Optionale Cookies erlauben?

Neben technisch notwendigen Cookies möchten wir Analyse-Cookies nutzen, um unsere Zielgruppe besser zu verstehen. Mehr dazu in unserer Datenschutz­erklärung. Sie können Ihre Zustimmung jederzeit widerrufen.

Kobels Kunstwoche

Art Brussels; Foto Stefan Kobel
Art Brussels; Foto Stefan Kobel
Stefan Kobel

Stefan Kobel

Kobels Kunstwoche 18 2019

Es war wieder Gallery Weekend in Berlin, und die Kritiker haben ihre jeweils subjektiven Auswahlen präsentiert, die doch meistens über dieselben Stationen führen. Für DIE WELT war Boris Pofalla unterwegs: "Zum fünfzehnten Mal ballt sich die Kunst in Berlin. Galerienwochenenden gibt es mittlerweile auf der ganzen Welt. Aber nirgendwo ist man damit so erfolgreich wie in Berlin, einer Stadt, die nicht gerade prahlen kann mit der höchsten Dichte an Kunstkäufern. Aber die Stadt ist groß. Fast schon zu groß. In anderen Städten sammeln sich Galerien in bestimmten Vierteln, und jeder weiß über alles Bescheid. In Berlin sind die Ausstellungsräume kreuz und quer über die Kieze verteilt, und die Kunstszene ist sich dort oft selbst genug."

Ingeborg Ruthe hat für die Berliner Zeitung "vor allem Qualität zu sehen" bekommen: "Und zwar vor allem davon, dass die überreiche Galerienszene der Stadt ihr Profil gefunden, ergo geschärft hat, Qualität aufbietet. Und das trotz aller Unstetigkeit durch vielfache Umzüge, die meist der Immobiliensituation in der Stadt geschuldet sind oder aber dem Anspruch nach mehr Raumgröße."

Rose-Maria Gropp hat für die FAZ wenig Großformatiges ausgemacht: "Ein Trend à la 'Wohin läuft die Kunst?' lässt sich einmal mehr nicht ausmachen; erwartungsgemäß bleibt es bei einrichtungstauglichen Arbeiten."

Den Überschuss weißer Männer beklagt Astrid Mania in der Süddeutschen Zeitung: "Es ist 2019, und das Gallery Weekend präsentiert sich als eine Domäne weißer Männer. Obwohl die ursprünglich veröffentlichte Künstlerliste noch weniger Frauen und Nicht-Weiße verzeichnete, bestreiten männliche weiße Künstler jetzt immer noch rund drei Viertel des diesjährigen Programms. Das entspricht, leider, in etwa den Verhältnissen in den deutschen Galerien. Doch die Debatte findet statt, Protestaktionen sind geplant. Man muss nicht einmal den Proporz bemühen - die Ausstellungen der Künstlerinnen gehören eindeutig zu den aufregenderen auf einem Weekend, das allerdings schon spannendere Präsentationen zu bieten hatte." Ihre 75 Prozent-Behauptung lässt sich allerdings nicht nicht halten. Selbst bei individueller Einberechnung von Männern in Gruppenausstellungen und Künstler-Duos und unter Ausklammerung einer Gruppenausstellung mit rund 50 überwiegend weiblichen und nicht-weißen Beteiligten, ergibt sich eine männliche und weiße Übermacht von "lediglich" zwei Dritteln. Das ist immer noch sehr deutlich, es wäre daher auch möglich, mit den korrekten Zahlen zu argumentieren. Von Frauen geführte Galerien haben übrigens ungefähr paritätisch ausgestellt.

