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Kobels Kunstwoche

Frieze kauft Armory Show und Expo Chicago; Foto Stefan Kobel
Frieze kauft Armory Show und Expo Chicago; Foto Stefan Kobel
Stefan Kobel

Stefan Kobel

Kobels Kunstwoche 29 2023

Journalismus ist bisweilen auch ein heikles Geschäft: Während andere noch auf die Pressemitteilung warten mussten, um ihre Quellen nicht zu verbrennen, hatten Financial Times (Paywall) und New York Times schon offizielle Interviews zur Meldung der Woche, dass sich die Frieze die Armory Show in New York und die Expo Chicago einverleibt. Nun ist Exklusivität ja eine schöne Sache, wenn die Themen selbst recherchiert sind. Wenn sich jedoch seriöse Medien dieses Vorrecht damit erkaufen, dem Gegenstand der Berichterstattung selbst die message control zu überlassen, ist das bedenklich. Die deutsche Erstmeldung von mir findet sich im Handelsblatt. Für Monopol versuche ich die Übernahme in den größeren Messekontext einzuordnen. Zu verblüffend ähnlichen Schlüssen kommt tags darauf Ursula Scheer in der FAZ.

Das ist ein bisschen mehr als eine Delle, was Susanne Schreiber im Handelsblatt verkündet: „Mit einem Gesamtumsatz von 3,2 Milliarden Dollar hat Christie’s im ersten Halbjahr 23 Prozent weniger eingenommen als im Vorjahreszeitraum. Auf Saal- und Online-Auktionen entfielen 2,7 Milliarden Dollar, auf Privatverkäufe 484 Millionen Dollar. Guillaume Cerutti, Christie’s CEO, erklärt den Rückgang mit den gewandelten makroökonomischen Umfeld: gestiegenen Zinsen, Inflation und abnehmender Liquidität. Cerutti stellt die 'solide Performance im ersten Halbjahr 2023' in den Kontext der letzten fünf Jahre, denn 2022 und 2021 seien Ausnahmejahre gewesen. So betrachtet, liegt das Ergebnis dann noch über dem Fünfjahresdurchschnitt. Grund zum Optimismus sieht der Franzose in der Absatzrate, die quer durch alle Auktionsformate bei 87 Prozent liege. Neu ist, dass inzwischen 80 Prozent aller Gebote – selbst im Millionenbereich – online eingehen, vor der Pandemie waren es 45 Prozent.“ Dabei schwächle besonders Asien, bemerkt Angelica Villa bei Artnews: „39 Prozent der Käufer bei Christie's kamen in diesem Jahr aus Amerika, 35 Prozent aus Europa, dem Nahen Osten und Afrika und weitere 26 Prozent aus Asien, wie das Auktionshaus mitteilte. Die Zahl der asiatischen Käufer ist im Vergleich zum ersten Halbjahr 2021, in dem 39% der Kunden aus Asien kamen, stark zurückgegangen.

Sotheby's und Phillips reagierten auf den Abschwung bereits mit Entlassungen von Führungspersonal, haben Shanti Escalante-De Mattei und Angelica Villa für Artnews recherchiert.

Bonhams habe hingegen das beste Halbjahresergebnis seiner Geschichte eingefahren, weiß Vivienne Chow von Artnet: „Das Auktionshaus Bonhams hat in der ersten Jahreshälfte 2023 einen Umsatz von 552 Millionen US-Dollar erzielt und damit das beste Halbjahresergebnis in der Geschichte des Unternehmens erzielt. Die gemeldeten Ergebnisse spiegeln einen Anstieg der Verkäufe um 32 Prozent im Vergleich zum Vorjahr wider - und das trotz der Marktkorrekturen, die bei den letzten Auktionen auf der ganzen Welt zu beobachten waren.“

Die koreanische Kunstszene und die Position des Landes im Weltmarkt stellt Marcus Woeller anlässlich einer Ausstellung bei Esther Schipper in Berlin ausführlich in der WeLT vor: „Koreanische Kunst jedoch ist im Westen noch nicht im gleichen Maße auffällig geworden wie die westlichen Galerien, die vor Ort am Boom in Südkorea teilhaben. Esther Schipper, Galeristin aus Berlin, zollt den koreanischen Künstlern nun Achtung. Sie selbst hat erst im Jahr 2022 expandiert und sowohl in Paris als auch in Seoul eine Dependance eröffnet. In ihrem Berliner Stammhaus zeigt sie bis zum 31. August 2023 die Gruppenausstellung „Dui Jip Ki“, die sie in der Seouler Filiale spiegelt. Es ist ein sehenswerter Einblick in die koreanische Kunstproduktion – und eine durchaus vorausschauende Geste des Respekts.“

Nach wie vor große Hoffnungen auf eine Demokratisierung des Kunstmarkts durch Technologie setzt Annika von Taube bei Monopol: „Dank neuer Medien und Community-Modelle können Kunstschaffende ihren Markt zunehmend selbst definieren und sich von tradierten Abhängigkeiten lösen. So ein Wandel schützt natürlich nicht vor neuen Herausforderungen, aber er trägt dazu bei, dass die alten Machtstrukturen eine moralische Neubewertung erfahren. Eben noch waren Kunstschaffende ohne Galerievertretung Versager, schon bald könnte ein Loser sein, wer es nicht ohne schafft – eine Umbewertung, die dank der Macht von Technologie ganz schnell Realität werden kann.“ Dabei erwähnt sie in ihrer Argumentation gerade ein Gegenbeispiel: „Wir erinnern uns, wie Krypto-Communitys im Zuge des NFT-Hypes vor zwei Jahren die traditionelle Kunstwelt dafür kritisierten, unzugänglich und intransparent zu sein, und zwar auch und vor allem deshalb, weil sie nicht digital und technologisch erschlossen war.“ Dieser Hype hat jedoch bilderbuchhaft vorgeführt, wie schnell der Casino-Kapitalismus in der Lage ist, sich jede Neuerung einzuverleiben und in die bestehenden Machtstrukturen zu integrieren.

