Optionale Cookies erlauben?

Neben technisch notwendigen Cookies möchten wir Analyse-Cookies nutzen, um unsere Zielgruppe besser zu verstehen. Mehr dazu in unserer Datenschutz­erklärung. Sie können Ihre Zustimmung jederzeit widerrufen.

Kobels Kunstwoche

Gallery Weekend Berlin Dinner; Foto Stefan Kobel
Gallery Weekend Berlin Dinner; Foto Stefan Kobel
Stefan Kobel

Stefan Kobel

Kobels Kunstwoche 18 2023

Der New York Times war das Gallery Weekend Berlin 2019 das letzte mal einen Bericht wert. Dabei herrschen an der Spree in diesem Frühjahr Vielfalt und Aufbruchstimmung wie selten in letzter Zeit. Kevin Hanschke fasst in der FAZ zusammen: „Insgesamt ist Identität, ob soziale, politische oder digitale, einer der roten Fäden, die das Wochenende zusammenhalten. […] Der Zuspruch der internationalen Besucher und Sammler übertreffe beim diesjährigen Gallery Weekend die Erwartungen und liege über vorpandemischem Niveau, sagt Maike Cruse, die die 19. Ausgabe des Wochenendes verantwortet. Mit 55 Galerien und fast neunzig präsentierten Künstler ist es besonders vielfältig. Unter den Neuzugängen sind dieses Mal bekannte Namen des Kunstmarkts, etwa der Kunsthandel Werner oder die seit 1971 bestehende Galerie Nothelfer. Auch die parallel stattfindende siebte Ausgabe der Messe paper positions stellt mit 56 internationalen Galerien aus zwölf Ländern einen neuen Rekord auf.“

Mit einem Schweizer Kunstberater hat sich Niklas Liebetrau für die Berliner Zeitung ins Gewühl gestürzt: „Auf dem Gallery Weekend, diesem Exportschlager, der in Paris, Warschau und Peking kopiert wird, scheinen die Krisen dieser Zeit (Pandemie, Krieg, Energiekrise) weit entfernt. Die Themen, die hier eine Rolle spielen, bewegen sich vor allem im identitätspolitischen Bereich (Rassismus, Transgender, Wokeness). Der Gallerienschau scheint es nicht zu schaden. Noch nie, so hört man von den Machern, habe es so viele Anmeldungen von Sammlern und Vertretern der großen Museen gegeben wie bei diesem 19. Mal.“

Zu kaufen gebe es hier für Normalsterbliche auch nicht allzu viel, bemängelt Peter Richter in der Süddeutschen Zeitung vom 29. April: „Wer hier allerdings immer noch primär an eine Shopping-Tour für Sammler denkt: Viel Glück dabei, genug Werke zu finden, die a) in die Räume einer privaten Kunstsammlung passen, wenn sie b) überhaupt zum Verkauf stehen und nicht Leihgaben für Ausstellungen mit elaborierten Kuratoren-Konzepten sind. Denn in einer dialektischen Wendung, wie sie vielleicht nur der Kunstbetrieb so formvollendet hinbekommt, hat sich diese Veranstaltung inzwischen zu einer Art Documenta (im früheren, tatsächlich noch den Stand der Dinge in der Kunst dokumentieren wollenden Sinne) verwandelt, mit erstaunlich vielen Ausstellungen, die man einst eher in Museen oder Kunstvereinen erwartet hätte. Nur eben in kommerziellen Galerien und über das Stadtgebiet Berlins verteilt.“

Die parallel zum GWB stattfindende Messe Paper Positions hat Raimar Stange für Artmagazine besucht. Ich war für dieselbe Publikation in den Galerien.

