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Kobels Kunstwoche

The Sky is the Limit: Tefaf Maastricht, Foto Stefan Kobel
The Sky is the Limit: Tefaf Maastricht, Foto Stefan Kobel
Stefan Kobel

Stefan Kobel

Kobels Kunstwoche 10 2020

Mit den unschönen Aspekten der Realität beschäftigt man sich nicht gerne. Das ist auch dem Bericht von Brita Sachs über die Eröffnung der Tefaf in Maastricht für die FAZ vom 7. März anzumerken: "Die Händler, die ihre Ware längst zur wichtigsten und schönsten Kunstmesse der Welt auf den Weg gebracht hatten, atmeten auf. Spurlos ging die Aufregung um das neue Virus trotzdem nicht vorüber: Wildenstein aus New York und zwei weitere Händler sagten im letzten Moment ab, ihre leeren Stände schmücken nun Blütengestecke. Einige bedeutende amerikanische Museen entsenden keine Vertreter, auch unter den Jurymitgliedern gab es Absagen. Aber die geladenen Gäste des 'Early Access Day' wirkten entspannt; allerdings waren es mit rund 4000 Besuchern fast dreißig Prozent weniger als 2019. Schnell standen wieder die Objekte im Mittelpunkt auf der von 275 Händlern bestückten Schau." Es folgt eine Inventarliste. Dabei hat die Messe auch ohne Corona durchaus einige Baustellen.

Auch Dorothea Baumer versucht, in der Süddeutschen Zeitung Zuversicht zu verbreiten, gibt jedoch zu bedenken: "Natürlich hat es etliche Absagen gegeben. Am schmerzlichsten sind die vonseiten der amerikanischen Museen (darunter Institutionen wie das Metropolitan Museum New York, das Getty Museum Los Angeles oder Museum in Detroit), die ihre Kuratoren, die sonst gerne in Mannschaftsstärke mit ihren kauffreudigen Sponsoren unterwegs sind, nicht reisen ließen."

Über das Krankenbett hinaus blickt Marcus Woeller in der WeLT: "Für viele Händler ist die Tefaf (bis zum 15. März) der wichtigste Termin im Jahr. 2019 wurden rund 70.000 Besucher gezählt. Und das Coronavirus ist nicht die ärgste Bedrohung für den Wirtschaftszweig. Die Nachfrage an alter Kunst geht kontinuierlich zurück, das Angebot ist ohnehin limitiert. Für Museumsqualität gibt es zwar noch Käufer, etwa amerikanische Häuser, die auf ihre privaten Spender vertrauen können. Schwer haben es dagegen Werke, die für Institutionen nicht interessant sind, für die (weniger werdenden) kundigen Privatsammler aber mit Preisen im unteren sechsstelligen Bereich doch zu teuer sind."

Ich war für Handelsblatt und Artmagazine in Maastricht.

Die Art Paris ist um zwei Monate verschoben worden und soll jetzt Ende Mai im Grand Palais stattfinden, wie einer Mitteilung an die VIPs der Messe (nicht an die Presse) zu entnehmen ist.  Ohne weiteren Kommentar weist die Designmesse PAD Paris auf ihrer Webseite eine Laufzeit Mitte Mai statt Anfang April aus. Da kann mann schon am Realitätssinn der Macher zweifeln. Mailands Miart hat sich laut Pressemitteilung (PDF-Download) für eine Verschiebung von Mitte April um fünf Monate enstchieden. Die Art Montecarlo, Tochter der Art Genéve kündigt auf ihrer Webseite sowohl die aktuelle Ausgabe Anfang Mai, als auch - etwas versteckt - deren Absage an.

In New York ist Philipp Meier in der NZZ zufolge hingegen alles Bestens: "Die vielen Kunstmessen in der Stadt sind vollgepackt mit Menschen, sowohl die renommierte Modernemesse Armory selber auf den Piers am Hudson River als auch die Parallelmessen und Galerievernissagen in ganz Manhattan. Niemand lässt sich die Eröffnung der Julian-Schnabel-Schau im neu errichteten Kunst-Tempel der Pace Gallery in Chelsea entgehen. Und die Party der Armory Show im MoMA sowieso nicht."

Auch Barbara Kutscher weiß für das Handelsblatt nur Positives von der Armory Show zu berichten: "Die New Yorker sind schon ein ganz besonderes Völkchen. Schulen sind geschlossen, unzählige Events gecancelt, Angestellte werden angehalten, von zu Hause aus zu arbeiten. Aber das Bad in der Menge gleichgesinnter Sammler, das lassen sie sich offenbar nicht nehmen. Allenfalls war zu hören "Lieber doch kein Busserl!" Wie üblich waren die Gänge der 'Armory Show' am VIP-Tag gut gefüllt. Sie ist mit 183 Ausstellern aus 32 Ländern das Zugpferd unter einer Handvoll Messen an diesem langen Wochenende. Ist es vielleicht die Flucht vor den Hiobsbotschaften? Die Stimmung ist gut, verstärkt durch strategisch über die Messe verteilte Bars, die nicht nur gepflegt Champagner, sondern auch härtere Drinks ausschenken."

Mit einer deutlich langfristigeren Vorwarnung als zur Zeit üblich verschiebt die gerade zuende gegangene Armory Show ihren Termin ab 2021 in den Herbst. Wie aus einer Pressemitteilung hervorgeht, wird sie nächstes Jahr aus den ungeliebten Piers am Hudson in das erweiterte und leichter zu erreichende Javits Center etwas weiter südlich ziehen und dort vom 9. bis 12. September 2021 erstmals ihre Gäste empfangen.

