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Kobels Kunstwoche

Sommer, Teil 3 von 3
Sommer, Teil 3 von 3
Stefan Kobel

Stefan Kobel

Kobels Kunstwoche 29 2024

Im dritten und letzten Teil des Rückblicks geht es um die Auktionssaison. Die spannende Geschichte des mit einer Taxe von 30 bis 50 Millionen teuersten jemals in Österreich in einem Auktionshaus angebotenen Kunstwerks, dem wiederentdeckten "Bildnis Fräulein Lieser" von Gustav Klimt, erzählt Werner Remm im Artmagazine: "Das Werk selbst, nachgerade ein Musterbeispiel eines späten (unvollendeten) Klimts, steht nun in aller kräftigen Farbigkeit für sich. Während die Klimt-Forschung diesbezüglich nun einmal mehr neu geschrieben werden wird, geht das Fräulein Lieser, bevor sie am 24. April mit einem Schätzpreis von 30 – 50 Millionen Euro in Wien zum Aufruf gelangt, auf Reisen: in die Schweiz, nach Großbritannien und Hongkong. Ob sie danach wieder dauerhaft in Österreich verbleibt ist eher ungewiss. Eine Ausfuhrbewilligung des Bundesdenkmalamtes liegt vor. Womöglich nimmt die Dame einen lukrativen Posten als Botschafterin für Auslandskultur an." Olga Kronsteiner lobt im Standard das Verhalten von Einlieferer und Auktionshaus: "Ein Restitutionsvergleich der vorbildlichen Sorte, da sich bei den Recherchen in den vergangenen Monaten zwar kein Nachweis einer Entziehung, einer Beschlagnahme oder eines Notverkaufs fand, jedoch die Umstände des Verbleibs in der NS-Zeit, nach Ende des Zweiten Weltkriegs und bis in die 1960er-Jahre nicht geklärt werden konnten. Eine Suche nach dem Bild durch die Nachfahren der ehemaligen Eigentümer war nie aktenkundig geworden." Für englischsprachige Leser gibt es bei Artnet eine tags darauf erschienene Version von Jo Lawson-Tancred.

Aus den durch die Privatisierung nur noch bedingt aussagekräftigen Jahreszahlen von Sotheby's versucht Barbara Kutscher Anfang Februar für das Handelsblatt Trends zu lesen: "In einem schwierigen weltpolitisch und –ökonomischen Umfeld hat sich das Haus durch Stabilität behauptet und expandiert sogar. Da trifft wohl die alte Weisheit zu, dass Anleger in Krisenzeiten in handfeste Güter investieren. Die weiterhin ansteigenden neuen Kunden aus Asien und dem mittleren Osten sowie die Scharen von 'Millenials' und 'Generation Z', sprechen zumindest dafür. Vor allem der Appetit am Konsum von Luxusgütern steigt global weiter an. Dafür spricht die relativ junge Abteilung mit Luxusgütern, die das Haus als separate Abteilung aufgebaut hat. Sie erzielt mittlerweile 2,2 Milliarden Dollar Umsatz mit Auktionen und damit mehr als 25 Prozent des Gesamtumsatzes." Zudem seien das Finanzierungsgeschäft und die Privatverkäufe stark gewachsen. Damit diversifiziert sich das Unternehmen immer weiter vom Kunstauktionshaus zum Rundum-Dienstleister für Vermögende.

Gleichzeitig eröffnet Sotheby's den Preiskampf bei den Gebühren, meldet Susanne Schreiber im Handelsblatt: "Die bei allen Transaktionen erhobene Verwaltungsgebühr von 1 Prozent entfällt. Der Käufer hat kombiniert bis zum Hammerpreis von 6 Millionen Dollar 20 Prozent, für Werte darüber 10 Prozent zu bezahlen. Der Hammerpreis ist der Nettopreis. Das sei rund ein Viertel günstiger als zuvor, unterstreicht Sotheby‘s".

Ein weiteres Auktionshaus habe sich von seinem Chef getrennt, meldet Eileen Kinsella bei Artnet: "Bonhams gab heute bekannt, dass sein CEO, Bruno Vinciguerra, nach mehr als fünf Jahren in dieser Funktion zurücktritt. Hans-Kristian Hoejsgaard, der geschäftsführende Vorsitzende des Auktionshauses, der seit 2020 dem Vorstand angehört, wird das Ruder übergangsweise übernehmen."

Mit der massiven Senkung von Auf- und Abgeld gehe Sotheby's eine riskante Wette ein, erklärt Daniel Cassady bei Artnews: "Die Strategie von Sotheby's scheint darauf abzuzielen, Käufer glücklich zu machen. Zufriedene Käufer sind motivierte Käufer und das wiederum bedeutet zufriedene Verkäufer. Aber wird diese Strategie wie erwartet aufgehen? Das ist fraglich. Einlieferer zu finden, ist wohl der schwierigste Teil des Auktionsgeschäfts. Viele Branchenvertreter sagten ARTnews, dass die neue Gebührenstruktur, die den Provisionssatz des Verkäufers auf 10 Prozent der ersten 500.000 US-Dollar pro Los festlegt, einige potenzielle Kunden abschrecken könnte." Wenn das Kalkül aufgeht, dürfte Sotheby's zumindest in diesem Jahr einen massiven Umsatzschub erleben - bis Christie's und Phillips nachziehen. Ob unter dem Strich dann auch mehr Gewinn übrigbleibt, könnte über das Schicksal der Firmenleitung entscheiden.

