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Kobels Kunstwoche

Von Räuberbaronen zu Philantropen: die Rockefellers
Von Räuberbaronen zu Philantropen: die Rockefellers
Stefan Kobel

Stefan Kobel

Kobels Kunstwoche 20 2018

Die Milliarde nur knapp verfehlt! 833 Millionen US-Dollar hat die Versteigerung des Rockefeller-Nachlasses bei Christie's in New York inklusive Aufgeld eingebracht, die damit der bisher teuerste Single Owner Sale ist, mit einem fast doppelt so hohen Erlös wie 2009 die Sammlung Yves Saint und Laurent Pierre Bergé. Christian Schaernack berichtet darüber in der NZZ, viele andere deutschsprachige Medien verwenden dieselbe dpa-Meldung wie die Nürtinger Zeitung.

Diese Auktion ist wohl das beste Indiz für das Zeitalter des Neofeudalismus. Barbara Kutscher hat für das Handelsblatt vom 11. Mai mit sehr vielen Teilnehmern und Beobachtern gesprochen; der Tenor ist meistens der selbe - die Provenienz macht den Preis: "'Everybody wants a piece of the rock' - mit diesem Wortspiel beschreibt der Kunsthändler Nicholas Sands die Rekordauktion. 12,4 Millionen Dollar spielte das Kunstgewerbe insgesamt ein. 'Der Dinner-Table ist natürlich ein ikonisches Stück. Essen wie die Rockefeller!'"

Der aktuelle Wasserstand scheint die FAZ nicht sonderlich zu interessieren; im Kunstmarkt der Wochenendausgabe sind fast ausschließlich Vorberichte zu Auktionen aus New York, München, Köln und Wien zu lesen.

Trotz des PR-Geklingels seien die Kunstwerke, die da gerade mit acht- und neunstelligen Beträgen Furore machen, in den seltensten Fällen Meisterwerke, erklärt Ulrich Clewing in der Süddeutschen Zeitung:"Und ohnehin befinden sich die wirklich großartigen Gemälde der Klassischen Moderne, die im Schaffen ihrer Urheber tatsächlich eine zentrale Rolle innehaben, längst in den großen Museen, im Musée d'Orsay, der Tate Gallery, im Metropolitan und dem MoMA. Und sind sie einmal dort, bleiben sie meist für lange Zeit. All das hat dazu geführt, dass nicht alles, was jetzt als Spitzenwerk vermarktet und zum Spitzenpreis verkauft wird, auch wirklich ein Spitzenwerk sein kann. Über Leonardos 'Salvator Mundi' etwa ließe sich vieles sagen. Klar ist aber, dass im Louvre niemand auf die Idee käme, die Mona Lisa oder 'Johannes den Täufer' abzuhängen, um dafür Platz zu schaffen."

Immerhin, eine der etwas tiefschürfenderen künstlerischen Auseinandersetzungen mit der schönen neuen Welt der Kryptowährungen hat Georg Imdahl in der Galerie Buchholz für die FAZ gesehen: Simon "Dennys Objekte geben den digitalen Währungen eine analoge Form im 'Meatspace', jenem physischen Raum, in dem wir uns leibhaft bewegen: informativ und spielerisch. Wir begegnen Pionieren und Nutznießern der Währung auf Editionen des Würfelspiels. Mit Retro-Design unterfüttert Denny allzu idealistische Erwartungen an die Krypto-Communities, mit eher düsteren Collagen zeigt er Skepsis".

Die Misere der kleineren Galerien beschreibt Clemens Bomsdorf in der ZEIT und zitiert dabei als Zeugen den Galeristen und Vorsitzenden des BVDG Kristian Jarmuschek: "Früher hätten Sammler ihr Geld im Kunstmarkt reinvestiert, sagt Jarmuschek. 'Jetzt wollen sie mit Kunst Rendite erwirtschaften und sind immer weniger bereit, auf noch nicht etablierte Künstler zu setzen. Darunter würden vor allem Galerien wie seine leiden, mit 1,5 Mitarbeitern zählt auch er zum Mittelbau. Solche, die versuchen, Künstler aufzubauen. Dazu sind Investitionen nötig. Je weniger Käufer aber bereit sind, am Anfang einer Karriere Arbeiten zu kaufen, desto riskanter wird diese Strategie."

