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Dies ist die 500. Ausgabe von Kobels Kunstwoche. Daher seien an dieser Stelle einige Gedanken erlaubt. Als Dr. Stephan Zilkens und ich im Herbst 2013 das Abenteuer starteten, jenseits der üblichen journalistischen Vertriebswege eine kritisch kommentierte Presseschau über die Kunstmarktberichterstattung zu veröffentlichen, hätten wir uns beide nicht träumen lassen, wie erfolgreich das Format werden würde. Offensichtlich haben wir damit ein Bedürfnis bedient - oder vielleicht bei manchen auch erst geweckt - nach einer zentralen Anlaufstelle in einem sehr unübersichtlichen und fragmentierten Angebot, das die Medienlandschaft macht. Vorbei sind weitgehend die Zeiten, in denen fachkundige und erfahrene Redakteure mit Kenntnis und Leidenschaft versuchen durften, für ihre jeweilige Publikation ein möglichst umfassendes Bild des Kunstmarkts zu zeichnen. Uns schien und scheint es notwendig, die im Internet und in gedruckten Zeitungen und Zeitschriften verstreuten Informationen nicht nur zu bündeln, sondern sie auch einzuordnen und zu kommentieren. Denn es gibt sie noch, die guten Kolleginnen und Kollegen, die unter immer schwieriger werdenden Bedingungen hochwertige Berichte liefern, die im besten Fall nicht nur informieren, sondern das auch noch auf hohem sprachlichen Niveau. Dass die Texte, die wir zu lesen bekommen, zunehmend von Maschinen geschrieben werden, ist leider jetzt schon Realität, wie ein Disclaimer bezeugt, der immer häufiger unter Texten etwa der Ippen Media-Gruppe zu finden ist: „Für diesen von der Redaktion geschriebenen Artikel wurde maschinelle Unterstützung genutzt. Der Artikel wurde vor Veröffentlichung von Redakteur [XXX] sorgfältig überprüft.“ Es liegt also einiges im Argen im Journalismus, und eine kritische Begleitung scheint nötiger denn je. Herrn Zilkens danke ich dafür, dass er dieses Projekt so großzügig ermöglicht und selbstverständlich danke ich Ihnen, den treuen Leserinnen und Lesern, die uns jede Woche aufs Neue einen Grund geben, weiterzumachen!
Der neuen Messe Tokyo Gendai hat der Japan-Korrespondent der FAZ Tim Kanning besucht: „Doch bei aller Skepsis vermittelt schon der Tag vor der offiziellen Messeeröffnung, der den treuen Kunden der Galeristen, VIPs und Journalisten vorbehalten ist, den Eindruck, als könnte Tokyo Gendai tatsächlich erfolgreich werden. Besucher drängen sich durch die Gänge, fragen viel, scheinen ernsthaft interessiert. Das Publikum reicht von jungen hippen Japanern in Schlabberklamotten über elegant gekleidete Senioren bis hin zu Sammlern aus aller Welt, die sicher schon andere internationale Kunstmessen in diesem Jahr besucht haben.“ Mehr als einen atmosphärischen Bericht sollte man allerdings nicht erwarten, nennt der Autor den Direktor Magnus Renfrew doch Enfrew, was auch der Redaktion nicht aufgefallen ist.
Ähnliche Expertise legt Elisa Mussack für die WELTKUNST (Paywall) an den Tag, die treuherzig erzählt: „Dass die Messe vom 7. bis 9. Juli 2023 trotz des Namens in der Nachbarpräfektur stattfindet, hat einen zwingenden Grund: die Hotels und Restaurants sind besser als die in der Nähe der metropolen Messehallen.“ Dieses Märchen erzählen einem im vertraulichen Gespräch nicht einmal die Veranstalter.