Im Tagesspiegel zeichnet Julia Friese ein detailliertes Portrait der Video-Sammlerin Julia Stoschek, die mit der am vergangenen Wochenende im ehemaligen Hauptquartier des US-Armee eröffneten Video-Sammlung Fluentum von Markus Hannebauer Konkurrenz bekommen hat. Irmgard Berner war für die Berliner Zeitung in Dahlem, Birgit Rieger für den Tagesspiegel. Gesine Borcherdt nutzt die Gelegenheit für DIE WELT, um dem zunehmend verschnarchenden Berliner Kunststandort einen mitzugeben: "Es ist schon erstaunlich: Spiegeln die Veranstaltungsorte des Gallery Weekend in Berlin inzwischen das Schulterzucken, mit dem die Stadt auf die Übernahme der besten Kunstorte durch Unternehmer wie die Zalando-Samwer-Brüder oder Nicolas Berggruen reagiert und hinnimmt, dass sie für das internationale Kunstpublikum längst kein Traumziel mehr ist, entdeckt ausgerechnet ein Start-up-Gründer den Berliner Südwesten als neue Kunstdestination. Vielleicht ist das ja der Beginn eines kleinen Kunstaufschwungs. Berlin würde es sehr guttun."

Die erschwerten wirtschaftlichen Bedingungen für den Nachwuchs thematisiert Christiane Meixner im Tagesspiegel: "Der Nachwuchs ist in Gefahr, und das gleich doppelt. Denn ohne die Galerien der Zukunft fehlen am Ende ebenso die Bühnen für jene, die jedes Jahr aus den zwei Kunstakademien dieser Stadt strömen und für ihr Publikum sichtbar werden müssen. So viele Kunstvereine und Projekträume - deren Zahl aus den genannten Gründen ebenfalls stetig schrumpft - kann es gar nicht geben, dass sich allein in ihren Räumen die Vielfalt der aktuellen Kunstszene abbildet. Selbst das Gallery Weekend leidet auf Dauer darunter. Die Mischung aus Etabliertem und Neuem, aus Werken, die ein Vermögen kosten und solchen für kleinere Budgets, droht zu verschwinden."

Außerdem gibt es seit einigen Jahren parallel zum Gallery Weekend noch die Messe Paper Positions, die Angela Hohmann für die Berliner Morgenpost besucht hat. Dort präsentierten sich ebenfalls 15 Berliner Modelabel, eine Verbindung, auf die Grit Thönissen im Tagesspiegel eingeht. Messe-Mitgründer und -Direktor Kristian Jarmuschek hat Axel Rahmlow für den Deutschlandfunk ein Interview gegeben, in dem er Qualitäten und Problemstellen Berlins benennt.

Den Galerie-Treck gen Westen beschreibt Christiane Meixner im Tagesspiegel und zitiert als Zeugen für die Entwicklung unter anderem Markus Peichl von der Galerie Crone, der findet, "dass Berlin vor 20 Jahren ein Riesenversprechen gegeben habe. Nun aber, wo sich im ehemaligen Ostteil der Stadt immer mehr Bürgertum ansiedelt, zöge er dann doch das Original vor, den alten Berliner Westen eben."

Auch Peter Richter singt in der Süddeutschen Zeitung ein Loblied auf den Trend Charlottenburg: "Dass der alte Westen vielleicht auch ein Ort sein dürfte, an dem sich noch am ehesten das finden lässt, woran es den Berliner Galerien am meisten mangelt, nämlich lokale Kundschaft mit einer hinreichenden Kaufkraft, sei ein schöner Nebeneffekt, sagt Mehdi Chouakri. Darauf habe er es zwar wirklich nicht angelegt, aber in der Nachbarschaft habe er tatsächlich schon Leute kennengelernt, die dann zu Kunden wurden. Und am Ende ist der warme Begriff der Nachbarschaft im großen, zugigen Berlin auch ein ganz verkehrspraktisches Argument für die neue Liebe so vieler Galeristen zum alten Westen: Viele von ihnen wohnen dort ganz einfach selber."

