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Das Messegefüge ist in Bewegung wie schon lange nicht mehr. Das geht so weit, dass einige Stimmen das gesamte Geschäftsmodell in Frage stellen.
Am 16. Januar, eine Woche vor Eröffnung der Art Stage Singapore, platzte die Bombe: Die Messe sei abgesagt, ließ Eigentümer Lorenzo Rudolf Aussteller in einer E-Mail wissen, aus der Enid Tsui für die South China Morning Post zitiert. Lorenzo Rudolf erwäge alle "kurz-, mittel- und langfristigen Möglichkeiten", den Galerien zu helfen, ihre Verluste zu kompensieren, zitiert Akshita Nanda den Messemacher in der Straits Times. Ohnehin hätten nur noch ganze 45 Galerien auf der diesjährigen Ausgabe ausstellen wollen.
Die Art Genève Anfang Februar scheint sich tatsächlich zu einer Art Klein-Basel zu entwickeln, denn diese Formulierung finde nicht nur ich in meinem Bericht für Artmagazine von der Eröffnung, sondern auch Susanne Koeberle in der NZZ zum Wochenende. Die PR-Story vom Salon d'Art (so der Untertitel der Messe), der mit seinen anfänglich rund 30 Ausstellern vom Erfolg überrascht gewesen sei und fast schon widerwillig auf 80 bis 90 Aussteller expandiert habe, gibt Christof Habres in der Wiener Zeitung weiter.`
Die mit Spannung erwartete Premiere der Frieze Los Angeles im Februrar findet besonders in US-Medien Aufmerksamkeit. Extensiv berichten Artnews, das Art Newspaper (wie von vielen Messen als Medienpartner und daher ausschließlich positiv) und Artnet, wo etwa Sarah Cascone auflistet, ob und was welcher Promi gekauft hat. Im W Magazine behauptet Stephanie Eckardt daher gleich, das eigentliche Meisterwerk der Messe sei Brad Pitt.
Einen umfassenden und kenntnisreichen Überblick des indischen Kunstmarkts bietet Birgit Rieger Mitte Februar im Tagesspiegel: "Erlebt die indische Kunst gerade ein neues Hoch? Die Zeichen stehen nicht schlecht. Nach der Bargeldentwertung, die Ministerpräsident Narendra Modi im Jahr 2016 anordnete und die auch den Kunstsektor schwächte, erwartet Indiens Wirtschaft in diesem Jahr ein Wachstum von sieben Prozent. Auch die Zahl der Superreichen, die sich Kunst leisten können, nimmt auf dem Subkontinent zu. 'Wir erholen uns eigentlich immer noch vom Hype der 2000er-Jahre', sagt die in Mumbai angesiedelte Galeristin Shireen Gandhy. Ab 2003 erlebte die indische Gegenwartskunst einen Boom. Investoren und Spekulanten aus dem In- und Ausland kauften, was sie in den wenigen Galerien des Landes finden konnten, indische Kunst versprach hohe Renditen. Nach der Pleite von Lehman Brothers war der Rausch vorbei. 'Heute sehen wir vermehrt Sammler, die es ernst meinen mit der Kunst', sagt Gandhy. Und die gehen es wesentlich langsamer an."
Immer besser werde die Arco in Madrid, die der scheidende Direktor als stabil ansehe, berichtet Jan Marot Anfang März in DIE WELT: "Der langjährige Arco-Direktor Carlos Urroz übergibt mit seiner letzten Ausgabe die Zügel an Maribel López, die bereits Galerien in Barcelona und Berlin unterhielt. Urroz schaffte in seinen neun Jahren eine Kehrtwende. 2010 war die Messe stark angeschlagen. Profitiert habe die Arco unter seiner Leitung von der Beilegung interner wie externer Konflikte und dem wirtschaftlichen Aufschwung in Spanien. 'Solange dieser Trend anhält, werden politische Krisen, wie der katalanische Separatismus oder ein drohender Rechtsruck, die Messe nicht ankratzen können.'" Dass die Sammler in politisch und wirtschaftlich unsicheren Zeiten auf der Arco weniger risikoreiche Kunst kauften, hat Hili Perlson für Artnet beobachtet.
