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Kobels Kunstwoche

Kollateralschaden auf der Art Basel; Foto Stefan Kobel
Kollateralschaden auf der Art Basel; Foto Stefan Kobel
Stefan Kobel

Stefan Kobel

Kobels Kunstwoche 25 2017

Wenn der Bauer nicht schwimmen kann, ist bekanntlich die Badehose Schuld. Wenn die Art Basel bei der Abstimmung mit den Füßen im Vergleich zu Vorjahren leicht zurückfällt auf offizielle 95.000 Besucher, ist der Fall hingegen etwas komplexer. Die selbstgewählte Fokussierung auf das Topsegment kann sogar die Schweizer nicht von weltweiten Tendenzen abkoppeln. Nur bei der schreibenden Zunft scheint das oft kaum anzukommen. Für Anna Louie Sussmann von Artsy war die Stimmung "buoyant" und die Verkäufe waren ausnahmsweise nicht "brisk" sondern "frothy". Die Berichterstattung jubelt. Rose-Maria Gropp erkennt für die FAZ in der von Musealem geprägten Art Unlimited: "Die allfälligen 'Post'-Ismen, die da postmodern oder zuletzt postdigital hießen, sind abgedankt. Es lässt sich nur vermuten, dass eine neue junge Generation keine Lust mehr hat auf Entkörperlichung und zerfließende Identität. Das gilt auch für die junge, sehr vermögende Sammlergeneration, die auf der Messe in Basel anzutreffen ist. Der einstige 'Zeitgeist'-Begriff ist abgenutzt; es ist Zeit, dass ein neuer Geist weht. Dafür stehen bei der 'Unlimited' die meisten Arbeiten." Auf der Messe selbst feiert sie als "echte Raritäten" einen Satz August Sander-Fotografien, der zu demselbem publizierten Preis seit Jahren über die Messen wandert.

Etwas unentschieden ist Swantje Karich in DIE WELT vom 17. Juni: "An lustvoll vollgestopften Ständen wurden kunsthistorisch wichtige Werke gestapelt - nur die Moderne dünnt weiter aus. Immer mehr Raum gewinnen die Sechziger- und besonders die Siebzigerund Achtzigerjahre. Die Unsicherheit der vergangenen Monate hat wohl dazu geführt, dass die besten Werke für Basel aufgehoben wurden - nicht nur eine Aus wahl, scheinbar alles. Diese Entscheidung erzählt von Vertrauen in die zuletzt auch ein wenig angeschlagene Messe."

Susanne Schreiber sieht das Angebot im Handelsblatt vom 16. Juni etwas kritischer: "Es fehlen die Knaller, die Entdeckungen, die allgemeine Begeisterung auslösen. Ein weiterer Trend lässt sich beobachten: In Basel, wo die Teilnahmekosten sechsstellig notieren, setzen Galeristen lieber auf etablierte Positionen und anerkannte Werkphasen als auf jungen Wagemut. Das führt zu vorhersehbarem Angebot von Marktlieblingen - und gelegentlicher Langeweile des Messeflaneurs."

Eine erstaunlich lange Liste mit Künstlern, deren Arbeiten man nicht kaufen sollte, hat Philipp Meier für die NZZ zusammengestellt. Daneben gibt es in derselben Zeitung noch einen ganzen Strauß von Texten zur Messe von unterschiedlicher Qualität.

Cultural Studies betreibt Catrin Lorch in ihrem Messebericht für die Süddeutsche Zeitung: "Nun könnte man sich fragen, ob das so wichtig ist: Wer da bei einer VIP-Preview zu sehen ist. Und am frühen Abend tauchen ja auch Schwarze auf, Künstler, Kuratoren. Aber wenn man sich fragt, wie der Markt aussieht, dann hat es keinen Sinn, allein auf die Künstler zu schauen. Zum Markt gehören Mitspieler, also Händler, Galeristen, Sammler. Und da ist Basel genauso wenig international, heterogen, ausgreifend, wie vor hundertfünfzig Jahren, als Cezanne, der gerade in einer großen Retrospektive im Kunstmuseum gezeigt wird, seinen 'Nachmittag in Neapel (mit schwarzer Magd)' (1876/77) malte. Der schöne schwarze Rückenakt serviert den beiden weißen Akten den Tee."

Im Artmagazine schlage ich vor, Gemischtwarenhändler aus dem Luxussegment wie Gagosian einfach mal für ein Jahr auszuschließen, damit sie sich zumindest ein bisschen Mühe geben bei der Warenauswahl und -präsentation.

Für das Handelsblatt (nur online hinter der Paywall) hat mir Liste-Eigentümer Peter Bläuer von seinen Zukunftsplänen erzählt: "Er ist jetzt 65 und möchte die Messe in nächster Zeit in eine Stiftung überführen. So soll sichergestellt werden, dass mögliche Käufer die Liste als nicht gewinnorientierte Veranstaltung weiterführen." Eine kurze Tour über Liste, Unlimited und Volta habe ich ebenfalls für Artmagazine unternommen.

Was ist eigentlich von der Demokratisierung der Kunst der 70er Jahre geblieben, als Intellektuelle und Künstler eine Kunst für Alle forderten? Nicht viel, erklärt Raimar Stange in einem lesenswerten Essay in Art: "Was bedeutet es, wenn weder die großen Museen noch die einflussreichen Galerien willens oder in der Lage sind, die Idee einer "Kunst für alle"" voranzutreiben? Die Antwort ist so naheliegend wie erschreckend: Kunst wird wieder zu einem Luxus für Wenige - eine Aufklärung und Sensibilisierung für Viele findet nicht statt. Kunst und Straße, Lesen und Leben bleiben getrennte Sphären."

Es gibt tatsächlich Menschen, die ihre fantastischen Gewinne aus Kunstverkäufen in gesellschaftlich relevante Projekte investieren. Robin Pogrebin berichtet in der New York Times, dass Agnes Gund über 100 Millionen Dollar aus dem Verkauf eines Gemäldes von Roy Lichtenstein in eine Stiftung zur Förderung einer Strafrechtsreform einbringen will.

Von der Leipziger Kunstszene, die ihr Wiederaufleben nach der Wende nicht zuletzt den Galerien verdankt, zeichnet Annegret Erhard in der NZZ ein ausführliches Portrait: "Noch gibt es nicht viele ortsansässige Sammler, doch stehen die Chancen gut, dass das Interesse am Kunsterwerb bei denen, die ihre Lebensverhältnisse auf gutem Niveau geregelt haben, steigt."

Die neue schwarz-gelbe Landesregierung von NRW möchten den Kulturetat um 50 Prozent erhöhen, berichtet der WDR.

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Dr. Stephan Zilkens | Zilkens Kunstversicherung