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Kobels Kunstwoche

Teuer: H Queens in Hongkong; Foto Stefan Kobel
Teuer: H Queens in Hongkong; Foto Stefan Kobel
Stefan Kobel

Stefan Kobel

Kobels Kunstwoche 18 2020

Seltsame Allianzen tun sich auf in einem sich dann doch trotz aller Kassandrarufe immer weiter digitalisierenden Kunstmarkt. Besonders bemerkenswert ist die neue Plattform Sotheby's Gallery Network, auf der zunächst acht New Yorker Blue Chip-Galerien Werke zum Kauf anbieten. Eileen Kinsella erklärt das Portal für den Konkurrenten Artnet.

Neue Formen der Kooperation und Akte der Solidarität sieht Viven Trummer für die WeLT in der Corona-gebeutelten Branche. Sie ist überzeugt: "Dass diejenigen klar im Vorteil sein werden, die schon seit Jahren in die Digitalisierung investieren und versuchen, intellektuelle digitale Formate zu entwerfen, steht außer Frage. Erwiesen hat sich aber auch, dass ein echtes Wahrnehmen von Kunst durch ein Sehen von Kunst in virtuellen Räumen nicht zu ersetzen ist. Der Kunstmarkt jedenfalls lockert sich jetzt. Ein Kunstkauf wird nicht mehr unbedingt an ein unmittelbares Sehen des originalen Werks geknüpft. Vielmehr zeigen die Initiativen des Handels, dass gute Kunst - Kunst, an die man sich nach einem ersten oder zweiten Sehen länger noch erinnert - auch online verkauft und erworben werden kann."

Bei einem um drei Viertel eingebrochenen Auktionsmarkt im ersten Quartal sieht Julia Halperin für Artnet gleichzeitig eine stabile Nachfrage im niedrigpreisigen Bereich.

Über die Zukunft der Kunstauktion macht sich Georgina Adam im Art Newspaper Gedanken: "Sicher ist, dass kein Auktionshaus, mit dem ich gesprochen habe, auf Live-Verkäufe ganz verzichten wird: 'Wir haben absolut nicht die Absicht, nur auf Online umzustellen', sagte mir Cheyenne Westphal, die weltweite Vorsitzende von Phillips. Aber in der Zwischenzeit verstärken alle Auktionshäuser ihr Online-Programm, indem sie manchmal ehemalige Live-Auktionen ins Internet verlegen. 'Seien wir ehrlich, einige normale Live-Auktionen waren eine ziemlich langweilige Erfahrung', sagt Barker [von Sotheby's]. 'Diese werden online gehen und nie wieder zurückgehen. Ich kann mir eine Situation vorstellen, in der Live-Auktionen zum Kronjuwel werden, das nur den allerbesten Losen vorbehalten ist'."

Das Auktionsgeschäft laufe dort, wo es aktuell stattfindet, recht gut, hat Dennis Kremer im Gespräch mit Henrik Hanstein und seiner Tochter Isabel Apiarius-Hanstein zum Generationswechsel im Unternehmen für die FAS vom 3. Mai erfahren: "So voll wie früher wird es wegen Corona in den Auktionssälen auf absehbare Zeit nicht mehr werden. Das klingt wie eine schlechte Nachricht, ist es aber interessanterweise nicht. Denn auch wenn Hanstein - Jahresumsatz 2019 rund 56 Millionen Euro, 70 Mitarbeiter - den Andrang im Saal vermisst, läuft das Geschäft besser als gedacht. "Die Leute sind derzeit gierig nach Kunst", sagt der Lempertz-Chef und bestätigt damit, was auch andere Auktionshäuser berichten. Nur kann diese Lust an der Kunst eben nicht auf traditionellem Wege befriedigt werden, sondern ganz modern: per Online-Gebot. Das ist für viele Auktionshäuser nichts Neues, Online- und selbstverständlich auch Telefon-Bieter gehören seit Jahren fest dazu."

Von der überaus erfolgreichen ersten Saal-Auktion in Deutschland nach dem Lockdown bei Irene Lehr in Berlin berichte ich im Handelsblatt.

Auch das Galeriegeschäft läuft langsam wieder an. Über die Aussichten seiner Zunft hat Evelyn Vogel mit dem Vorsitzenden des Bundesverbands Deutscher Galerien (BVDG) Kristian Jarmuschek für die Süddeutsche Zeitung gesprochen: "Für mich ist die entscheidende Frage: In welchem Zustand sind Anfang September die Galerien wirtschaftlich, aber auch psychologisch. Und in welchem Zustand sind die Leute, deren Aufmerksamkeit wir einwerben wollen. Was wir im Herbst machen werden, werden wohl eher Messen mit Ausstellungscharakter sein, anlässlich derer man sich endlich wieder trifft, sich sieht, sich austauscht, die neuesten Arbeiten der Künstler kennenlernt und sich Orientierung verschafft. Der finanzielle Druck wird auf alle enorm sein. Viele Sammler werden sich fragen: Ist das jetzt das wichtigste, Kunst zu kaufen für meine weißen Wände, auf die ich im Corona-Home-Office wochenlang gestarrt habe? Dennoch möchte ich ungern von einer Krise sprechen, eher von einer Bedrohung. Es wird auf jeden Fall schwierig werden. Das Funktionieren des Kunstmarkts darf spätestens jetzt auf keinen Fall mehr als eine Selbstverständlichkeit angesehen werden."