Den Behörden-Hickhack um Axel Haubroks Fahrbereitschaft in Berlin erklärt Timon Karl Kaleyta für den Freitag ausführlich: "Ja, man muss der Bezirksstadträtin den Vorwurf machen, sich inhaltlich nicht genug mit dem tatsächlichen Anliegen der Haubroks und der visionären Idee der Fahrbereitschaft auseinandergesetzt zu haben - andernfalls hätte man gewiss eine Lösung finden können und die Paragrafendrohkulisse wäre in sich zusammengebrochen. Doch ist es andererseits verwunderlich, wenn eine Stadtverwaltung, die sich seit Jahren den Vorwurf anhören muss, sie tue nichts gegen die steigenden Mieten und die Verdrängung, dann doch einmal die Chance zur Regulierung ergreift und den Falschen erwischt?" Den Sammler und Unternehmer als Bauernopfer darzustellen, ist dann aber vielleicht doch etwas zu kurz gegriffen. Immerhin wusste er wohl von Anfang an, dass Ausstellungen auf dem Areal nicht zulässig sind. Sich auf die Perpetuierung von Ausnahmegenehmigungen zu verlassen in der Hoffnung, den Status Quo irgendwann legalisieren zu können, schließt nun einmal die Möglichkeit des Scheiterns ein - auch wenn das für Berlin sehr schade wäre.

Die ungleiche Bewertung von Frauen und Männern durch den Kunstmarkt greift Annegret Erhard in der NZZ auf und entwickelt dazu einige Gedanken: "Ausserdem stehen Frauen in der freilich unausgesprochenen Pflicht, ständig Neues zu produzieren, neue Ansätze, eine sichtbare Entwicklung, so was. Sonst sind sie schnell als One-Trick-Pony durch. Bei männlichen Künstlern freut man sich dagegen über geerdete Stabilität und den grossartigen Wiedererkennungswert."

Wann ist eigentlich die Grenze erreicht, ab der sich Institutionen und Künstler fragen sollten, ob das Aufhübschen des unethischen Verhaltens von Konzernen mit Kunst noch vertretbar ist? Die Frage stellt sich immer wieder. Die Stadt Bochum und einige prominente Vertreter der Kunstszene testen das gerade aus. Sie haben sich vom Immobilienkonzern Vonovia für einen ganz besonders zynischen Kunstpreis einspannen lassen. Während die Firma vor allem Negativschlagzeilen produziert und Mieter mit ständig steigenden Mieten bei gleichzeitiger Vernachlässigung der Immobilien belastet, hat sie einen Fotografie-Wettbewerb ausgeschrieben, in dem das Gegenteil dessen aufgesucht werden sollte, was sie selber ihren Mietern bietet. In der Pressemitteilung heißt es: "Die Ausstellung steht unter dem Motto ZUHAUSE. Ein Thema das, jeden betrifft - ein Grundbedürfnis des Menschen. Für Menschen unterschiedlichster Herkunft und Prägung ist Zuhause ein emotionaler Ort, der ihre Verbundenheit zu anderen Menschen, denen man nahesteht, ausdrückt." Dieser besonders offensichtliche Versuch des Whitewashings kann eigentlich auch den beteiligten Künstlern nicht egal sein.

Während die Geschäfte bei Artnet recht unauffällig verlaufen, kommt die Führung nicht zur Ruhe: Anders als noch in der Einladung zur Hauptversammlung (PDF-Download) angekündigt, trat Aufsichtsrat Kilian Jay von Seldeneck nicht mehr an. Der Schwiegersohn von Henrik Hanstein vom Kunsthaus Lempertz hatte erst letztes Jahr sein inzwischen untergegangenes Online-Portal Arthusiast bei Artnet eingebracht und war im Zuge dessen in den Aufsichtsrat eingezogen. Statt seiner ist jetzt Bettina Böhm AR-Mitglied, die gleichzeitig die Abteilung Deutschland und Schweiz der wohltätigen Organisation Outset leitet, VIPs für die Frieze-Messen betreut und die schweizerische Palmarium Art AG berät.

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Dr. Stephan Zilkens | Zilkens Kunstversicherung