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Kobels Kunstwoche

Schindluder mit antiken Nok-Skulpturen; Bild  	FundacionArellanoAlonso via Wikimedia
Schindluder mit antiken Nok-Skulpturen; Bild FundacionArellanoAlonso via Wikimedia
Stefan Kobel

Stefan Kobel

Kobels Kunstwoche 30 2020

Gavin Brown, dessen Enterprise-Galerie etwa auf der Frieze immer durch klamaukige Stände auffällt, rette sich in der Krise unter die Fittiche von Barbara Gladstone. Zur fünften Mega-Galerie reiche das allerdings nicht, glaubt Marcus Woeller in der WeLT: "Ist Gavin Brown, als koketter Kritiker eines vom aggressiven Wachstum angetriebenen Marktes, nun selbst Partner der nächsten Megagalerie geworden? Mit dem Blick auf die schiere Zahl der Künstler und die vielen Blue-Chip-Positionen darunter, erscheint die Gladstone Gallery nun tatsächlich als Fünfte im Bunde. Doch was der Galerie fehlt, ist der wirklich globale Punch."

Während die Online-Aktivitäten der großen Auktionshäuser den Wegfall der Präsenzauktionen nur zum Teil kompensieren können, erleben die beiden deutschen börsennotierten Kunstmarktunternehmen Artnet und Weng Fine Art gerade kräftige Umsatzsteigerungen, wie ich im Handelsblatt berichte.

Mittlerweile wird immer deutlicher, dass die größeren deutschen Auktionshäuser recht gut durch die Krise navigieren. Erfolge von Ketterer in München vermeldet Sabine Spindler im Handelsblatt: "Viele Insider, so auch unlängst die Kunstmarktanalystin Claire McAndrew in einem Video-Talk der Art Basel, betonen, dass die Welt in einer Wirtschafts- und nicht in einer Finanzkrise stecke. Bevor Geld durch Inflation oder Rezession zerrieben wird, gelten typische Werke wie Lyonel Feiningers reduzierte Ansicht 'Manhatten, Dusk', Josef Albers' farbstarke, kleinformatige 'Homage to the Square' und Paul Klees abstraktes Aquarell 'Der Krieg schreitet über eine Ortschaft' als begehrenswerte Alternativen. Bei Ketterer gehörten diese Stützen des Marktes zu den insgesamt 55 sechsstelligen Ergebnissen." In der FAZ vom 25. Juli kommt Brita Sachs zu ähnlichen Schlüssen: "Überhaupt kompensierte digitale, schriftliche und telefonische Beteiligung den virusbedingt eingeschränkten Zugang zum Saal, und viele beachtliche Erlöse lassen nicht auf Zurückhaltung schließen."

Die französische Auktionssaison scheint hingegen miserabel verlaufen zu sein, so Olga Grimm-Weissert im Handelsblatt: "Bislang haben sie immer gern ihren - in der Regel gestiegenen - Umsatz mitgeteilt. Doch nach dem Lockdown und der Covid-19-Krise weigern sich die Pariser Auktionshäuser, ihre Halbjahresbilanzen zu veröffentlichen."

Die Bamberger Antiquitätenwochen leiden nicht nur unter dem Ausfall der Wagner-Festspiele in Bayreuth, hat Christiane Fricke für das Handelsblatt beobachtet: "Die Händler, die vier Wochen lang täglich öffnen, sind nur noch zu sechst, das Auktionshaus Schlosser und das Antiquariat Lorang mitgerechnet. Das ist gerade mal ein Drittel der Teilnehmerzahl von 2005, als die Antiquitätenwochen ihr zehnjähriges Jubiläum feierten. Für eine Stadt, deren Antiquitäten-Hotspot als einziger in Deutschland den Geschmackswandel hin zu moderner Wohnkultur überlebte, muss der Schwund ein Alarmzeichen sein."

Auf die Spuren des Handels mit antiken Nok-Terrakotten aus Nigeria begeben sich Lutz Mükke und Vanessa Offiong für die Süddeutsche Zeitung vom 25. Juli: "Am Ende stehen Archäologen und Raubgräber in Konkurrenz zueinander - beide schielen auf das, was die andere Seite ausgräbt. Wer den Wettlauf gewinnt, entscheidet über das Schicksal der Kunstwerke, über ihren zukünftigen Platz. Manche landen in gut gehüteten Verstecken eines Sammlers, andere in einer kleinen Vitrine in Kaduna, und wieder andere im meistbesuchten Museum der Welt."

