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Kein Aprilscherz: Die Berliner Politik ist ausnahmsweise schnell und effizient, wie Monopol im Fall der Corona-Soforthilfe (auch) für Künstler und Kulturwirtschaft feststellt: "In den sozialen Medien bedankten sich viele Kreative und zeigten sich glücklich. 'Was für ein unerwartetes Geschenk in dieser schwierigen Zeit!', schreibt etwa der Berliner Galerist Semjon H. N. Semjon in einem offenen Brief an die Regierungsverantwortliche. 'Sie helfen mir in der Tat, dass ich die Galerie durch den Sturm unserer Zeit einigermaßen sicher schiffen kann. Die Grundkosten werden tatsächlich zu einem größeren Teil abgedeckt, was die Galerie - je nach Länge der Krise - im 9. Lebensjahr erst einmal helfen wird, die nächsten drei Monate zu überleben.'" Das alte Berliner Modell lobt sogar die New York Times in einem Artikel von Melissa Eddy. Allerdings ist der Topf des Landes inzwischen leer. Ab heute soll auf die regulären Bundesmittel zurückgegriffen werden. Das Programm geht in seiner bisherigen Form allerdings an der Realität der Kulturwirtschaft weitgehend vorbei.
Darauf weist eindrücklich ein Offener Brief (PDF-Download) zahlreicher Berliner Verbände und Interessengemeinschaften aus der Kulturbranche hin: "Damit schickt die Bundesregierung, obwohl ausreichende Mittel vorhanden sind, alle von Corona-Ausfällen schwer getroffene[n] Selbständigen und Freiberufler*innen und somit die überwältigende Mehrheit der Künstler*innen in Deutschland in die Fürsorge: ALG II. Und trotz Aussetzen der Prüfung von Vermögen und Miethöhe, sind die Bedürftigkeitsprüfungen für Bedarfsgemeinschaften und die dazugehörige Prüfbürokratie weiterhin wirksam. Die Entscheidung der Bundesregierung ist unbegreiflich. Mit diesem Verfahren werden nicht einmal öffentliche Mittel gespart, denn ALG II ist vieles, nur eines nicht: kostengünstig. Existenziell bedrohten professionellen Künstler*innen und Solo-Selbstständigen aller Sparten und Branchen ist mit einem Einmalzuschuss schneller, unbürokratischer, leistungsgerechter und somit wirksamer geholfen."
Auch viele Galerien stünden mit dem Rücken zur Wand, erklärt Michael Sturm, Galerist in Stuttgart und Baden-Württemberg-Repräsentant im Bundesverband Deutscher Galerien und Kunsthändler (BVDG) im Gespräch mit Georg Leisten für das Schwäbische Tagblatt: "Über die bereits geschlossenen oder abgesagten Ausstellungen hinaus ziehe die Krise noch viel weitere Kreise. Die gesamte Jahresplanung vieler Kollegen sei ins Wanken geraten. 'Wir hoffen alle, dass der Ausnahmezustand bald endet, aber als Galerist müssen Sie bei jeder geplanten Ausstellung in Vorleistung gehen. Für Transporte, Versicherungen, Einladungskarten et cetera. Wenn der Shutdown dann doch anhält, haben wir viel Geld in den Sand gesetzt.' Ein weiteres Problem liege in der Absage wichtiger Messen. Alles keine guten Nachrichten".
An Roosevelts New Deal während der Great Depression erinnert Kito Nedo in der Süddeutschen Zeitung und fordert Ähnliches für die gegenwärtige Situation: "Wie würde es wohl aussehen, wenn eine international gestimmte Kulturpolitik nicht das Abwarten, sondern das Handeln in der Gegenwart und das Reagieren auf diese jetzt als wichtigste Aufgabe der Kulturproduktion definieren würde? Warum sollten Künstlerinnen und Künstler nicht ähnlich energisch wie die Forscherinnen und Forscher in den Laboren durch die Politik unterstützt werden? Auch die Kunst kann ihren Teil dazu beitragen, die Veränderungen und sozialen Verwerfungen verstehen zu helfen, die sich gegenwärtig in einem schwindelerregenden Tempo abspielen."