Die Londoner Auktionen im März hinterlassen bei Stephanie Dieckvoss einen gemischten Eindruck, trotz einiger Erfolge besonders für Kunst von Frauen. Für das Handelsblatt protokolliert sie akribisch auch zurückgezogene und durchgefallene Lose: "Alles in allem zeigt sich ein unübersichtlicher Markt, in dem alles möglich zu sein scheint. Die Preise sind allgemein moderat, was Käufer gut tut und die hohen Verkaufszahlen erklärt. Es ist genug Geld im Umlauf und Bieter scheuen auch teure Arbeiten nicht. Zumindest in dieser Saison scheint allerdings der Hype um die ganz jungen Künstler etwas abgekühlt zu sein. Dafür wird es vielleicht das Jahr der Frauen. Man wird gespannt sein, was die Auktionen in New York im Mai bringen werden." Zu einem ähnlichen Urteil kommt George Nelson, der für Artnews einen einigermaßen zahmen Auktionsverlauf erlebt hat.

Die April-Auktionen von Sotheby's in Hongkong seien als Reinfall zu werten, urteilt Karen K. Ho bei Artnews: „Um es ganz offen zu sagen: Die Auktionen The Now, Modern Day und Contemporary Day waren gescheiterte Flipping-Versuche. Zwei der Lose mit dem höchsten Schätzwert wurden zurückgezogen: Nicolas Partys Stillleben (2017) und KAWS' Untitled (Calvin Klein) (2000). Letzteres Werk wurde von dem Modedesigner und Unternehmer Marc Eckō an Sotheby's übergeben, nachdem er es direkt von KAWS erworben hatte. Werke von Avery Singer, Nicole Eisenman, Elizabeth Peyton, Joyce Pensato und Njideka Akunyili Crosby, die in den letzten fünf Jahren auf einer Auktion angeboten wurden, konnten ebenfalls nicht verkauft werden.“

Christie's ist Opfer eines Hackerangriffs geworden. Zachary Small berichtet im Mai in der New York Times: „Edward Lewine, ein Sprecher von Christie's, sagte, dass einige Systeme des Unternehmens, darunter auch die Website, von einem Sicherheitsproblem betroffen waren. 'Wir ergreifen alle notwendigen Schritte, um diese Angelegenheit in den Griff zu bekommen, und haben ein Team von zusätzlichen Technologieexperten engagiert', sagte er in einer Erklärung. 'Wir werden unsere Kunden zu gegebener Zeit auf dem Laufenden halten.“

Als Resümee der New Yorker Auktionswoche steht bei Barbara Kutscher im Handelsblatt Entwarnung: „Die positive Kehrseite der Medaille: Die Häuser mussten keine massiven Garantiesummen bewilligen, um der Konkurrenz Sammlungen abzujagen. Nach den ersten drei Abendauktionen bei Sotheby’s, Phillips und Christie’s diese Woche muss man den Auktionshäusern attestieren, dass sie unter nicht einfachen Marktkonditionen den Finger fest am Puls des Marktes haben. Davon zeugen auch die hervorragenden Abverkaufsquoten um 90 Prozent.“ Die schönste Zusammenfassung der Abendauktion bei Sotheby's liefern Karen K. Ho und Alex Greenberger bei Artnews: „Nach drei Stunden war jeder, der bis zum Ende der Auktion blieb, wahrscheinlich hungrig. Doch statt der üblichen Auswahl an Käse, Crackern und Charcuterie gab es für die Gäste nur leere Champagnergläser. Als ARTnews einen Mitarbeiter von Sotheby's nach dieser Veränderung fragte, antwortete er schlicht: „Der Markt hat sich verändert.“

Ende Mai hat Christie's angekündigt, die Juni-Auktionen in London fast komplett aufzugeben, und das ab sofort, berichtet Stephanie Dieckvoss im Handelsblatt: „Laut Keith Gill, Abteilungsleiter bei Christie’s, will das Haus Kunden im Sommer mit ungewöhnlichen, innovativen Auktionen anlocken, wie er dem Handelsblatt gegenüber erklärt. Außerdem sei die Umstrukturierung strategisch. 'Die Juni-Saison ist nicht abgesagt. Aber wir überlegen global, wann und wo wir welche Auktionen durchführen. In Hongkong werden wir bald unsere eigenen Auktionsräume eröffnen. Daher überdenken wir auch New York, Paris und London. Die Oktober-Auktionen in London, die wir erweitert haben, waren sehr erfolgreich, ebenso die diesjährige März-Auktion.'“

