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Kobels Kunstwoche

Der deutsche Kunstmarkt im ersten Halbjahr; Foto Stefan Kobel
Der deutsche Kunstmarkt im ersten Halbjahr; Foto Stefan Kobel
Stefan Kobel

Stefan Kobel

Kobels Kunstwoche 30 2019

Der deutsche Kunstmarkt ist weniger von großen Umwälzungen betroffen. Man kocht eher im eigenen Saft, auch auf gesetzgeberischer Seite.

 

Zeit wird's: Der deutsche Kunsthandel soll endlich eine verbandsübergreifende Standesvertretung bekommen. Das geht aus einer Pressemitteilung des Bundesverbands Deutscher Galerien BVDG von Anfang Januar hervor. Die Interessengemeinschaft Deutscher Kunsthandel "wird künftig die gemeinsamen berufsständischen und kulturpolitischen Anliegen ihrer Mitglieder gegenüber der Öffentlichkeit, der Politik und der Verwaltung in Deutschland sowie in der Europäischen Union wahrnehmen und mit einer Stimme vertreten." Es gibt sogar schon eine Internetpräsenz, auf der allerdings noch keine aktuellen Inhalte hinterlegt sind. Noch vor Bekanntgabe der Gründung hat die Sprecherin der Interessengemeinschaft Christina Berking, Hamburger Rechtsanwältin, bereits Andrea Gerk im Deutschlandfunk ein Interview gegeben.

 

Diandra Donecker, die erst 30-jährige Nachfolgerin von Florian Illies als Geschäftsführerin bei Villa Grisebach in Berlin, portraitiert Susanne Schreiber Anfang Februar im Handelsblatt: "Die Kunsthändlerin ruht ganz in sich, lässt sich von einem falschen Namen oder fehlendem Wissen beim Kunden nicht irritieren. Was sie gut kann und fortgesetzt tut, ist, Menschen für Kunst zu begeistern. Nicht akademisch trocken, sondern lebendig und ganz frei. Ihr Ziel ist das gute Gespräch, gern auch über das Lieblingsbuch des potenziellen Verkäufers, das beide das Geschäftliche einen Moment vergessen lässt. Sie versteht es, sich einzufühlen, und weiß, dass die finanzielle Transaktion auch eine emotionale Seite hat."

 

Dass sich Deutschland in einer Raubkunstdebatte als Opfer wiederfindet, ist fast schon originell. Kerstin Holm erzählt im Februar in der FAZ von der eigenwilligen Haltung des russischen Kulturministers zum Thema: "Dagegen bezeichnet Medinski die deutschen Ansprüche nicht nur als unverschämt, sondern verortet sie auch im Kontext der gegenwärtigen Kolonialkunstdebatte, um Russland als beispiellos großherzig hinzustellen. Medinski, ein ausgebildeter Werbemann, ist Minister, weil er es als Hauptaufgabe der Kultur ansieht, Patriotismus und Staatstreue zu stärken, weshalb viele Mitarbeiter von Kultureinrichtungen ihn verachten. Er wiederholt die bekannte russische Rechtsposition in zugespitzter Form. Die Haager Landskriegsordnung von 1907, die Kultureinrichtungen von Kriegshandlungen auszunehmen verlangt und auf die sich die deutsche Seite beruft, wischt er als de facto ungültig vom Tisch, weil die Deutschen schon im Ersten Weltkrieg massiv gegen sie verstoßen hätten. Bis zum Zweiten Weltkrieg habe das Prinzip gegolten, dass dem Sieger zustehe, was ihm in die Hände gerate, behauptet Medinski".

 

Daniel Hug übernimmt ab März neben der Art Cologne für zunächst zwei Ausgaben die Direktion der Cologne Fine Art, melden Artmagazine.cc und Georgt Imdahl in der FAZ vom 16. März.

 

Ob 100 Jahre Bauhaus an dem vergleichsweise niedrigen Preisniveau für die Produkte dieser wahrhaft revolutionären Schule etwas ändern? Sabine Spindler hat für das Handelsblatt vom 5. April recherchiert: "Askan Quittenbaum vom Auktionshaus Quittenbaum wundert sich über die Diskrepanz: 'Deutsches Design der Bauhaus-Ära wird international gesammelt, aber eine internationale Dynamik hat sich nicht entwickelt.' Die 27 500 Euro für Erich Dieckmanns Stahlrohr-Loungesessel 8239 im raffinierten Ein-Linien-System im vergangenen Juni bei Quittenbaum markieren das preisliche Obersegment. In Frankreich hingegen investieren Sammler beispielsweise weitaus mehr für Möbel von Jean Prouvé, dessen Lizenzen ebenfalls sehr begehrt sind. Ulrich Fiedler, Händler und Kenner von Bauhaus-Vintages, sieht eine andere Preisbremse: 'Man kann keinen Markt kreieren, wenn man keinen Nachschub hat.' Breuers Wassily-Chair aus der Frühzeit liegt bei ihm um 70 000 Euro. Der Kunstmarkt bleibt dennoch am Bauhaus dran, gerade im Jubiläumsjahr."

 

Vom achten Kölner Kunstversicherungsgespräch auf der Art Colgne berichte ich für Artmagazine.