Wie Berlins Galerien mit der ausfallenden Saisoneröffnung umgehen, hat sich Christiane Meixner für den Tagesspiegel angesehen: "Hätte, würde, könnte: Den Beteiligten hat das nicht gereicht. Auf der offiziellen Website www.gallery-weekend-berlin.de findet sich eine Übersicht all jener Galerien, die Teil der Initiative sind und ihre Räume nun wieder geöffnet haben. Mit dem partiellen Ende des Lockdowns kehrt auch das Leben in Berlins Galerien zurück. Etwas jedenfalls, denn natürlich muss man sich an Vorgaben halten. Kleine Gruppen und Mundschutz sind unerlässlich, Besucherströme unerwünscht. Aber ein bisschen Normalität tut gut - und ganz besonders die Rückkehr zur Kunst."

Mit fünf Galeristen aus dem Südwesten Deutschlands hat Hans-Joachim Müller über aktuelle Lage für die WeLT gesprochen: "Wie haben die Kunsthändler aus dieser Region, die alle nicht zu den Global Playern gehören, überlebt? Ihre Sammlerkundschaft rekrutiert sich in der Mehrzahl aus der gut verdienenden Unternehmerschaft kleinerer und mittlerer Betriebe, die das "Ländle" zu einem prosperierenden Wirtschaftsraum gemacht haben. So gesehen erscheint es durchaus Erkenntnis fördernd, einmal in der Provinz nachzufragen, wie Galeristen die Krisenzeit erleben und wie sie ihre Zukunft neu entwerfen."

An eine schnelle Erholung des österreichischen Markts glaubt Michael Kovacek, gleichzeitig Kunsthändler und Miteigentümer des Auktionshauses Im Kinsky, wie er Nicole Scheyerer in der FAZ vom 2. Mai erklärt: "Der Kunsthändler Kovacek, der das Kinsky 1992 mitgründete, hat schon viele Krisen miterlebt. Er weiß aus eigener Erfahrung, was seine Branche gerade durchlebt. In der Wiener Innenstadt fallen in der aktuellen Situation die Touristen als Kunden für die Antiquitätengeschäfte weg, Messen finden nicht statt: 'Der Handel sucht jetzt das Ventil der Auktionen.' Kovacek ist überzeugt, dass der Kunstmarkt schneller als andere Bereiche der Wirtschaft wieder anspringen wird. Denn diese Waren müssten nicht extra erst produziert werden, und die Leute seien froh, wenn sie Qualität erwerben können." Auch die Messe Viennacontemporary gehe davon aus, die diesjährige Ausgabe im September durchführen zu können: " Das wäre tatsächlich auch ein wichtiges Signal an die Galerien. Auf alle Fälle werde die Schau von mehr als hundert auf sechzig bis siebzig Teilnehmer reduziert."

In Hongkong habe die Corona-Krise angesichts der horrenden Mieten ein Umdenken ausgelöst, hat Lisa Movius für das Art Newspaper in Erfahrung gebracht: "Die Mieten in H Queen's sind fünfmal höher pro Quadratmeter als in den ehemaligen Industriegebäuden im Wong Chuk Hang-Gebiet auf der Südinsel, sagt ein Galerist aus Central, der den Umzug erwägt, aber aufgrund der laufenden Vertragsverhandlungen anonym bleiben möchte. Im Pedder Building seien die Preise sogar noch höher, heißt es. Der Kunsthändler sieht den Umzug als den einfachsten Weg, Personal- und Gehaltskürzungen zu vermeiden."

Einen Vergleich der Hilfsprogramme verschiedener Länder für die Branche stellt Catherine Hickley im Art Newspaper an: "Die Kunstwelt wird nicht der einzige Sektor sein, der eine zweite Runde der Hilfe fordert, wenn die wirtschaftlichen Realitäten zu beißen beginnen - daher ist es sinnvoll, dass die Wirtschaftsverbände ihre Erwartungen eher früher als später anmelden."

Vom privaten Rettungsprogramm für polnische Künstler der Unternehmerin und Kunstsammlerin Grazina Kulczyk berichtet Rose-Maria Gropp in der FAZ vom 2. Mai: "Ihr Programm gewährt hundert Künstlerinnen und Künstlern jeden Alters und ohne feste Einkommensquelle eine einmalige, bedingungslose Finanzhilfe. Kulczyk konzentriert sich auf Polen, wo aber auch sie selbst nur eine begrenzte Anzahl von Künstlern erreichen kann. Deshalb hat sie zudem Personen, die vor Ort im täglichen Kontakt mit ihnen stehen, um Rat gebeten, so dass ihre Hilfsangebote direkt und unkompliziert ankommen können."

Die Kulturstaatsministerin stellt Kultureinrichtungen Fördermittel in Höhe von 10 Millionen zur Verfügung. Die Fördergrundsätze für "NEUSTART. Sofortprogramm für Corona-bedingte Investitionen in Kultureinrichtungen" sind hier (PDF) nachzulesen. Weiterführende Informationen hält der Bundesverband Soziokultur bereit.

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Dr. Stephan Zilkens | Zilkens Kunstversicherung