Bei der Art Basel-Mutter MCH Group scheint nicht mehr viel zu gelingen. Von Widerstand gegen den geplanten Einstieg berichtet Finanz und Wirtschaft: "Erhard Lee von der Zürcher Vermögensverwaltung AMG Analysen & Anlagen werde bei der Übernahmekommission (UEK) eine Einsprache einreichen, wodurch die für den 3. August geplante Generalversammlung gefährdet sein könnte". Die Messegesellschaft bitte derweil ihre Aktionäre eindringlich um Kooperation, ist der Badischen Zeitung zu entnehmen: "Der Verwaltungsrat weist in dem Aktionärsbrief darauf hin, dass die Zustimmung der Generalversammlung zu sämtlichen Maßnahmen nötig sei, damit die Sanierungslösung zustande komme. Sollte dieses Gesamtpaket scheitern, wäre die verbleibende Zeit für die rechtzeitige Entwicklung und Umsetzung alternativer Sanierungslösungen äußerst knapp."

Auf eine drohende Welle von Museumsschließungen vor allem in den USA weist der Spiegel hin: "Durch die Coronakrise geraten viele Museen in Bedrängnis: 100 Einrichtungen in den Niederlanden befürchten das Aus - in den USA könnte jedes dritte Museum schließen."

Eine massive Aufstockung des Stipendien-Etats ist die Antwort der Kulturstaatsministerin Monika Grütters auf die finanziellen Folgen der Corona-Krise für Künstler, ist in der ZEIT nachzulesen.

Mit Olaf Scholz hat ein Brief von sechs Galeristen zum leidigen Thema Mehrwertsteuer auf Kunst, den Rose-Maria Gropp in der FAZ aufgreift, vielleicht einen geeigneteren Empfänger als die Kulturstaatsministerin: "Tatsächlich ist 'die bildende Kunst der einzige Bereich in der Kultur, in dem der ermäßigte Mehrwertsteuersatz keine Anwendung findet', wie im Schreiben an den Finanzminister zu lesen ist. Anders ist es bei Büchern oder Theater- und Konzerttickets. Und die ermäßigten sieben Prozent Mehrwertsteuer gelten weiterhin für Künstler, die ihre eigenen Arbeiten selbst, also nicht über eine Galerie, verkaufen. Es gibt aber keinen plausiblen Grund, den Kunsthandel nicht als integralen Teil der kulturellen Landschaft - und kulturellen Wirtschaft - in Deutschland zu betrachten."

Manchmal schämt man sich für seine Zunft. Dass die BILD in einem reißerischen Video ("Es klingt wie aus Action-Szenen in einem Kino-Film mit Brat Pitt...") haarklein die Familientragödie um einen einigermaßen bekannten Berliner Künstler und seine Lebensgefährtin nacherzählt, unter Abfilmen des Wohnhauses und Nennung der Straße, gehört zur DNA des Schmierblatts. Der Hollywood-Schauspieler steht mit der Nachricht natürlich in keinem Zusammenhang; er ist möglicherweise nur in der Bildersuche zusammen mit dem Künstler auf Fotos von der Biennale di Venezia aufgetaucht. Aber erst dadurch wird die Geschichte zum Reißer. Wenn ihre vermeintlich seriöseren Kollegen aus dem Feuilleton und dem Kunstmarkt von der WeLT diese Geschmacklosigkeit noch durch namentliche Nennung der getöteten Lebensgefährtin - einer freiberuflichen Kuratorin, die nun wahrlich keine Person des öffentlichen Interesses ist - toppen, erweisen sie sich als genau das, was man ihnen schon immer nachsagt: als bürgerliches Feigenblatt der BILD-Zeitung. Das Trauma der Hinterbliebenen, allen voran der Tochter, wird um einer Schlagzeile willen an die Öffentlichkeit gezerrt. Das ist schändlich. Zu BILD gibt es ein schönes Zitat von Max Goldt: "Diese Zeitung ist ein Organ der Niedertracht. Es ist falsch, sie zu lesen. Jemand, der zu dieser Zeitung beiträgt, ist gesellschaftlich absolut inakzeptabel. [...] Es sind schlechte Menschen, die Falsches tun." Behutsamer gehen Julius Betschka und Christiane Meixner im Tagesspiegel mit dem Fall um.

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Dr. Stephan Zilkens | Zilkens Kunstversicherung