz. Letzterer erhielt den Zuschlag. […] Ein zweistelliger Millionenzuschlag ließ sich bislang noch nie in Deutschland notieren. Rare Werke der höchsten Qualitätsstufe pflegten Verkäufer bislang in New York oder London einzuliefern.“

Währenddessen meldet Ketterer aus München Rekordzahlen. In einer Pressemitteilung heißt es: „Mit dem Erlös von € 59 Millionen im zweiten Halbjahr 2022 erzielt das Unternehmen zum neunten Mal in Folge das beste Saisonergebnis der Branche in Deutschland. Gleichzeitig überspringt das Auktionshaus souverän mit seinem Jahreserlös erstmals die € 100-Millionen-Marke und bestätigt mit der Summe von € 103 Millionen nicht nur zum wiederholten Mal Platz 1 im deutschen Kunstversteigerer-Ranking, sondern festigt auch seine Top-Position unter den internationalen Häusern. Insgesamt 13 Erlöse über der Millionen-Euro-Marke sowie zusätzliche 163 Ergebnisse im sechsstelligen Bereich runden das sensationelle Gesamtbild ab.“ Die Gesamtsumme setze sich aus Saal- und Online Only-Auktionen sowie Private Sales zusammen.

Newsletter

Die neuesten Ausgaben von Zilkens Newsblog und Kobels Kunstwoche direkt per E-Mail erhalten.
Dr. Stephan Zilkens | Zilkens Kunstversicherung