Nebenbei war in Brüssel Kunstmesse, nebst Galerieeröffnungen. Anny Shaw beschäftigt sich im Art Newspaper kritisch mit der Innovation einer Sektion für alternative Galeriemodelle. Leichte Überfütterungserscheinungen offenbart hingegen Donna Schons bei Monopol: "Ein Gang über die Art Brussels - und man hat genug Keramikarbeiten für die nächsten paar Jahre gesehen. Bunt bemalte, glasierte und augenzwinkernd unperfekte Skulpturen sind nach Malereien das zweithäufigste Medium auf der Messe und zeugen von einem bis zur Sättigungsgrenze ausgereizten Trend." Für Artmagazine und Handelsblatt war ich in Brüssel.

Was passiert, wenn ein Messeveranstalter per Privatjet einfliegen lässt, zeigen Olga-Grimm-Weissert im Handelsblatt vom 26. April und Alexandra Wach bei Monopol, die beide die Art Monte Carlo besucht haben.

Der Mann, der vier Zeichnungen aus Gerhard Richters Müll gefischt hatte, ist laut einer dpa-Meldung, unter anderem bei Monopol nachzulesen, zu einer Geldstrafe verurteilt worden: "Am Ende verurteilt das Gericht ihn zu einer Geldstrafe von 1315 Euro - 90 Tagessätze zu je 35 Euro. Die Bilder sollen eingezogen werden. 'Auch, wenn die Skizzen neben der Papiertonne lagen, waren sie noch Eigentum des Künstlers', sagt Richterin Potthoff in der Urteilsbegründung. Indem der Maler die Bilder in den Müll warf, habe er sie 'an einen Entsorgungsbetrieb zum Zwecke der Entsorgung übereignet'."

Die Verurteilung eines französischen und eines US-amerikanischen Kunsthändlers zu Bewährungsstrafen meldet das Art Newspaper. Die beiden sollen geschätzt 1.700 gefälschte Rodin-Bronzen hergestellt und verkauft haben.

Den Schuldspruch über eine deutsch-russische Hochstaplerin durch ein New Yorker Gericht meldet Monopol: "Zur Inszenierung gehörte auch der Umgang mit Kunst: Sorokin postete Fotos von Kunstwerken und Museumsbesuchen auf ihrem Instagram-Account (darunter auch Bilder aus Berliner Galerien). 'Nachmittags-Bellini', schrieb sie etwa von der Biennale in Venedig 2015, wo sie von dem Sammler Michael Xufu Huang begleitet wurde, der nach eigenen Angaben hohe Kosten für Flüge und Hotel übernahm. Sie sprach davon, einen privaten Club mit Filialen in Los Angeles, London, Hongkong und Dubai öffnen zu wollen, dessen Herzstück ein Kunstzentrum sein sollte, für das die Künstler Urs Fischer, Damien Hirst und andere Werke beisteuern sollten. Die New Yorker Filiale sollte nach Wunsch von Delvey von Christo eingepackt werden."

Die Verurteilung der Galeristin Mary Boone wegen Steuerhinterziehung werde wohl keinen nachhaltigen Effekt auf die Moral im Kunstmarkt haben, fürchtet Daniel Völzke bei Monopol: "Der Name der Krankheit lautet Gier, möchte man antworten, und diese Krankheit ist verbreitet in der Kunstwelt. 'Viele Leute umgehen die Steuer', sagte Ross Bleckner wie zur Entschuldigung am Donnerstag in der 'New York Times'. Und ergänzte: "Und sie werden eben nicht erwischt." Mary Boone mag als besserer Mensch die Haft verlassen und ihre Galerie wiedereröffnen. Man durfte sogar hoffen, dass die Kunstwelt aus diesem Fall lernt. Doch wenn man Bleckner hört, dann wird wohl wieder nichts daraus.

Newsletter

Die neuesten Ausgaben von Zilkens Newsblog und Kobels Kunstwoche direkt per E-Mail erhalten.
Dr. Stephan Zilkens | Zilkens Kunstversicherung