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Kobels Kunstwoche

Irina Goryacheva War&Peace; frei via creativesforukraine.com
Irina Goryacheva War&Peace; frei via creativesforukraine.com
Stefan Kobel

Stefan Kobel

Kobels Kunstwoche 21 2024

Im Vorfeld der New Yorker Auktionswoche versucht sich Ulrike Knöfel in allerbester BILD-Manier im Spiegel an Kunstmarkt-Bashing, mit einem Banalitäten als Herrschaftswissen verbreitenden Magnus Resch als Kronzeugen. Nicht glaubwürdiger macht sich die Autorin mit der Voraussage: „Groß heraus kommt in dieser Saison das Werk des Graffitimalers Jean-Michel Basquiat." Als Neuentdeckung sozusagen. Da spielt es dann fast keine Rolle mehr, dass sie Lucio Fontana mal eben zu einer Lucia macht.

Als Resümee der Auktionswoche steht bei Barbara Kutscher im Handelsblatt Entwarnung: „Die positive Kehrseite der Medaille: Die Häuser mussten keine massiven Garantiesummen bewilligen, um der Konkurrenz Sammlungen abzujagen. Nach den ersten drei Abendauktionen bei Sotheby’s, Phillips und Christie’s diese Woche muss man den Auktionshäusern attestieren, dass sie unter nicht einfachen Marktkonditionen den Finger fest am Puls des Marktes haben. Davon zeugen auch die hervorragenden Abverkaufsquoten um 90 Prozent.“

Das kleinste der drei Auktionshäuser hatte dabei das teuerste Kunstwerk der Woche berichtet quasi nebenbei Anne Reimers in der FAZ: „Das teuerste Kunstwerk der Saison verkauft Phillips: Jean-Michel Basquiats 'Untitled (ELMAR)' (40/60 Millionen) erreichte 40,2 Millionen Dollar. Insgesamt setzte der „Modern & Contemporary Art Evening Sale“ des Auktionshauses mit 25 verkauften Losen von 28 im Angebot 86,3 Millionen Dollar um. Die Erwartung lag zwischen 75 und 110 Millionen. Nur vier Lose waren mit unwiderruflichen Geboten abgesichert.“. An dieser Stelle sei nochmals darauf hingewiesen, dass die Schätzpreise ohne Aufgeld gemeint sind, die Ergebnislisten jedoch durchwegs das Aufgeld enthalten. Das Toplos erreichte also nicht die Schätzpreisuntergrenze.

Warum gute Verkaufsquoten nicht unbedingt ein Zeichen für einen stabilen Markt sind, erläutern Julia Halperin und Zachary Small in ihrer ausführlichen Analyse für die New York Times: „Die Garantie eines Dritten, die nach der Finanzkrise 2008 zu einem beliebten Instrument zur Risikovermeidung wurde, spielt auf dem heutigen, nervösen Kunstmarkt eine immer wichtigere Rolle. (Man stelle sich die Garantie als das Kunstmarkt-Äquivalent zur Put-Option vor.) Letzte Woche haben die Auktionshäuser externe Investoren für die meisten finanziellen Garantien gewonnen, die sie den Verkäufern anbieten. Diese Investoren standen hinter jedem garantierten Werk in der Abendauktion für moderne und zeitgenössische Kunst von Phillips am 14. Mai - Verpflichtungen, die etwa zwei Dritteln des Gesamtwerts der Auktion entsprachen. Bei den Abendauktionen von Christie's und Sotheby's wurden 105 der 117 Werke mit Garantien von Dritten unterstützt. [...] Das Phänomen ist 'fast schon eine Voraussetzung für den Verkauf', sagte die ehemalige Auktionshaus-Managerin Caroline Sayan. In diesem Jahr ist vielen aufgefallen, dass der Pool potenzieller Bürgen über die typischen Hedge-Fonds-Honchos hinaus wächst. Händler kommen hinzu, und das Toledo Museum of Art hat kürzlich zugegeben, bei einer Auktion als Bürge zu fungieren.“

Die schönste Zusammenfassung der Abendauktion bei Sotheby's liefern Karen K. Ho und Alex Greenberger bei Artnews: „Nach drei Stunden war jeder, der bis zum Ende der Auktion blieb, wahrscheinlich hungrig. Doch statt der üblichen Auswahl an Käse, Crackern und Charcuterie gab es für die Gäste nur leere Champagnergläser. Als ARTnews einen Mitarbeiter von Sotheby's nach dieser Veränderung fragte, antwortete er schlicht: „Der Markt hat sich verändert.“

