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Kobels Kunstwoche

Undurchsichtige Angelegenheit: Biennale di Venezia; Foto Stephan Zilkens
Undurchsichtige Angelegenheit: Biennale di Venezia; Foto Stephan Zilkens
Stefan Kobel

Stefan Kobel

Kobels Kunstwoche 20 2019

Die beiden größten Events des Kunstmarkts stecken in der Krise. Die Muttergesellschaft der Art Basel hat ihre Cash Cow Basel World so lange gemolken, bis diese kollabiert ist. Jetzt stehe die MCH vor der Pleite und müsse unbedingt privatisiert werden, so ventiliert Christian Mensch in der Basellandschaftlichen Zeitung alarmistisch die Forderung der grün-liberalen Oppositionspartei GLP. Was ein privatwirtschaftlicher Eigentümer für die Kunstmesse Art Basel bedeuten würde, mag man sich gar nicht ausmalen. Schließlich trägt dieser Unternehmensteil erheblich dazu bei, dass die Messegesellschaft überhaupt noch Geld verdient.

Ob die Art Basel mit Hongkong einen langfristig tragfähigen Standort ausgewählt hat, fragt sich Philipp Meier in der NZZ: "Gute Kunst sucht immer eine kritische Auseinandersetzung mit ihrer Zeit und erprobt auch einmal den zivilen Ungehorsam. Daran wird Hongkong gemessen, und die internationale Kunstgemeinde, die jedes Jahr zur Art Basel pilgert, wird genau hinschauen. Angesichts der jüngsten Entwicklungen in China ist Hongkongs Sonderstatus allerdings in Gefahr. Mit dem wichtigsten Kunst-Hub Asiens könnte es schon früher vorbei sein, als den Kunstliebhabern lieb ist. Dann werden sie sich wohl fragen: War es nicht reichlich naiv, in Hongkong in die Freiheit der Kunst zu investieren?"

Während also der eine Pfeiler des Kunstmarktzirkuszeltes unter dem wirtschaftlichen Druck wankt, droht mit der Biennale di Venezia der andere an seiner Bigotterie zu verdorren. Das Feuilleton und der Kunstmarkt jeglicher Provenienz arbeiten sich derweil überwiegend an inhaltlichen Phänomenen ab, seien etwa es Susanne Schreiber im Handelsblatt vom 10. Mai, Kolja Reichert in der FAS vom 12. Mai, Kate Sutton in Artforum oder Ben Eastham in Artreview.

Susanne Kaufmann vom SWR kritisiert in einem öffentlichen Facebook-Post, die Vergabe des Goldenen Löwen an den durch eine Tochter von Carolyn Christov-Bakargiev kuratierten Beitrag Litauens, weil die Arbeit bereits 2016 in Stuttgart produziert und 2018 in Dresden zu sehen gewesen sei.

Was kleinere Länder offiziell für ihre Teilnahme aufwenden, hat Julia Halperin für Artnet in Ansätzen recherchiert. Sie liefert so Hinweise auf die ökonomischen Bedingungen der angeblich nichtkommerziellen Kunstsause.

Marcus Woeller vermittelt in DIE WELT wertvolle Einsichten in die offensichtlichen und weniger offensichtlichen Marktaspekte der Mega-Schau und protokolliert die erschütternde Realitätsverweigerung des Biennale-Leiters Ralph Rugoff: "Er glaube auch nicht, dass die Biennale ein großer Verkaufsplatz ist. 'Es findet alle zwei Wochen irgendwo eine Kunstmesse statt. Und ich habe viele Künstler gesehen, für die es überhaupt keinen Einfluss auf ihre Verkäufe hatte, dass sie auf der Biennale ausgestellt haben.' Ob Galeristen oder Sammler nach Venedig kommen, das kümmere ihn wenig."

Dabei wissen Szenekenner von den in jüngerer Vergangenheit zahlreichen bekanntgewordenen Skandalen um gekaufte Pavillons oder von kursierenden Untermietpreisen in Ländervertretungen und Collateral Events, ganz zu schweigen von den recht offen ausgetragenen Sponsoring-, Marketing- und Verkaufsaktivitäten von Galerien und Unternehmen. Das gesamte System Venedig hat ein Glaubwürdigkeitsproblem. Ob die internationale Ausstellung unter einem Motto steht oder nicht, ob die Idee der nationalen Repräsentanz noch zeitgemäß ist, oder ob in diesem Jahr zu viel künstlicher Nebel eingesetzt wurde - geschenkt. Die Biennale di Venezia ist für viele der großen Kunstsammler die wichtigste Kunstmesse und für einige Galerien sowieso. Die Diskussion sollte sich also darum drehen, was die Biennale heute überhaupt sein will und kann: Ausstellung oder Verkaufsausstellung (wie früher) und wie das dann seriös zu finanzieren wäre.