Die deutschsprachige Berichterstattung von der Armory Show im März in New York ist überschaubar. Die orstansässige Handelsblatt-Korrespondentin Barbara Kutscher blickt auf ein Vierteljahrhundert Armory Show zurück: "Von bescheidensten Anfängen ist [die] Armory Show heute auf 198 Galeristen aus 33 Ländern explodiert. In diesem Jahr ist unter den 56 Neuzugängen auch ein Teilnehmer aus Tunesien, ebenso kamen einige New Yorker Galerien der ersten Stunde wieder, wie Tanya Bonakdar und 303 Gallery. In den ersten VIP-Stunden wurde offenbar recht gut verkauft, Preise übersteigen jedoch selten eine Million Dollar. Dafür gibt es viel zu entdecken. Wie etwa Einzelpräsentationen weiblicher Künstler."
Wie die Tefaf mit dem sich verändernden Markt umgeht, anaylsiert Mitte März Melanie Gerlis ausführlich im Art Newspaper im Vorfeld der Messe. Auch Nina Siegal hat sich für die New York Times vor Ort mit den Modernisierungsmaßnahmen der Messe bei Zulassung und Jurierung beschäftigt. Einen Rundgang über die Messe hat Konstanze Crüwell für die FAZ unternommen. Ich war für Artmagazine und das Handelsblatt vom 15. März in Maastricht. Die "Kolonialismus-Debatte erreicht Kunstmesse Tefaf" titelt dpa, nachdem die Agentur selbst sie dort hineingetragen hat - nachzulesen unter anderem bei Monopol. Gerade einmal sechs der 279 Aussteller handeln dort mit Stammeskunst.
Die Ära der Kunstmessen könnte ihren Zenith überschritten haben, orakelt Tim Schneider Mitte März bei Artnet, um im Anschluss die seit geraumer Zeit gängigen Trends zusammenzufassen.
Zufrieden sei die Art Basel mit ihrer gerade zuende gegangenen Ausgabe in Hongkong, meldet Ende März Monopol. Was soll der Veranstalter auch sonst sagen? Allgemein fällt an der Berichterstattung zur Art Basel Hong Kong auf, wie viele Autoren sich mehr mit den konkurrierenden aktuellen Marktstudien von Art Basel/UBS und Tefaf beschäftigen als mit der Messe selbst. Dass weniger manchmal mehr sein kann, gibt Georg Imdahl in der FAZ zu bedenken: "Bestimmt zum Vorteil der weitläufigen Messe ließe sich die Zahl der Aussteller reduzieren. Das ansonsten sehr gediegene Debüt der Frieze Los Angeles könnte dabei vielleicht eine Richtung weisen, auch wenn man nicht gleich auf siebzig Aussteller heruntergehen muss. Denn bei den derzeit so zahlreichen - eben dreihundert - jährlich stattfindenden Kunstmessen verzeihen die Käufer, wie jung sie auch sein mögen, auf die Dauer wohl eines am wenigsten: Leerlauf."
Kein Monat ist so vollgepackt mit Kunstmessen wie der April. Schon in der Woche nach der Art Basel Hong Kong startet die SP Arte in Sao Paolo. Während Asli Pelit im Art Newspaper noch von den großen Hoffnungen schreibt, die die kunstsammelnde Oberschicht in den neuen Rechtsaußen im Präsidentenamt setzt, berichtet Margaret Carrigan ebenfalls im Art Newspaper von schleppenden Verkäufen und einer strikten Regionalität des Publikums. Henri Neuendorf bestätigt bei Artnet den Eindruck der Provinzialität. Ob da wohl ein Zusammenhang besteht zwischen korruptem Populismus und geringer internationaler Attraktivität?
Derweil schickt sich Anfang April die Miart daran, der Artissima in Turin den Rang abzulaufen, indem sie es schafft, sogar einige der internationalen Großgalerien nach Mailand zu locken. Im Vorfeld der Messe erklärt deren Direktor Allessandro Rabottini im Interview mit Naomi Rea beit Artnet, wie wichtig kleine Avantgarde-Galerien für das Betriebssystem und die Zivilgesellschaft seien.