Eine profunde Analyse des größeren Zusammenhangs verbindet hingegen Silvia Anna Barrilà mit Beobachtungen vor Ort in der WeLT vom 9. Juli: „In der Tat ist die Zahl der Sammler in Japan nicht so hoch wie in China oder Korea, vor allem nicht die zahlungskräftiger und junger Sammler. Chinesen und Koreaner sind auch für das japanische Galeriegeschäft die wichtigste Kundschaft. [...] Die Entwicklung der japanischen Kunstszene wird letztendlich als positiv für die gesamte asiatische Szene gewertet. Außerdem: Wenn gefühlt jede Stadt in Europa ihre eigene Kunstmesse hat, warum sollte es dann nicht Platz für mehrere Messen in Asien geben, zumal die kaufkräftige Bevölkerung auf dem Kontinent größer ist? Das Gleichgewicht jedenfalls verschiebt sich.“
Der Altmeistermarkt zeige sich – im Vergleich zu den Zeitgenossen auf niedrigem Niveau – stabil, hat Stephanie Dieckvoss bei den Londoner Auktionen für das Handelsblatt beobachtet: „Nach den sehr gemischten Resultaten für die zeitgenössische Kunst zeigt sich, dass der Markt für die historische Malerei sehr robust ist und nicht nur Interesse weckt, sondern auch Kunden reizt, in dieses Segment zu investieren. Vor allem Neuentdeckungen und Porträts sind gefragt. Sotheby’s legte eine Auktion vor, die insgesamt solide 49 Millionen Pfund einspielte, in der aber nur 65 Prozent der 49 angebotenen Arbeiten verkauft wurden. Dennoch war es für das Haus die beste Auktion mit Alten Meistern in London seit 2019. Bei Interesse gingen die Preise sehr hoch. Sieben Künstlerweltrekorde wurden aufgestellt. Aber das wählerische Publikum reagierte nicht bei unattraktiven Werken im Bereich zwischen 100.000 und 500.000 Pfund. Gina Thomas kommt für die FAZ zu einem ähnlichen Schluss: „Selten wurden in letzter Zeit innerhalb von 24 Stunden so viele qualitätvolle, marktfrische Altmeistergemälde aufgerufen wie diese Woche bei Sotheby’s und Christie’s in London. Trotz des außerordentlichen Angebots, das den Häusern die stärksten Londoner Gesamtergebnisse auf dem Gebiet seit Jahren bescherte, zeigten sich die Käufer wählerisch. Bei Sotheby’s dämpfte zudem eine hohe Rückgangsrate und das eine oder andere hinter den Erwartungen bleibende Ergebnis die Freude über Erfolge“.
Der Markt für männliche wie weibliche Künstler des Surrealismus entwickle sich stetig, stellt Heidi Bürklin in der WeLT vom 9. Juli fest: „Kein Zweifel: Die 'Welle der Träume' – so überschrieb Christie’s das Angebot von zehn surrealistischen Werken aus einer Privatsammlung, die zuletzt in Paris versteigert wurde – rollt vor allem im Mittelmarkt noch recht sanft. Doch scheint es für Besitzer qualitätsvoller Werke ein guter Zeitpunkt zu sein, den Markt zu testen. Zumal auch die junge Generation vor allem von Künstlerinnen auf dieser Welle der traumhaften Ästhetik reitet.“
Wenn alle Artikel des Finanzressorts eine ähnliche Analysetiefe wie Madeleine Brühls Portrait von Artnet im Rahmen der Vorstellung von Teilnehmern der Equity Forum Frühjahrskonferenz in der FAZ vom 5. Juli aufweisen, sollte man sein Geld vielleicht lieber in einen Lottoschein investieren statt in die Zeitung: „Im Vergleich zum Vorjahr stieg der Umsatz 2022 um 7 Prozent auf 26 Millionen Dollar. Getragen wurde diese Entwicklung vom enormen Umsatzwachstum in den Bereichen News und Daten, während die Umsätze aus den Onlineauktionen leicht zurückgingen. Insgesamt erwirtschaftete Artnet 2022 einen operativen Verlust von 1,7 Millionen Dollar. Gründe dafür waren nach Ansicht des Unternehmens höhere Kosten für Vertrieb, Marketing sowie Verwaltung. Für das aktuelle Geschäftsjahr wolle man daher den Fokus verstärkt auf Effizienz und Margen legen, so Neuendorf.“ Als potentieller Investor würde man bestimmt auch gerne wissen, worin die Gründe für die (notorisch) roten Zahlen nach Meinung Außenstehender liegen. Und die baldige Profitabilität verspricht das Unternehmen ungefähr seit dem Börsengang vor über 20 Jahren. Kurzum: Der Artikel grenzt in seiner Distanzlosigkeit an PR.