In eine doppelte Sackgasse führt die Besprechung der von Isabelle Graw gewohnt salonsozialistisch kuratierten Ausstellung in einer der Berliner Galerien von Max Hetzler, die Jens Müller für den Tagesspiegel befragt: „Kunst ist nur was für Reiche? Leider ja, befindet eine Ausstellung in der Galerie Max Hetzler. Der Traum, die Kunst aus ihrem Dasein als Luxusgut zu befreien, endet am Verkaufstresen.“ Die das Blatt prompt hinter die Paywall verfrachtet.

Die vermeintlich egalitäre Tendenz, Kunstpreise wie den der Neuen Nationalgalerie neuerdings einfach an alle Nominierten zu vergeben, sei zu kurz gegriffen, gibt Saskia Trebing bei Monopol zu bedenken. „Schließlich war die öffentliche Präsentation der Shortlist auch eine seltene Gelegenheit für das Publikum, die Arbeit und die Entscheidungsgrundlage einer Kunstpreisjury nachzuvollziehen und sich selbst ein Urteil zu bilden. Das neue Verfahren macht die Auswahl nicht transparenter, zumal viele Auswahlgremien mit immer demselben Museumspersonal besetzt sind. Hinzu kommt, dass sich Preise oft aus anderen Auszeichnungen oder Stipendien speisen und eine Art 'Dominoeffekt' der Ehre erzeugen [...]. Dadurch entsteht der Eindruck, dass sich viele Ehrungen mit ähnlichem Profil auf wenige Personen konzentrieren - was manche Künstlerinnen und Künstlern überfordern und ausbrennen lassen kann und anderen den Zugang erschwert. Preise sind nie ganz gerecht, weil die Qualität von Kunst nicht objektiv zu bewerten ist und am Ende eben doch Gewinnerinnen und Verlierer produziert werden, wenn auch in wechselnder Zahl und in unterschiedlicher Deutlichkeit. Die Reform des Preises der Nationalgalerie nimmt Impulse vonseiten der Kunstschaffenden auf und dämpft die Institution in ihrem Pathos. Am Grundproblem ändert sie jedoch nichts.“ Man kann dadurch aber immerhin so tun, als kümmerte man sich um Diversität und Gerechtigkeit.

Seine bereits vor drei Jahren an der selben Stelle entwickelte Idee der „Commons“ für Kunstproduktion und -förderung greift Oliver Körner von Gustorf bei Monopol (Paywall) wieder auf: „Viele im Kunstbetrieb wünschen sich wieder die gleichen Hunger Games wie vor der Pandemie. Preise, Stipendien, Ankäufe, wobei die Entscheidung darüber, wer wofür Geld bekommt, 'in die Hände erfahrener Fachleute' gehöre – so schrieb der Kunstkritiker Kolja Reichert in der 'Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung'. 'Kulturpolitik darf sich nicht daran messen lassen, wie vielen Künstlern sie das Überleben sichert. Sie muss sich daran messen lassen, wie viel herausragende Kunst entsteht – und ob diese ihr Publikum findet', so Reichert. Genau dieser elitäre Wunsch nach 'Herausragendem' nimmt jede Hoffnung auf Änderung. 'Herausragend' heißt nichts anderes als profitabel, für den Markt oder institutionell zu verwerten. In der Pandemie sollen nur markttaugliche Künstlerinnen und Künstler mit ins Boot. Natürlich werden wieder dieselben Leute darüber entscheiden, wer Geld bekommt, nämlich jene, die bereits im Netzwerk sind. Doch das Argument des Herausragenden ist relativ.“

Der Nachlass des Queen-Sängers Freddy Mercury wird im September versteigert, meldet Susanne Schreiber im Handelsblatt: „Eingeliefert wird der über 30 Jahre sorgsam gehütete Nachlass von Mary Austin. Sie war eine enge Freundin von Mercury. Sie erbte sein Londoner Refugium, die Backsteinvilla Garden Lodge, sein Vermögen und die Rechte an den Songs. Die Einnahmen aus dem House Sale will sie sowohl dem Mercury Phoenix Trust spenden als auch der Elton John Aids Foundation, weil Elton John ein guter Freund von Freddie Mercury war.“