Kunstmessen seien nun einmal Verkaufsschauen, stellt Swantje Karich Mitte April in DIE WELT lakonisch fest: "Die Kölner Kunstmesse versucht nicht mehr, schöner zu sein, als es eine klassische Messe eben sein kann: Ein Labyrinth aus weißen, dünnen Wänden breitet sich vor dem Auge aus. Schön ist anders. Beauté aber war ein Privileg der Boomjahre, der Zeit also, als man von der ABC in Berlin bis zur Frieze in New York noch daran glaubte, dass sich die Kunstmessen absetzen könnten von den Uhrenverkaufsschauen, man noch eine Form finden wollte, die die kommerzielle Aggressivität der Messe etwas abmildert und trotzdem für gute Verkäufe sorgt. Die Erkenntnis der vergangenen Jahre aber ist eindeutig: Kunstmessen sind eben auch nur Messen."
Ende April war in Brüssel Kunstmesse, nebst Galerieeröffnungen. Anny Shaw beschäftigt sich im Art Newspaper kritisch mit der Innovation einer Sektion für alternative Galeriemodelle. Leichte Überfütterungserscheinungen offenbart hingegen Donna Schons bei Monopol: "Ein Gang über die Art Brussels - und man hat genug Keramikarbeiten für die nächsten paar Jahre gesehen. Bunt bemalte, glasierte und augenzwinkernd unperfekte Skulpturen sind nach Malereien das zweithäufigste Medium auf der Messe und zeugen von einem bis zur Sättigungsgrenze ausgereizten Trend." Für Artmagazine und Handelsblatt war ich in Brüssel.
Tefaf statt Frieze: Einige wichtige Aussteller hätten ihre Zelte Anfang Mai auf Randall's Island abgebrochen und bevorzugten die Innenstadtlage der Upper Eastside, berichtet Margaret Carrigan im Art Newspaper. Die Frieze New York suche derweil ihr Heil in virtuellen Realitäten und teste den Markt für VR-Kunst, weiß Gabby Shacknai, ebenfalls im Art Newspaper.
Ist das Fehlen eines beherrschenden oder zumindest benennbaren Stiles Stillosigkeit? Einen gemeinsamen Nenner des Angebotenen kann Catrin Lorch für die Süddeutsche Zeitung auf der Art Basel im Juninicht erkennen: "Wer die Stände der vier marktbeherrschenden Galerien betrachtet, wird sie nicht auf einen Nenner bringen können. Nach hunderten von Jahren Kunstgeschichte, die sich als Abfolge von Stilen definierten, ist man in einem Limbo angekommen, in dem sich die Händler von allen Avantgarden emanzipiert haben und vor allem am weltumspannenden Erfolg ihrer Unternehmen arbeiten, an Strategien für eine globale Welt, in der mehr als 2000 Milliardäre nur darauf warten, dass man ihnen entgegen kommt. Wird man die Gegenwart einst als die Epoche 'Kunstboom' klassifizieren?"
Als roter Faden zieht sich die immer größere Kluft zwischen den Mega-Galerien und dem Rest des Kunstmarkts durch die gesamte Berichterstattung, so auch bei Marcus Woeller in DIE WELT: "Die Art Basel, mit Standorten auf drei Kontinenten dominant global aufgestellt und mit 290 teilnehmenden Galerien unüberschaubar groß, hat darauf reagiert. Ein bisschen wenigstens. Im vergangenen Jahr wurde ein neues Preismodell für die Standmieten angekündigt. Die großen Galerien zahlen etwas mehr (905 Franken), die kleinen etwas weniger für den Quadratmeter (760 Franken). Jetzt wurde es erstmals angewendet. Gut verkaufen müssen die kleinen trotzdem. Zu den Mietkosten kommen noch Schlafplätze für Mitarbeiter und Künstler sowie Anreise-, Versicherungs- und Transportkosten, Dinner für Freunde und Sammler müssen ausgerichtet werden. Eine Woche Basel kann arg teuer werden."