 

Zur Diskussion um Emil Nolde und das Bundeskanzleramt im April reicht im Grunde der Kommentar des Historikers Michael Wolffsohn aus einem Interview mit Christoph Heinemann im Deutschlandfunk: "Tugendhysterie". Ob sich der Shitstorm auf den Markt für Nolde auswirkt, scheint wenig wahrscheinlich.

 

Der Restitutionsstreit um Kunstwerke aus dem ehemaligen Besitz des Kunsthändlers Max Stern könnte zu einem Umdenken führen, glaubt Christiane Fricke im Handelsblatt vom 18. April: "Der Staat kann zwar öffentliche Museen und Archive dazu anhalten, die Prinzipien zu befolgen, nicht aber Privatsammler. Deshalb kehrt nun die Forderung nach einem Restitutionsgesetz zurück. Wenn es kommt, dann hätte es zur Folge, dass alle Restitutionsbegehren nur noch streng juristisch entschieden werden könnten. Und das hätte bei der häufig lückenhaften Quellenlage die Ablehnung vieler Rückgabeansprüche zur Folge. Die Washingtoner Prinzipien hätten dann ausgedient."

 

Ende April war wieder Gallery Weekend in Berlin, und die Kritiker haben ihre jeweils subjektiven Auswahlen präsentiert, die doch meistens über dieselben Stationen führen. Für DIE WELT war Boris Pofalla unterwegs: "Zum fünfzehnten Mal ballt sich die Kunst in Berlin. Galerienwochenenden gibt es mittlerweile auf der ganzen Welt. Aber nirgendwo ist man damit so erfolgreich wie in Berlin, einer Stadt, die nicht gerade prahlen kann mit der höchsten Dichte an Kunstkäufern. Aber die Stadt ist groß. Fast schon zu groß. In anderen Städten sammeln sich Galerien in bestimmten Vierteln, und jeder weiß über alles Bescheid. In Berlin sind die Ausstellungsräume kreuz und quer über die Kieze verteilt, und die Kunstszene ist sich dort oft selbst genug."

DenÜberschuss weißer Männer beklagt Astrid Mania in der Süddeutschen Zeitung: "Es ist 2019, und das Gallery Weekend präsentiert sich als eine Domäne weißer Männer. Obwohl die ursprünglich veröffentlichte Künstlerliste noch weniger Frauen und Nicht-Weiße verzeichnete, bestreiten männliche weiße Künstler jetzt immer noch rund drei Viertel des diesjährigen Programms. Das entspricht, leider, in etwa den Verhältnissen in den deutschen Galerien. Doch die Debatte findet statt, Protestaktionen sind geplant. Man muss nicht einmal den Proporz bemühen - die Ausstellungen der Künstlerinnen gehören eindeutig zu den aufregenderen auf einem Weekend, das allerdings schon spannendere Präsentationen zu bieten hatte." Ihre 75 Prozent-Behauptung lässt sich allerdings nicht nicht halten. Selbst bei individueller Einberechnung von Männern in Gruppenausstellungen und Künstler-Duos und unter Ausklammerung einer Gruppenausstellung mit rund 50 überwiegend weiblichen und nicht-weißen Beteiligten, ergibt sich eine männliche und weiße Übermacht von "lediglich" zwei Dritteln. Das ist immer noch sehr deutlich, es wäre daher auch möglich, mit den korrekten Zahlen zu argumentieren. Von Frauen geführte Galerien haben übrigens ungefähr paritätisch ausgestellt.

 

Anscheinend braucht es einen auswärtigen Beobachter, um die Schwächen des Marktplatzes Berlin und seines Gallery Weekends zu benennen, wie es Scott Reyburn in der New York Times unternimmt: "Trotz Berlins Ruf als Schmelztiegel künstlerischer Innovaton,waren viele Besucher enttäuscht von der Menge älterer Arbeiten und des Konservatismus neuerer Präsentationen."

 

Ob diese neun Künstler wirklich den Kunstmarkt verändern, wie Mitte Mai die Überschrift zu einem Galerierundgang der anderen Art von Sabine Spindler und Susanne Schreiber im Handelsblatt behauptet, mag man bezweifeln. Doch werden hier dankenswerterweise einmal nicht die immer selben Namen in den immer gleichen Galerien wiedergekäut, sondern aus fünf Städten neun junge Positionen vorgestellt, die noch am Anfang ihrer Karriere stehen.

 

Wie Daniel Hug sich die Zukunft der in Cologne Fine Art & Design umbenannten Cologne Fine Art vorstellt, habe ich Ende für das Handelsblatt aufgezeichnet.

 

Alles ist vergänglich, auch die ZEIT: Die Wochenzeitung plant die Einstellung ihres Kunstmarkts zu Ende August, wie aus zuverlässiger Quelle zu erfahren war. Chefredakteur Giovanni di Lorenzo hat es vorgezogen, auf eine entsprechende Anfrage seit Mittwoch nicht zu antworten. Abonnenten und Anzeigenkunden sollten mit ihrer Meinung nicht hinter dem Berg halten.

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Dr. Stephan Zilkens | Zilkens Kunstversicherung