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Kobels Kunstwoche

Lesia Kaplan, Prymachenko (turned over in her grave);  frei via creativesforukraine.com
Lesia Kaplan, Prymachenko (turned over in her grave); frei via creativesforukraine.com
Stefan Kobel

Stefan Kobel

Kobels Kunstwoche 19 2022

Auch hier kann geholfen werden: UKRAINISCHE ARCHIVE RETTEN – das polnische Pilecki-Instituts Berlin und die weißrussische Diaspora-Vereinigung RAZAM in Zusammenarbeit mit der Allianz Ukrainischer Organisationen, der Ukrainischen Orthodoxen Kirchgemeinde e.V. und mit freundlicher Unterstützung durch das Bundesarchiv rufen zu Spenden für die Rettung ukrainischer Archive und Museumsgüter auf.

Den Kunstpreis des Berliner Gasversorgers Gasag will die litauische Künstlerin Emilija Škarnulytė nicht annehmen, um auf die deutsche Abhängigkeit von Russland hinzuweisen, meldet dpa: "Der Gasag Kunstpreis, der für künstlerische Arbeiten an der Schnittstelle zu Wissenschaft und Technik vergeben wird, ist mit einer Präsentation in der Berlinischen Galerie, einem Katalog dazu sowie 10.000 Euro verbunden. Die Preisstifterin respektiere die Entscheidung der Künstlerin und stelle das Preisgeld der Berlinischen Galerie zur Förderung junger Künstlerinnen und Künstler zur Verfügung, hieß es."

New York liegt demnächst im Wilden Westen, zumindest die Auktionsbranche, die von der Stadtregierung massiv dereguliert wird, wie Graham Bowley und Robin Pogrebin in der New York Times berichten: "Die Vorschriften waren über Jahrzehnte hinweg erlassen worden, um die Aufsicht über eine Kunstindustrie zu verbessern, die lange Zeit als undurchsichtig galt - mit Käufern und Verkäufern, die oft von der Öffentlichkeit abgeschirmt wurden - und verlangten vor allem, dass bestimmte Informationen offengelegt werden, etwa ob ein Auktionshaus eine finanzielle Beteiligung an einem zum Verkauf stehenden Werk hat. [...] Das neue Gesetz sieht vor, dass Auktionshäuser ab dem 15. Juni keine Lizenz mehr benötigen. Die branchenspezifischen Vorschriften, die als Reaktion auf mehrere Skandale und das explosive Wachstum der Kunstindustrie eingeführt wurden, sind bereits außer Kraft gesetzt worden. Die Stadtverwaltung verteidigte die Abschaffung der Vorschriften als nützliche Vereinfachung, die das Geschäftsklima in New York verbessern wird. Einige Kunstmarktexperten äußerten jedoch die Sorge, dass die Stadt zu weit gegangen sei.“

Die Eroberung New Yorks durch die Tefaf fällt demnächst etwas bescheidener aus, weiß Barbara Kutscher im Handelsblatt: "Der erst im Herbst 2016 an den Start gegangene kleine Ableger der Maastrichter Spitzenmesse ist durch die Qualität des Angebots und das kenntnisreiche Publikum für Händler erste Wahl. Und auch Künstler finden eine Vertretung auf dieser Messe wichtig. [...] Aber auch für die Tefaf New York hat sich seit Beginn der Pandemie einiges geändert. Sie reduzierte ihre Präsenz von zwei Veranstaltungen – 'Tefaf Spring' für Moderne und Zeitgenossen und 'Tefaf Fall' für historische Werke seit der Antike – auf eine Frühjahrsausgabe. Zu den Gründen wollte sich Chairman Hidde van Seggelen nicht äußern." Das Risiko einer Selbstkannibalisierung nimmt die Königin der Kunstmessen dabei in Kauf. Schließlich findet in diesem Jahr sechs Wochen später – danach wieder regulär sechs Wochen zuvor – die Muttermesse in Maastricht statt. Man darf gespannt sein, wie viele US-Galerien dann noch in die Niederlande reisen wollen.

Dem Standort London drohe eine Abwärtsspirale, fürchten Anny Shaw und Gareth Harris im Art Newspaper: „Rechtsanwalt Pierre Valentin spricht von einem 'Schneeballeffekt'. Er sagt: 'Wenn die großen Auktionshäuser die Zahl der Verkäufe in London reduzieren, entlassen sie Mitarbeiter. Die großen Galerien ziehen nach. Die Kunstspezialisten ziehen in Städte wie New York, Hongkong, Paris und Zürich, wo sie Arbeit finden können.' Einige warnen davor, dass das, was in den 1960er Jahren in Paris geschah, als die Einführung eines komplizierten Systems von Steuern und Abgaben auf Kunstverkäufe zur Verlagerung des Marktes in die USA und das Vereinigte Königreich beitrug, auch in Großbritannien geschehen könnte."