Eine große Fluxus-Sammlung geht nicht, wie man vermuten könnte, nach Wiesbaden, sondern ans Museum nach Schwerin, meldet dpa: „Beim Kölner Sammler-Paar Kelter erwarb es 452 Werke der Fluxus-Kunst, wie die Kulturstiftung der Länder am Montag in Berlin mitteilte. Die Stiftung habe dabei den Ankauf von 36 Stücken mit 145 000 Euro gefördert - Arbeiten von Ben Vautier, Takako Saito, Endre Tót, Al Hansen, Ben Patterson, Jiří Kolář und Robert Filliou.“
Einen Teil seiner Sammlung will das Ehepaar Titze an Museen geben, einen Teil verkaufen, erklärt Hans-Joachim Müller in der WeLT: „Über die Verkaufsgründe und die Zukunft ihrer halblebenslangen Leidenschaft schweigen sich die Sammler aus. In einem Interview zur Wiener Ausstellung, meinte Anne Titze: 'Unser Ziel ist nicht, die Sammlung quantitativ zu erweitern, sondern uns auf das Beste zu konzentrieren.' Und Wolfgang Titze ergänzte: 'Unsere Sammlung wird in Museen landen. Kunst gehört der Öffentlichkeit. Ihr Besitz ist nicht unser Hauptanliegen.' Nun wird es eben so sein, dass manches, was angeblich der Öffentlichkeit gehört, vorerst doch wieder in Privatbesitz übergehen wird. Irgendwie gehört das zur 'Love Story' dazu. Weshalb nun auch das erwartete Kunstmarktereignis den alten Märchentitel trägt. Und bekanntlich hat jede Lovestory ihr schicksalhaftes Ende.“
Verschenkt hat hingegen der ehemalige Galerist Jörg Johnen Teile seiner Sammlung, meldet Monopol: „Der Berliner Sammler und ehemalige Galerist Jörg Johnen hat der Städtischen Galerie im Lenbachhaus und Kunstbau München Teile seiner Sammlung zeitgenössischer Kunst geschenkt. Insgesamt umfasst die Schenkung 64 Werke von 26 Künstlerinnen und Künstlern, darunter Arbeiten von Maria Bartuszová, Katharina Fritsch, Prabhavathi Meppayil, Wiebke Siem, Mario García Torres und Jeff Wall. Johnens Schenkung ist nun in der Ausstellung 'Fragment of an Infinite Discourse' zu sehen“.
Zum 70. Geburtstag gratuliert Brita Sachs dem Sotheby's-Mitarbeiter Heinrich Graf von Spreti in der FAZ vom 8. Juli: „Damals war Spreti Präsident von Sotheby’s Deutschland, ein Amt, das er bis 2018 bekleidete. Wer meint, der Mann hätte sich nun auf seinen Lorbeeren ausruhen und die Füße hochlegen können, kennt Spreti schlecht. Er, der neben seinem beruflichen Tun genealogische Forschung betreibt und mehrere Bücher verfasste, pflegt außerdem einen großen Freundeskreis, vergrößert seine Sammlung erlesener Dinge – und wird weiterhin in den räumen von Sotheby's am Münchner Odeonsplatz gesichtet. Denn seine Expertise bleibt gesucht, sein Akquisetalent gefragt“.