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Kobels Kunstwoche

Crypto Mundi: Kunstmarkt verkehrt
Crypto Mundi: Kunstmarkt verkehrt
Stefan Kobel

Stefan Kobel

Kobels Kunstwoche 15 2021

 

Wenn der Kunstmarkt politisch wird: Die Verwicklungen und Ränke um die saudi-arabische Investitionsruine „Salvator Mundi“ untersucht ein französischer Dokumentarfilm von Antoine Vitkine, den sich Bernhard Schulz für den Tagesspiegel angesehen hat: „Mitte 2019 kam das Gemälde zur Untersuchung nach Paris – mit dem erwähnten negativen Ergebnis. Daraufhin stellte der saudische Kronprinz ein Ultimatum: Ausleihe des Bildes nur, wenn es neben der 'Mona Lisa' als '100 Prozent Leonardo' gezeigt wird, 'ohne weitere Erläuterungen'. Es ging um das Gütesiegel vor dem Millionenpublikum dieser Blockbuster-Show. Entsprechender Druck soll auf den Louvre auch vom damaligen französischen Außenminister Le Drian ausgeübt worden sein. Es war Präsident Macron, der die Debatte beendete, indem er sich hinter Louvre-Direktor Jean-Luc Martinez und dessen Experten stellte und das Ansinnen des Kronprinzen zurückwies.“

Vitkine selbst erklärt im Interview mit Martina Meister für die WeLT vom 9. April : „Abgesehen von den schwindelerregenden Entwicklungen des Kunstmarktes erzählt die Geschichte des Bildes auch die der Globalisierung. Wie ist es möglich, dass der Wert eines Gemäldes in wenigen Jahren von 1000 Dollar auf 450 Millionen Dollar anwächst? Das ist nicht komplett unredlich, weil es aus der Werkstatt von Leonardo da Vinci kommt, was es natürlich wertvoll macht. Aber hier beherrscht das Geld alles, weil im Namen des Marktes an der Wahrheit gedreht wird. „Salvator Mundi“ fasst also auf geradezu atemberaubende Weise die Rahmenbedingungen des postfaktischen Zeitalters zusammen.

Die Entwicklung des Auktionsmarkts im vergangenen Corona-Jahr und was die nähere Zukunft für den Kunstmarkt insgesamt möglicherweise bereithält, ist Thema des Artnet Intelligence Report Spring 2021 (PDF).

Die wichtigste Erkenntnis des ART+TECH REPORT / Collector's Edition 2021 lautet Christiane Fricke im Handelsblatt zufolge: „'Preise, bitte! Neun von zehn Kunstsammler:innen möchten beim Online-Kunstkauf Preise angezeigt bekommen', konstatieren die Autorinnen. Am meisten würde dort gekauft, wo Preise angezeigt würden.“ Und: „'Die Zukunft bleibt digital', sind die Report-Autorinnen überzeugt. 69 Prozent der Befragten würden dieses Jahr gleich viel oder mehr Kunst online kaufen. Frauen dabei mehr als Männer; und die NextGen Art Collectors mit 76 Prozent am meisten. Hier dominieren die Frauen, die im Übrigen auch der Entwicklung von Online Sales positiver gegenüberstehen als Männer.“

Im Zuge der Corona-Pandemie haben immer mehr der großen Galerien Pop Up-Spaces in den bei reichen US-Amerikanern beliebten Urlaubsregionen eröffnet. Sarah Douglas von Artnews glaubt, dass dieser Trend auch weiterhin bestehen werde. Sie argumentiert unter anderem mit Daten aus dem Immobilienmarkt, wonach die Verkäufe hochpreisiger Wohnhäuser eher zu- als abnähmen.