Eine kurze Geschichte des chinesischen Kunstauktionswesens liefert Mark Siemons in der FAZ vom 7. Mai: "Wie es weitergeht, ist völlig ungewiss. Die Zahl der Auktionshäuser in China wächst weiter, momentan dürfte sie etwa 550 betragen. Und während der chinesische Kunstmarkt als ganzer heute weniger als die Hälfte des Volumens des amerikanischen ausmacht, behauptet sich der Auktionsmarkt weiter an der Weltspitze. Doch aufgrund des hohen Anteils nicht vollzogener Verkäufe wird man erst in Jahren wissen können, wie real diese Zahlen sind."

Die erste Live-Auktion von Sotheby's in Köln hat Christiane Fricke für das Handelsblatt mitverfolgt: "Es werden am Ende mehr als 1500 Bieter sämtlicher Altersklassen aus rund 60 Ländern gewesen sein. Im Schnitt ist immer ein Drittel der Kunden neu für Sotheby’s. Solch arbeits- und kostenintensive Versteigerungen von Objekten im unteren Preisbereich sind eben immer auch ein Marketinginstrument, bei dem der prominente Name Lagerfeld für die Kundenakquise sorgt."

Die am heutigen Montag bei Christie's mit einer Taxe von 200 Millionen US-Dollar zur Versteigerung angebotene „Marilyn“ von Andy Warhol besteche vor allem durch die Chuzpe, mit der sie vermarktet werde, meint Till Briegleb in der Süddeutschen Zeitung: Denn auch das bemühteste Marketing-Geklingel „rechtfertigt es nicht, den absolut singulären Charakter des einen Motivs zu behaupten, es als 'eines der größten Gemälde aller Zeiten' zu etikettieren und als 'einmalige Gelegenheit' zu einem Preis zu versteigern, der bereits für die orange Marilyn schon mal privat gezahlt wurde. Und das, obwohl es nicht mal ein 'Gemälde' ist. Doch das wird niemand interessieren, der sich an dem Wettbieten beteiligt. Argumente haben auch Mohammed bin Salman nicht davon abhalten können, einen 'Leonardo' zu kaufen, der schon damals eher als Werkstattarbeit eingeschätzt wurde, was inzwischen in einer offiziellen Herabstufung des Weltsegners zur Kategorie 'überwacht durch Leonardo' bestätigt wurde. Hauptsache, der Preis ist hoch genug, um das eigene Ego abzubilden.“ Eigentlich muss man nur ein paar Namen und Titel austauschen, und es könnte sich um einen Artikel über NFTs handeln.

Je mehr Michael Moynihan die NFT-Welt in seinem Youtube-Video für Vice erklärt, umso verstörender wird das Bild, das er vermittelt. Knapp eine halbe Stunde Unterhaltung, unter anderem mit Artnet-Redakteur Ben Davis, Kunstmarkt-Hans Dampf Kenny Schachter, Ex-Starkünstler Lucien Smith, Beeple-Käufer Metakovan und ... Pepe, dem Frosch (Maskottchen von QAnon und den Trumpisten).

Der Art+Tech Report aus Berlin untersucht den Markt für Kunst-NFTs und klärt über die Unterschiede zur NFT-Bonanza der Krypto-Bros auf. Christiane Fricke hat den Bericht für das Handelsblatt gelesen: "Das spekulative Element spielt für art NFT-Sammlerinnen eine überraschend nachrangige Rolle. Nur ein knappes Drittel ist der mögliche Profit bei einem Wiederverkauf wichtig. An erster Stelle rangiert mit 90 Prozent der Erkenntnisgewinn. 60 Prozent finden es gut, einer 'Community' anzugehören. Immerhin 21 Prozent geben an, bereits in fraktionalisierte NFTs, also in Anteile von hoch bezahlten Kunstwerken, investiert zu sein. Die insgesamt relativ schwach bis mäßig ausgeprägte Profiterwartung macht den entscheidenden Unterschied zum kryptoaffinen NFT-Käufer aus, der Collectibles mit Wertversprechen, etwa CryptoPunks, CryptoKitties oder gelangweilte Affen, bevorzugt."