Ein hübsches Feigenblatt für möglicherweise profanere Motive bei der Eintscheidungsfindung zur Einlieferungsannahme der Horten-Juwelen hat Christie's, das Zachary Small für die New York Times befragt hat: „Das Auktionshaus hat jedoch eingeräumt, dass es sich bei seiner Entscheidung, die Auktion zu veranstalten, auch mit der Tatsache auseinandersetzen musste, dass Helmut Hortens Geschäftsimperium auf dem Kauf von Unternehmen von Juden aufgebaut wurde, die von den Nazis zum Verkauf gezwungen wurden. 'Wir sind uns bewusst, dass es eine schmerzhafte Geschichte gibt', sagte [Anthea] Peers. 'Wir haben das gegen verschiedene Faktoren abgewogen', fügte sie hinzu und sagte, dass die Stiftung 'ein wichtiger Motor für philanthropische Zwecke' sei.“

Appropriation Art funktioniert wohl nicht mit NFTs. Yuga Labs sei bei einem entsprechenden Prozess in Kalifornien Recht gegeben worden, berichtet Shanti Ecalante Di-Mattei bei Artnews: „Außerdem sagte der Richter, dass [Ryder] Ripps und [Jeremy] Cahens 'NFT-Marktplatzverkäufe [auf OpenSea und Foundation] und die Ape Market-Website keinen künstlerischen Ausdruck oder kritischen Kommentar enthalten'. Der Richter räumte zwar ein, dass Ripps und Cahen fast täglich Kommentare über ihre Kampagne und das Projekt auf Twitter und anderen Plattformen abgaben, aber er sagte, dass die Angebote der Angeklagten auf den Marktplätzen selbst 'auf den Verkauf rechtsverletzender Produkte abzielten und nicht auf künstlerische Äußerungen, die durch den ersten Verfassungszusatz geschützt sind.'“

Den wohl arg distanzlosen „Dokumentar“-Film „Der Illusionist“ über den Betrüger Helge Achenbach hat sich Ursula Scheer für die FAZ angesehen, damit wir es nicht tun müssen: „Ohne Tiefgang gleitet auch der Film dahin, der bei der Albrecht-Sache bleibt, über Achenbachs Betrug am Unternehmer Christian Boehringer, die Rheingoldsammlung oder Kooperation mit der Berenberg Bank kein Wort verliert und kein Interesse an Opferperspektiven zeigt. Stattdessen redet vor allem Achenbach über sich selbst. Und weil der Kunstberater ein sehr guter Erzähler mit angenehmer Stimme ist, der stets zugewandt völliges Einverstandensein mit sich selbst ausstrahlt, obwohl er die Sache mit dem Millionenbetrug schon irgendwie „'bescheuert' findet und in der Haft gelitten hat, lässt sich die Filmemacherin charmieren.“ Für das Handelsblatt berichtet Regine Müller von der Kinoprenmiere: „Gekommen sind also die, die übrig blieben, nachdem Helge Achenbach wegen Betrugs verhaftet wurde und sein Imperium sich in Nichts auflöste. Und gekommen sind offenbar auch jene, die bis heute Schadenfreude empfinden, dass Achenbach die besonders Reichen und – in seiner Lesart Geizigen - übers Ohr gehauen hat. Als seien seine 'Collagen', als welche er seine retuschierten Rechnungen bezeichnet hat, nichts weiter als ein Kavaliersdelikt eines ansonsten aufrechten Mannes. Ist das bloß rheinisches 'laissez faire' und ein Hang zum Halbseidenen, den man Düsseldorf ja auch nachsagt?“


Newsletter

Die neuesten Ausgaben von Zilkens Newsblog und Kobels Kunstwoche direkt per E-Mail erhalten.
Dr. Stephan Zilkens | Zilkens Kunstversicherung