Das Highlight der Auktionen bei Christie's war Rosa de la Cruz-Auktion, von der Brian Boucher bei Artnews berichtet: „Die Auktion erzielte einen Gesamtpreis von 28,1 Mio. $ gegenüber einer Schätzung von 25 bis 37 Mio. $. Acht Werke - fast ein Drittel davon - wurden für 1 Million Dollar oder mehr versteigert. Die Gebote waren sowohl im Saal als auch am Telefon sehr lebhaft, da die Kunden über Spezialisten mitboten. Für jedes Werk gab es eine Verkaufsgarantie, 17 davon von Dritten. 'Der meistdiskutierte Einlieferer ist natürlich die Auflösung der de la Cruz Foundation', sagte [Kunstberater Ralph] De Luca in einer E-Mail, „was leider wieder einmal zeigt, dass Stiftungen KEINE Museen sind und keinen Zugang zu Primärwerken erhalten sollten.“ Die de la Cruzes erhielten oft hohe Rabatte von Händlern. [...] In einer kurzen Pause vor der Versteigerung des 21. Jahrhunderts bezeichnete ein Berater, der anonym bleiben wollte, die Ergebnisse der de la Cruz-Versteigerung trotz der hohen Gebote als 'deprimierend' und sagte, dass die Familie die Werke eindeutig so bepreist hatte, dass sie weggehen würden. “

Die Top-Stücke der deutschen Auktionshäuser haben Susanne Schreiber und Sabine Spindler für das Handelsblatt zusammengestellt: „Der deutsche Expressionismus setzt die Spitzen bei Grisebach, Ketterer, Karl & Faber und Lempertz. Was schlummert noch alles in nationalem und internationalem Privatbesitz, fragen sich Marktkenner angesichts des Frühjahrsangebots von Ketterer Kunst, dem Haus, das die gehaltvollste Offerte vorlegt.“

In die Kataloge des Wiener Dorotheums hat Nicole Scheyerer für die FAZ geschaut.

Über die Messe Taipei Dangdai mit ihren heuer 78 Ausstellern weiß Cybil Huichen Chou für Artnews vor allem Positives zu berichten: „Die Zahl ist leicht rückläufig im Vergleich zu 2023, als 90 Händler teilnahmen. Der Ko-Direktor der Messe, Robin Peckham, warnte jedoch davor, zu viel in diese Verschiebung hineinzuinterpretieren, da die Taipei Dangdai und andere Messen in Asien in erster Linie darauf abzielen, ihre lokale Szene auf eine feinabgestimmte Weise zu bedienen. 'Der gesamte asiatische Kunstmarkt ist so komplex geworden, dass er von Hongkong allein nicht mehr effizient bedient werden konnte', erklärte Peckham gegenüber ARTnews.“ Der affirmative Tenor zieht sich durch den recht ausführlichen Text. Ein Minimum an kritischer Distanz und Einordnung wäre hilfreich für Alle – die Leser, die Medien, den Autor und letztlich auch die Messe selbst.

Der Krieg in der Ukraine präge auch die erste Ausgabe der NADA in Warschau, berichtet Aga Sablinska bei Artnet: „Trotz des positiven politischen und kulturellen Wandels in Polen bleibt das geopolitische Klima in Osteuropa angespannt. An Polens Grenze in der Ukraine tobt ein Krieg, und die russische Invasion, die im Februar 2022 begann, stellt weiterhin eine Bedrohung für die gesamte Region dar. Da die NADA Villa Warschau eine der größten Kunstveranstaltungen in der Region ist, sickern der Krieg und andere geopolitische Themen in die Ausstellung ein.“

Über die Turbulenzen der beiden größten Kunstmärkte Afrikas – Nigeria und Südafrika – berichtet Chinma Johnson-Nwosu im Art Newspaper: „Die Unsicherheit des [nigerianischen] Naira erreichte bald einen Punkt, an dem Unternehmen in Lagos begannen, Rechnungen mit einem Zeitfenster von drei bis fünf Tagen auszustellen, sagt Ugoma Ebilah, Gründerin der Galerie Bloom Art. Tatsächlich begannen viele Galerien in Lagos, darunter auch ihre eigene, in Dollar abzurechnen. 'Es war eine schwierige Entscheidung, weil ich die Gefahren kenne', sagt sie. 'Je mehr wir unsere Wirtschaft auf Dollar umstellen, desto schlechter wird [der Naira].' Anfangs war der Dollartrend 'eine versnobbte Angewohnheit unter den Galeristen in Lagos, aber bald wurde er zu einer Notwendigkeit'. Nicht zuletzt für Galeristen, die finanzielle Stabilität suchen. Aber auch für die Künstlerinnen und Künstler, die begannen, die Bezahlung ihrer Galerien in der US-Währung zu beantragen. 'Alles, was die Künstlerinnen und Künstler brauchen: Farben, Leinwände... werden importiert', erklärt Ebilah.“