Der Bundesgerichtshof muss sich diese Woche mit der Frage beschäftigen, ob die Eintragung in die Lost Art-Datenbank einen Eingriff in Eigentumsrechte darstellt. Der Anwalt David Moll und die Direktorin des Art Loss Register erlätern den Fall in der FAZ vom 15. Juli: „Vor dem Hintergrund der wirtschaftlichen Folgen einer 'Lost Art-Suchmeldung hat sich der Sammler Wolfgang Peiffer gegen die Eintragung seines Bildes 'Kalabrische Küste' des Malers Andreas Achenbach gerichtlich zur Wehr gesetzt. Peiffer hatte das Werk 1999 in London ersteigert. Als er das Bild 2016 für eine Ausstellung nach Baden-Baden verlieh, wurde die kanadische Stern Foundation darauf aufmerksam und registrierte es als Erbin Max Sterns auf 'Lost Art. [...] Peiffer klagte zunächst erfolglos vor dem Landgericht Magdeburg auf Unterlassung einer Eigentumsanmaßung, die insbesondere mit der Eintragung von 'Kalabrische Küste' bei 'Lost Art' einhergehe. In der Berufung beantragte er vor dem Oberlandesgerichts Naumburg (OLG) darüber hinaus die Löschung des Werks aus der Datenbank und scheiterte mit beiden Begehren. Nun muss der Bundesgerichtshof (BGH) in seinem für den 21. Juli angekündigten urteil über den Fall entscheiden.“

Die Insolvenz der Londoner Simon Lee Gallery meldet Kabir Jhala im Art Newspaper: „Die Simon Lee Gallery befindet sich jetzt in gemeinsamer Verwaltung mit der Unternehmensberatungsfirma BDO LLP, wie aus einem Aushang hervorgeht, der gestern im Fenster der Galerie in London angebracht wurde. Eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung wird verwaltet, wenn sie verschuldet ist und ihre Schulden nicht begleichen kann, so dass sie die Kontrolle an einen Insolvenzverwalter abgibt. Die gerichtlich angeordnete Verwaltung erfolgte nach einem Antrag der Barclays Bank; drei Partner von BDO wurden zu gemeinsamen Verwaltern der Simon Lee Gallery Limited ernannt.“

Der Spiegel wolle das Kunstmagazin art kaufen, meldet Monopol unter Berufung auf die Süddeutsche Zeitung (Paywall): „'Art' soll offenbar umgebaut werden zu einem Kulturportal unter dem 'Art'-Markendach. Unklar sei, ob dafür die gesamte Redaktion übernommen werden wird.“ Läuft da irgendwo ein Wettbewerb, wie lange man ein totes Pferd reiten kann? Die Hamburger haben den Anschluss spätestens zu dem Zeitpunkt verpasst, als der frühere Verlag Gruner+Jahr es für eine gute Idee gehalten hatte, die Online-Redaktion einzusparen. Auch beim Deutschlandfunk macht man sich Gedanken über den Abverkauf des G+J-Wühltischs durch den neuen Eigentümer RTL, wenn auch nicht unbedingt die richtigen: „Dass der Spiegel Interesse zeige, sei grundsätzlich erstaunlich, findet [DLF-Redakteur Stefan] Koldehoff. 'Mit Kunst hat niemand mehr den Spiegel so richtig in Verbindung gebracht.' Der Verlag wolle aber offenbar publizistisch von einem boomendem Kunstmarkt profitieren, vermutet der Kulturjournalist.“ Zur Klarstellung: „boomend“ ist kein Präfix des Begriffs Kunstmarkt und muss nicht zwingend mitgenannt werden, vor allem nicht in Zeiten, in denen das ganz offensichtlich unzutreffend ist.

Der Ukraine-Krieg treibt auch in der Kunstwelt seltsame Blüten. Das einer öffentlcihen Stiftung gehörende Hermitage Museum in Amsterdam möchte verständlciherweise nicht mehr mit Russland in Verbindung gebracht werden und sich in H'art Museum umbenennen. Das findet die belgische Kunstzeitschrift HART aus ebenso verständlcihen Gründen nicht so gut. Zumal bei der denkbaren Herausgabe einer Museumszeitschrift die Verwirrung komplett wäre. Eine Pressemitteilung der Zeitschrift gibt es hier (We Transfer Download). Es existiert übrigens noch ein weiteres Magazin dieses Namens. Da besteht allerdings kaum Verwechslungsgefahr.

In einer sehr knappen Meldung informiert dpa über die Rettung der Ateliers in den Uferhallen in Berlin-Wedding.

Eine Befreiungsschlag unternimmt die schwächelnde Messe Volta (Basel und New York) mit der Ernennung des Kurators Lee Cavaliere zum neuen Direktor, meldet Monopol.

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Dr. Stephan Zilkens | Zilkens Kunstversicherung