Ein dem New Deal vergleichbares Programm fordert auch Hans-Ulrich Obrist laut Tessa Solomon bei Artnews für Großbritannien: "Obrist fügte hinzu, dass, wenn der Ausbruch endlich unter Kontrolle sei, 'die Institutionen mit Kunst in gesellschaftliche Bereiche gehen müssten, die normalerweise keinen Zugang zu ihr haben. In dieser Zeit der Krise ist es wichtig, dass die Museen darüber nachdenken, wie sie über ihre Mauern hinausgehen und jeden erreichen können.'"
Eine andere und intellektuell ärmere Kunstwelt nach Corona befürchtet Jerry Saltz in einem Essay für Vulture: "Es wird Galerien auf der anderen Seite dieser Kluft geben, und natürlich auch Museen und Künstler, die arbeiten. Aber ich befürchte, dass eine solche Trennung die Ungleichheiten, die dieses Universum immer mehr beherrschen, nur noch verschärfen wird. Megagalerien und Kunststars werden überleben, und die Kluft zwischen ihnen und allen anderen wird sich nur noch vergrößern, so dass die weniger organsierten Künstler und Galerien nahezu unsichtbar werden."
Ähnliche Erwartungen formuliert Christian Saehrendt in einer über weite Strecken Polemik ohne Fazit in der NZZ: "Hier könnte die Corona-Krise für eine Trendwende sorgen. Ebenfalls gestärkt wird das Geschäft mit Blue-Chip-Kunstwerken, die man getrost unbesehen kaufen darf, weil ihr Marktwert ohnehin stabil ist. Aus der Mode kommen könnten allerdings Entdeckungstouren durch Underground-Galerien, Off-Spaces, Subkulturen und Kunsthochschulen - entweder aus paranoider Angst vor Infektionen oder weil diese Institutionen gar nicht mehr existieren werden. Der Markteintritt junger, unbekannter Künstler dürfte dadurch erschwert werden. Ihnen bleibt dann nur noch die eigene Website."
Während Philipp Hoffman von der Fine Art Group (früher Fine Art Fund) vor September nicht an nennenswerte Geschäfte im Kunstmarkt glaube und Kunsttransporte praktisch zum Erliegen gekommen seien, habe ausgerechnet eine Banksy-Auktion bei Sotheby's abgeräumt, schreibt Katya Kazakina bei Bloomberg.
Gehaltskürzungen und Zwangsurlaub für einen Teil der Belegschaft seien die aktuellen Sparmaßnahmen der großen Auktionshäuser, weiß Angelica Villa von Artnews. Immerhin scheinen sie gelernt zu haben, dass es sich mittelfristig als unvorteilhaft erweisen könnte, in der Flaute Mitarbeiter zu feuern, die man später wieder irgendwo teuer abwerben muss.
Auch die deutschen Auktionshäuser stehen vor einem Dilemma, wie Christiane Fricke für das Handelsblatt herausgefunden hat: "Viele Experten sind überzeugt davon, dass die Versteigerer gut daran tun, ihre Frühjahrsauktionen wie üblich live zu veranstalten - selbst wenn die Bieter bei einem noch andauernden Versammlungsverbot ausschließlich über Telefon oder Internet zugeschaltet sind. 'Die Nachfrage ist jetzt da', betont Van Ham-Chef Markus Eisenbeis. Auch Rupert Keim, Geschäftsführer des Auktionshauses Karl & Faber und Präsident des Bundesverbands Deutscher Kunstversteigerer (BDK), hält es für keine gute Idee, die anstehenden Auktionen weiter in den Herbst zu verschieben: 'Der Wettbewerb ist momentan wegen der ausgefallenen Messen entschärft. Im Herbst jedoch werden viele Messen und Verkaufsausstellungen nachgeholt. Somit trifft ein Riesenangebot auf eine geschwächte Wirtschaft.'"
Anders als die Art Basel Hong Kong, biete die Frieze New York ihren Ausstellern eine volle Erstattung der Standgebühren an, meldet Maximilíano Durón bei Artnews . Allerdings hofften die Veranstalter, dass die Galerien auch eine Gutschrift der Beträge auf die nächste Ausgabe akzeptierten. Außerdem solle es eine virtuelle Ausgabe geben, deren Details in Kürze bekanntgegeben würden.