Einen Blick in die New Yorker Auktionskataloge der nächsten Woche, unter anderem mit Ikonen der Pop Art, wirft Anne Reimers für die FAZ.

Den Schätzpreis von 70 Millionen US-Dollar für eine Kaninchen-Skulptur von Jeff Konns hintefragt Rose-Maria Gropp in der FAZ vom 11. Mai: "'Rabbit' erwarb S. I. Newhouse 1992 bei der Gagosian Gallery in New York. Newhouse, der Eigentümer des amerikanischen Verlagsimperiums Condé Nast, starb Anfang Oktober 2017. Ihm gehörte eine enorme Kollektion an 'Blue Chip'-Kunst, aus der die Familie jetzt verkauft. Die Vermarktung liegt bei Tobias Meyer, bis Ende 2013 Super-Auktionator von Sotheby's, seither Kunsthändler. Ob seine Rechnung für den 'Rabbit' aufgeht, wird sich zeigen; denn bekannt ist auch, dass seit 2014 der Auktionsmarkt für Jeff Koons eine deutliche Delle zeigt. Mit der hohen Schätzung zielt Christie's tatsächlich auf einen neuen Rekord für ein Werk von ihm. Den hält seit 2013 der immerhin 3,6 Meter hohe 'Ballon Dog (Orange)' mit seinem Zuschlag bei 52 Millionen Dollar. Mit Aufgeld kostete der Wauwau seinen unbekannten Telefonbieter 58,4 Millionen Dollar; vorher besaß ihn der amerikanische Filmproduzent und Verleger Peter Brant, Milliardärs- und Sammlerkollege von Newhouse. Die aktuelle Taxe ist eine kühne Ansage, zumal das Kaninchen mit seiner Möhre ohne Absicherung durch eine Garantie antritt."

Von der aberwitzig bepreisten Koons-Edition schlägt Astrid Mania in der Süddeutschen Zeitung den Bogen über Yves Klein zu der Frage, warum seriell Produziertes mitunter so teuer ist: "Der Kontrast zwischen der Serialität seiner Gemälde und der Diskrepanz zwischen ihren Preisen führt heute auch zu der Frage, warum gerade bei Auktionen oftmals die Werke Höchstsummen erzielen, die nicht aus dem Œuvre eines Künstlers herausstechen. Unter den teuersten Losen der letzten Jahre finden sich auffallend viele, die im Kontext einer Serie oder sogar als Edition erschienen sind. Das klingt zunächst erstaunlich, ist es doch in der Regel das Seltene, das begehrt und damit teuer ist. Doch es gibt gute Gründe, das Serielle auch ökonomisch zu schätzen - Wiedererkennungswert zahlt sich aus, das gilt für einzelne Künstler wie auch für einzelne Werkgruppen."

Für drei Arbeiten von Mark Rothko, die nächste Woche in New York versteigert werden, haben Devin Liu und Doug Woodham bei Artsy mittels Künstlicher Intelligenz (KI oder AI) Preisvorhersagen getroffen. Nächste Woche wissen wir, ob wir zukünftig Maschinen oder Experten vertrauen sollten.

Ob diese neun Künstler wirklich den Kunstmarkt verändern, wie die Überschrift zu einem Galerierundgang der anderen Art von Sabine Spindler und Susanne Schreiber im Handelsblatt behauptet, mag man bezweifeln. Doch werden hier dankenswerterweise einmal nicht die immer selben Namen in den immer gleichen Galerien wiedergekäut, sondern aus fünf Städten neun junge Positionen vorgestellt, die noch am Anfang ihrer Karriere stehen.

Die Verteilung der deutsch-russischen Hochstaplerin Anna Sorokin zu vier bis zwölf Jahren Haft meldet dpa, nachzulesen unter anderem bei Monopol.

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Dr. Stephan Zilkens | Zilkens Kunstversicherung