„Galeriendämmerung?“ nennt 3sat dramatisch seine Erkundung davon, „wie junge Künstler mit Instagram den Kunstmarkt aufmischen" am kommenden Samstag: „Noch gehört [Johanna] Dumet zu den wenigen Ausnahmen, die den Sprung aus den sozialen Medien in den etablierten Kunstmarkt geschafft haben, aber viele drängen nach. Waren es bisher die Galeristen, die bestimmten, welche Newcomer Karriere machen, nehmen heute immer mehr junge Künstler ihre Verkäufe und Vermarktung selbst in die Hand. Macht Social Media die Galerien überflüssig? Elke Buhr, Chefredakteurin des Fachmagazins 'Monopol', glaubt nicht an den dauerhaften Erfolg der Quereinsteiger: 'Ein Künstler wird erst durch die Anerkennung der Fachwelt relevant. Galerien, Sammler und Museen werden weiterhin bestimmen, wer dazugehört.'“ Das könnte spannend werden, denn schon Menschen wie James Rizzi, Stefan Szczesny, KAWS oder Leon Löwentraut sind mit Produkten reich geworden, die vom traditionellen Kunstbetrieb mit gerümpfter Nase ignoriert werden. Bis Perrotin sie auf einer Art Basel zeigt.

Über die Methoden, mit denen der Wettstreit um ein nationales Fotozentrum zwischen Essen und Düsseldorf geführt wird, kann man schon den Kopf schütteln. Jetzt stellten sich Düsseldorfer Protagonisten beim Festival photo+ gegenseitig ein Bein, berichtet Christiane Fricke für das Handelsblatt: „Nun gibt es erneut Ungemach. Denn die Stadt strich dem vor vier Jahren neu aufgestellten Fotofestival erhebliche Mittel. Statt 250.000 Euro flossen nur 200.000 Euro. Die Streichung ist das Ergebnis eines politischen Ränkespiels infolge des Protests weniger sich übergangen fühlender Akteure. Da half auch schriftlicher Flankenschutz durch den Oberbürgermeister nicht, der das kuratierte Konzept der 'düsseldorf photo+' verteidigte. Die Stadt Düsseldorf, die durch den Rüstungskonzern Rheinmetall über so viel Geld wie schon lange nicht mehr verfügt, hat sich damit keinen Gefallen getan. Denn das Festival ist ein Baustein, mit dem die Stadt ihr Profil als Foto- und Medienstadt schärfen könnte. Die Voraussetzung dafür ist eben nicht ein Veranstaltungsformat, in das wie in einen Gemischtwarenladen wahllos alles hineingepfropft werden kann, was nur irgendetwas mit Fotografie zu tun hat.“

Die Berliner Galerie Barbara Weiss heißt jetzt Galerie Trautwein Herleth, meldet Victor Sattler in der FAZ.

Nach einem Bericht über mögliches finanzielles Fehlverhalten plane Galerist Nino Mier die Aufgabe von vier seiner acht Standorte, meldet Alex Greenberger bei Artnews: „'Da sich die Nino Mier Gallery zunehmend auf ihre Aktivitäten in New York und Brüssel konzentriert, ziehen wir in Erwägung, einen Teil unserer Galerieräume in Los Angeles zu schließen und werden in naher Zukunft mehr darüber berichten', sagte ein Sprecher der Galerie in einer Erklärung gegenüber ARTnews.“

Hilde Lynn Helphenstein, die sich in ihrer Instagram-Persona Jerry Gogosian als das satirische Gute Gewissen des Kunstmarkts geriert und Kritiker gerne als „Hater“ beschimpft, hat sich Anni Irish von Artnews zufolge für einen herabwürdigenden Kommentar während ihrer Live-Übertragung von der Abendauktion bei Sotheby's in New York entschuldigt, bei der sie sich über den Vornamen des Auktionators lustig machte: „'Wer würde sein Kind ‚Ashcan‘ nennen?' sagt Helphenstein und lacht aus dem Off. 'Ich frage für einen Freund. Wer würde sein Kind 'Ashcan' nennen? Vielleicht sind sie keine Amerikaner und es bedeutet etwas in einer anderen Sprache.'“ Je nach Betonung bedeutet das Wort den Vornamen „Askan“ oder „Aschenbecher“. Das ist auf Trumpschem Humorniveau. Die Entschuldigung scheint nur kurz online gewesen zu sein, da sie weder bei Instagram noch auf ihrer Webseite aufzufinden ist. Wär ja auch keine gute PR für sie.

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Dr. Stephan Zilkens | Zilkens Kunstversicherung