In einer Pressemitteilung lässt die Muttergesellschaft der Art Basel wissen, dass sie durch das Coronavirus nicht in eine existenzielle Krise geraten sei: "Die auf Grund der Verbreitung des Coronavirus und der vom Bundesrat in der Schweiz verordneten Massnahmen notwendige Verschiebung oder Absage mehrerer Veranstaltungen hat zwar wirtschaftliche Folgen für die MCH Group, die Stabilität des Unternehmens ist aber durch diese Situation nicht gefährdet." Anlass für diese wie ein überspezifisches Dementi wirkende Selbstauskunft könnte ein Bericht im Tagesanzeiger von Isabel Strassheim sein: "Der Jahresabschluss 2019 der Messe ist noch nicht bekannt, im Halbjahr war der operative Gewinn mit 3,1 Millionen Franken auch ohne Messeabsagen schon knapp ausgefallen. Der Reinverlust belief sich auf 1 Million Franken. Die Verbindlichkeiten übertrafen mit 401 Millionen Franken das Eigenkapital um gut 700 Prozent."

Eine Ideensammlung, wie sich kleinere Galerien gegen den Kostendruck und die Konkurrenz der Megagalerien behaupten können, präsentiert Candice Madey bei Artnews, die ihre New Yorker Galerie On Stellar Rays 2017 geschlossen hat und seitdem auf anderen Wegen Kunst verkauft. Darunter sind einige Binsenweisheiten, wie die, dass kleinere Unternehmen individueller auf ihre Kunden eingehen könnten und die Propagierung von Projekten wie Condo, aber auch bedenkenswerte Vorschläge zur intensiveren Einbindung der eigenen Kunden.

Der Umsatz mit Private Sales abseits der Auktionen habe bei Sotheby's laut Unternehmensangaben im vergangenen Jahr erstmals die Milliarden Dollar-Grenze überschritten, berichtet Sarah Cascone bei Artnet. Dabei sei die Hälfte dieser Summe mit lediglich 30 Transaktionen erwirtschaftet worden. Die am meisten nachgefragten Namen seien Jonas Wood, Yayoi Kusama, George Condo, Andy Warhol, Jean-Michel Basquiat, KAWS, Alexander Calder, Pablo Picasso, Claude Monet und Henri Matisse. Da schmerzt es natürlich doppelt, wenn die Megagalerien jetzt wie beim Verkauf der Marron-Sammlung (s. letzte Woche) zurückschlagen und den Versteigerern das Spielfeld streitig machen, dass diese selber erst eröffnet haben.

Schlechte und gute Nachrichten halte der Art Basel UBS Report bereit, hat Astrid Mania für die Süddeutsche Zeitung herausgefunden. Zwar habe das gesamte Marktvolumen um 5 Prozent abgenommen. Doch Deutschland stehe ganz gut da: "Die Schätzungen für den Galeriesektor benennen für das Vorjahr ein Gesamtvolumen von 36,8 Milliarden US-Dollar - ein Zuwachs um 2 Prozent. Galerien mit einem Jahresumsatz zwischen 250 000 bis 500 000 US-Dollar haben die höchste Steigerung erfahren, nämlich um satte 17 Prozent. Eine erstaunliche, gute Nachricht. In diesem Segment sind die meisten deutschen Galerien angesiedelt; gleichzeitig gilt es als das ökonomisch gefährdetste, zwischen jungen Galerien mit überschaubarem Kostenapparat und jenen, die, der ökonomischen Ungleichheit geschuldet, behaglich im Hochpreissegment ihre Geschäfte abwickeln. Hier wird für 2019 ein Plus von 16 Prozent bilanziert. Wenig überraschen dürfte auch, dass innerhalb Europas Deutschland die ausgabefreudigsten Milliardäre und zugleich anteilig deren höchste Anzahl besitzt."

Die Vorsitzende des Berufsverbands Bildender Künstlerinnen und Künstler (BBK) Dagmar Schmidt rechnet bei Monopol vor, dass die Grundrente an vielen Künstlern vorbeigehen dürfte: "Denn zur Überraschung nicht nur von Künstler- und Kreativenverbänden sieht der Gesetzentwurf neben der Voraussetzung von mindestens 33 Jahren sogenannter Grundrentenzeiten eine weitere Hürde vor, die zum Stolperstein für sehr viele Geringverdiener werden dürfte: In den Grundrentenzeiten muss ein Mindesteinkommen von einem Drittel des durchschnittlichen Arbeitnehmereinkommens (brutto) erwirtschaftet worden sein." Genau das sei der Pferdefuß: "Tausenden Künstlerinnen und Künstlern wird es im Laufe ihrer Erwerbsbiografie nicht gelungen sein, in den Grundrentenzeiten kontinuierlich mindestens 33 Jahre lang ein Drittel des Durchschnittseinkommens zu erzielen. Denn besonderes Kennzeichen einer kreativen Erwerbsbiografie sind stark schwankende Einkommen."

In der Kolonialismusdebatte plädiert Hermann Parzinger, Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, im Gespräch mit Nanette Snoep, Direkorin des Ratenstrauch-Joest-Museums in Köln, für die FAZ vom 4. März zu Augenmaß: "Eine Definition von sogenannten Unrechtskontexten findet man allerdings in keinem Leitfaden, weil immer vom Einzelfall ausgehen muss. Zweitens gibt es auch Objekte, die den indigenen Vertretern sehr wichtig sind, obwohl sie legal erworben wurden. Auch hier sind Rückgaben grundsätzlich vorstellbar. Die Museen sollten ihre Provenienzforschung nicht als Verteidigungslinie benutzen. Geschichte besteht aus Grautönen. Die Beschäftigung damit kann zu einem neuen Miteinander führen. Nicht die Schuldfrage, die Zirkulation der Objekte ist das entscheidend [sic!]."

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Dr. Stephan Zilkens | Zilkens Kunstversicherung