Eine Gruppe von neun der kultigen CryptoPunks bietet Christie's als NFT in seiner regulären Abendauktion am 13. Mai in New York an. Damit seien die kultigen Köpfe das erste NFT, dem die Ehre zuteil werden, berichtet Taylor Dafoe bei Artnet. Die Taxe von sieben bis neun Millionen US-Dollar sei dabei sogar bescheiden, hätten im März doch einzelne dieser pixeligen Bildchen diesen Betrag erbracht. Insgesamt gibt es genau 10.000 jeweils einzigartige Kryptopunks. Wenn auch noch vieles unklar ist in diesem neuen Markt, eines ist offensichtlich: Nachschubprobleme gibt es nicht.

Das Interessante steht bei Ursula Scheer in der FAZ höchstens zwischen den Zeilen: „Vom 12. bis zum 14. April versteigert das Auktionshaus auf der Plattform Nifty Gateway, die sich im Bereich der in Blockchains gehandelten Kryptokunst als führend etabliert hat, Werke des Anonymus Pak. Unter dem Titel 'The Fungible Collection' steht die unlimitierte Edition von Bildern einer digitalen Würfelkonstruktion zum Verkauf. Zum Preis von je fünfhundert Dollar können Käufer sie einzeln oder in Paketen von fünf bis tausend erwerben.“ Sotheby's, eines der beiden größten Kunstaktionshäuser der Welt bedient sich einer Online-Plattform – eigentlich eine Bankrotterklärung. Unabhängig davon: Stellt sich überhaupt jemand der Beteiligten noch die Frage, welchen Sinn der Erwerb von x unlimitierten identischen digitalen Bildern zu jeweils 500 US-Dollar haben könnte?

70 Jahre nach dem Tod ihres Schöpfers werden NFTs übrigens komplett wertlos, zumindest nach dem aktuell geltenden Urheberrecht, wirft Moritz Draht im Digital-Magazin t3n ein. Die Frage ist allerdings, ob irgendeiner der aktuellen Investoren einen derartigen Anlagehorizont im Blick hat.

An der auf nur gut 100 Aussteller geschrumpften Rumpf-Ausgabe der Art Basel Hong Kong Mitte Mai würden gerade einmal 30 Galerien teilnehmen, die nicht aus der Region stammen und diese wiederum fast ausschließlich mit vor Ort angeheuertem Personal, meldet Pac Pobric für Artnet.

Die Absage der bereits von Februar auf Juli verschobenen Frieze Los Angeles und den Umzug der Ausgabe 2022 meldet Artforum. In der entsprechenden Pressemitteilung der Messe klingt das alles ganz positiv.

Und ganz en passant melde die Tefaf die komplette Einstellung ihrer Herbstausgabe in New York, meldet Daniel Cassady im Art Newspaper.

Antizyklische verhalte sich die Zürcher Galerie Lullin + Ferrari, wenn sie expandiere und ihre Ausstellungsfläche verdopple, stellt Susanna Koeberle in der NZZ fest: „Das ist keine Selbstverständlichkeit – nicht nur angesichts der gegenwärtigen Situation. Denn die Zürcher Galerienszene hatte in den letzten Jahren einige Schliessungen zu verzeichnen, gerade im mittleren Segment. Natürlich gibt es auch in Zürich immer wieder Verwegene, die den Einstieg in dieses schwierige Terrain wagen, aber die Realität zeigt ein wenig erbauliches Bild. 'Von der ‹School of 2008› – wie wir intern unsere Generation von lokalen Galerien nennen – gibt es nicht mehr viele', stellt auch Ferrari ernüchtert fest. Dazu hat nicht zuletzt der ganze Kunstzirkus beigetragen, in dessen Manege es eben Löwen gibt, die lauter brüllen als Clowns lachen können. Da bringt Jammern nicht viel, einzelne Galerien zogen einen Schlussstrich und sprangen von diesem sich aberwitzig schnell drehenden Karussell ab.“

Als Künstlerin nach eigener Aussage erfolglos, als Kunsthändlerin kaum bekannt, als Kunstmarkt-Satirikerin eine Legende: Hilde Lynn Helphenstein, auf Instagram als Jerry Gogosian berühmt in der Kunstszene, hat Helen Holmes für den Observer ein Interview gegeben.

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Dr. Stephan Zilkens | Zilkens Kunstversicherung