Sotheby's soll derweil massive Entlassungen planen, vor allem in London, melden Kabir Jhala und Anny Shaw im Art Newspaper: „Nach Angaben von vier anonymen Quellen sollen rund 50 Mitarbeiter das Unternehmen in London verlassen. Weitere Entlassungen werden bei Sotheby's in New York und an den europäischen Standorten erwartet, aber The Art Newspaper geht davon aus, dass die Belegschaft von Sotheby's in Großbritannien besonders betroffen sein wird.“

Die deutschen Auktionen im Juni verliefen bis auf eine Ausnahme durchwachsen. Bei Grisebach in Berlin macht Christian Herchenröder im Handelsblatt Schwächen aus: „Das ist ein Zeichen ökonomischer Zurückhaltung, aber wohl mehr noch eine Folge der Materialschwäche, die sich diesmal deutlicher als sonst auf das Angebot in allen Sparten auswirkte. Zwar gab es mit der für insgesamt 670.000 Euro versteigerten Zeichnungen-Sammlung des emeritierten Händlers Rudolf Zwirner einen Lichtblick unter den Einlieferungen. Aber die Auktion 'Ausgewählte Werke' konnte mit ihren 34 gemischten Losen, von denen 16 zurückgingen, keinen vom Stuhl reißen. Von Lempertz in Köln berichtet ebenfalls Christian Herchenröder an gleicher Stelle: „Doch von 70 Katalognummern wurden 30 zurückgewiesen – darunter als Hauptlos das doppelseitige Gemälde von Max Pechstein. Es hätte bis zu 800.000 Euro bringen sollen. Sammlerinnen und Händler wählten stark aus. Immer wieder gab es stramme Bietstrecken, in denen 17 Lose deutlich über ihre Taxe kamen. Das erreichte ein weiteres Hauptwerk des Abends: Heinrich Campendonks mit starken Rottönen lockender 'Liegender Akt' von 1917 animierte drei Bieter, 996.000 Euro mit Aufgeld einzusetzen. Käufer ist ein rheinischer Sammler.“ Die Auktion bei Van Ham in Köln nimmt Christiane Fricke, ebenfalls für das Handelsblatt unter die Lupe: „Nur 41 Lose hatte Auktionator Markus Eisenbeis für interessant genug befunden, um sie in die Offerte der Prestigeveranstaltung aufzunehmen. Davon gingen neun, also nicht ganz ein Viertel, zurück. 'Für unsere bescheidenen Verhältnisse sind wir super zufrieden', erklärte Eisenbeis jedoch in Anspielung auf die Marktlage und verwies auf die Zahlen: eine im Vergleich mit der Konkurrenz in Berlin und Köln relativ hohe Verkaufsquote von 78 Prozent und etwas über sechs Millionen Euro Umsatz inklusive Aufgeld. Die untere Schätzpreissumme hatte laut Eisenbeis nach grober Schätzung bei ungefähr sechs Millionen Euro gelegen.“ Die Krone trägt (wieder einmal) Ketterer in München davon, mit einer „Auktion der Superlative“, wie Sabine Spindler und Susanne Schreiber im Handelsblatt titeln. Sieben Millionen Euro spielte das lange im Vorfeld angekündigte Toplos „Tanz im Varieté“ von Ernst Ludwig Kirchner ein. „Dieser für Deutschland überraschend hohe Zuschlag wurde noch übertroffen. Bei dem Spitzenlos vom Katalogtitel, Alexej Jawlenskys 'Spanischer Tänzerin', fiel der Hammer bei sieben Millionen Euro, der unteren Taxe. Mit Aufgeld sind das 8.338.000 Euro“, schreiben die Autorinnen.

Die Versteigerung des Sammlungsnachlasses von Rosa de la Cruz sei ein kolossaler Reinfall gewesen, rechnet Scott Reyburn im Art Newspaper vor. Er sieht den Flop als Zeichen einer größeren Entwicklung: „In den nächsten 20 Jahren werden in den USA schätzungsweise 84 Billionen Dollar an Vermögenswerten zwischen den Generationen auf die zwischen 1965 und 2012 Geborenen übertragen - also hauptsächlich von den Babyboomern auf die Generation X, die Millennials und die Gen Z, so Cerulli Associates, ein Finanzforschungs- und Beratungsunternehmen. Die Kunstwelt hofft, dass durch den 'großen Vermögenstransfer' nicht nur viele renommierte Privatsammlungen zugänglich werden, sondern auch eine neue Generation von Käufern das nötige Kleingeld hat, um wie ihre Vorfahren hohe Preise für Kunst zu zahlen. Dieses Win-Win-Szenario setzt aber auch einen generationenübergreifenden Transfer kultureller Werte voraus. Das ernüchternde Schicksal der Rosa de la Cruz-Sammlung [...], lässt vermuten, dass dies nicht unbedingt der Fall ist.“

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Dr. Stephan Zilkens | Zilkens Kunstversicherung