Ein in seiner Inhaltsleere bemerkenswertes Interview hat Rose-Maria Gropp mit Marc Spiegler, Direktor der Art Baseln und neuerdings Vorstandsmitglied von deren Muttergesellschaft MCH Group AG, für die FAZ geführt: "Wir spekulieren grundsätzlich nicht und wollen dies auch in dieser beispiellosen Situation nicht tun. Wir stehen in engem Austausch mit unseren Kollegen und Experten aus der Kunstwelt und verfolgen die Entwicklung des Virus sowie seine Auswirkungen auf die Wirtschaft und den Kunstbetrieb. Wir werden unsere Pläne den konkreten Entwicklungen anpassen."
Wie es sich mit der ausgeliehenen Kunst in laufenden Ausstellungen verhält, untersucht Gerhard Deutsch im Wiener Kurier vom 3. April: "Dennoch müssen Kunstleihgaben - abgesehen von einigen Ausnahmen - versichert werden. Der unfreiwillig verlängerte Aufenthalt an fremden Museumswänden macht auch eine Verlängerung bestehender Versicherungszeiträume notwendig. In welchem Ausmaß dabei zusätzliche Prämien verrechnet werden, sei aktuell Verhandlungssache und hänge unter anderem von den Sicherheitsstandards in den jeweiligen Häusern ab, sagt Petra Eibel, Leiterin der Abteilung Kunstversicherung bei der UNIQA. [...] Während auf Leihnehmer potenziell zusätzliche Ausgaben für Kunstwerke ohne Publikum zukommen, erwartet Eibel aufgrund entfallener Ausstellungen trotzdem Einbrüche im Versicherungsgeschäft. Und auch der Sektor der Kunstspeditionen ist vom Stillstand akut betroffen: 'Vieles ist auf nächstes Jahr verschoben, was für uns so viel wie ein Storno bedeutet', erklärt Birgit Vikas, Geschäftsführerin des heimischen Marktführers Kunsttrans".
Die Entwicklung Berlins zu einem Zentrum für chinesische Kunst beschreibt Birgit Rieger im Tagesspiegel: "Seit etwa fünf Jahren haben chinesische Künstler nun Berlin als Wohn- und Arbeitsort für sich entdeckt. Manche schätzen, dass derzeit rund 800 Kreative aus Asien hier wohnen. Gerade die international Erfolgreichen haben große Ateliers in der Stadt. Ein chinesisches Kunstzentrum hat eröffnet, Galerien mit China-Schwerpunkt siedeln sich an, ein Mäzen aus Peking plant eine Künstlerresidenz im Umland. Und dann kam Corona. War es das jetzt mit dem China-Boom in Berlin?"
Künstler fördern Kultur dort, wo es Not tut: Der Leipziger Künstler David Schnell ist Mitgründer des Vereins Land in Sicht , der Kulturinitiativen in Sachsen schnell und unbürokratisch unter die Arme greifen will, wie er im Gespräch mit Sarah Alberti bei Monopol: "Die Idee zur Vereinsgründung hatten wir schon, bevor die Diskussion um die Galerietrennung von Axel Krause und seine Teilnahme an der Leipziger Jahresausstellung 2019 medial hochkochte. Wir haben uns dann bewusst noch zurück gehalten, weil es nicht so rüberkommen sollte, als sei unser Verein eine direkte Reaktion darauf, dass ein Maler aus Leipzig rechte Tendenzen kund tut. Der Fall hat uns insofern bestärkt, weil klar wurde, in welche Bereiche rechtes Gedankengut schon vorgedrungen ist, eben in den Kunst- und Kulturbetrieb."
Das aus dem holländischen Singer Laren Museum gestohlene Gemälde Vincent van Goghs werde wieder auftauchen, vermutet Sabine Spindler im Handelsblatt : "Die 'Vermarktung' eines geraubten Kunstwerks wie 'Frühlingsgarten' läuft in den meisten Fällen nach zwei klassischen Mustern ab: Die Versicherung, beziehungsweise die Institution wird erpresst. Oder es wird als Zahlungsmittel in der Unterwelt benutzt. Auf Gemälde von Vincent van Gogh scheinen es Diebe besonders häufig abzusehen. Blüm erwähnte, dass weltweit im Laufe der Zeit 28 Werke des Schöpfers der berühmtesten Sonnenblumen der Kunstgeschichte gestohlen worden seien. Bislang seien alle wieder aufgetaucht."