Den digitalen Museumsshop dreht das Wiener Leopold Museum jetzt noch ein Stück weiter, berichtet Michael Huber im Kurier vom 6. Mai: "Das Leopold Museum legt nun eine 'Schiele Collection' auf, bei der Interessierte über die Plattform 'LaCollection' mit technischer Unterstützung der Österreichischen Post zertifizierte Kopien in verschiedenen Auflagen erwerben können: Als 'Ultra Rare' werden die Werke 'Tote Mutter I' (1910), das 'Selbstporträt mit Lampionfrüchten' (1912) und das 'Bildnis Wally' (1912) um 100.000 Euro aufgelegt. Hier kommt nur ein NFT auf den Markt, ein zweites bleibt in Museumsbesitz. Die weiteren Abstufungen heißen 'Super Rare' (Edition 10 Stück, 10.000 Euro) und 'Rare' (100 Stück, 499 Euro)." Dann doch lieber Kühlschrankmagneten.

Dem Plan von Jeff Koons, einen ganzen Schwung seiner Skulpturen auf den Mond zu schießen, kann Daniel Völzke für Monopol (Paywall) nichts abgewinnen: „Denn steckt hinter diesem 'Moon Phases'-Projekt nicht der gleiche Gestus, mit denen sich in jüngster Zeit Superreiche ins Weltall schießen? Wenn die irdischen Verhältnisse einem Mann, der sich alles kaufen kann, keine Grenzen mehr setzen, geht’s ins All. Oder ins Metaverse. Zu jeder Miniskulptur von Koons wird ein NFT zum Verkauf angeboten – was von der Galerie als der 'mit Spannung erwartete Eintritt von Jeff Koons ins Metaversum' angepriesen wird.“

Das NFT eines falschen Kandinskys brächten russische Scammer zur Unterstützung der Streitkräfte in Stellung, hat Ursula Scheer für die FAZ herausgefunden: "Lügen über Lügen türmen die Texte der Netzpräsenz einer ominösen Organisation namens Terricon aufeinander, in denen die Wirklichkeit ins Gegenteil verkehrt und die Ukraine zum von Radikalen angeführten Aggressor umgedichtet wird. Um dem mit aller Gewalt entgegenzutreten, solle man unter der Überschrift „Kunst für den Sieg“ das Werk aus einer Privatsammlung erwerben, mit Kryptogeld, unter Umgehung aller Sanktionen: als Non-Fungible Token. Es ist naheliegend, dass die prorussische Seite versucht, was die ukrainische mit zahlreichen Krypto-Spendenaktionen schon gestärkt hat, und schreit nach Regulierung des Blockchain-Handels. Doch NFT, virtuellen Besitzurkunden-Unikate, sind nur dann etwas wert, wenn auch die realen Werke, auf die sie verweisen, es sind." Den Namen der Webseite oder einen Link bleibt die Autorin allerdings schuldig.

Der Amtsschimmel ist leider kein so seltenes Tier, dass es auf die Artenschutzliste gehörte. Und so wiehert er den Kunsthandel weiter munter an, wie Zacharias Mawicks Lagebericht in der WELTKUNST (kostenlose Anmeldung) zu entnehmen ist: "Alle Anzeichen deuten darauf hin, dass sich der Artenschutz weiter verschärfen wird, was grundsätzlich natürlich zu begrüßen ist. Ob es indes notwendig ist, auch den Handel mit Antiquitäten von oft hohem künstlerischem Niveau – die im Übrigen auch unter das Kulturgutschutzgesetz fallen können – aus eher symbolischen Gründen mit derart strengen Auflagen zu versehen, bleibt hinterfragenswürdig. Sie sind dadurch einem preislichen Verfall ausgeliefert, der zusammen mit einer zunehmenden Stigmatisierung der Eigentümer dazu führen könnte, dass eine unkomplizierte Entsorgung die attraktivere Lösung wäre."

Das Toledo Museum of Art in Ohio trennt sich via Sotheby's von Gemälden des französischer Meister (Cézanne, Renoir, Matisse), die zusammen 48 bis 62 Millionen Dollar einbringen sollen, unter anderem zugunsten von Neuerwerbungen. Christopher Knight von der Los Angeles Times findet das nicht gut: „Der Markt führt heute einen Großteil der gemeinnützigen Museumswelt am Nasenring durch die Manege. Aber die Kernaufgabe der Museen ist das Sammeln, Erforschen und Bewahren großer Kunst, und die konservative Strategie der Privatisierung unersetzlicher öffentlicher Güter im Namen des liberalen Fortschritts ist rückständig. Der Verkauf von Toledo ist skrupellos.“

Das Frankfurter Städel scheint sehr eigenwillige Vorstellungen von Pressearbeit und -freiheit zu haben, wie der Journalist und Fotograf Damian Zimmermann erfahren musste und auf Facebook publik gemacht hat. Seine Anfrage nach einem Künstlerinterview erfuhr eine Behandlung, als handelte es sich um einen Hollywood-Star oder einen des Subventionsbetrugs verdächtigen Wirtschaftsboss.

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Dr. Stephan Zilkens | Zilkens Kunstversicherung