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Kobels Kunstwoche

Sommer-Rückblick III/III; Foto Stefan Kobel
Sommer-Rückblick III/III; Foto Stefan Kobel
Stefan Kobel

Stefan Kobel

Kobels Kunstwoche 31 2022

Sind es noch Wachstumsschmerzen oder schrumpfen die NFT genannten digitalen Kaufquittungen schon auf Normalmaß zusammen? Im dritten und letzten Teil des Saisonrückblicks finden sich Anzeichen für beides.

Das beherrschende Thema des Jahres 2021 waren NFTs, deren Markt fast halb so groß ist wie der Kunstmarkt, der mit diesem jedoch nur eine geringe Schnittmenge bildet. Dan Milmo erklärt im Guardian: „Der weltweite Markt für nicht-fungible Token erreichte in diesem Jahr ein Volumen von 22 Mrd. $ (16,5 Mrd. £), indem die Begeisterung für Sammlungen wie 'Bored Ape Yacht Club' und 'Matrix Avatars' digitale Bilder in bedeutende Anlagewerte verwandelt hat. NFTs haben bei altgedienten Anlegern ähnliche Warnungen hervorgerufen wie die vor Kryptowährungen: Sie seien symptomatisch für einen nicht nachhaltigen, digitalen Goldrausch. NFTs verleihen das Eigentum an einem einzigartigen digitalen Gegenstand - sei es ein virtuelles Kunstwerk von Damien Hirst oder eine Jacke, die im Metaverse getragen wird“. Das NFT-Jahr fasst Shanti Esacalante-De Mattei anhand von Beispielen bei Artnews zusammen.

Traditionelle Galerien hätten in ihrer Rolle als Vermittler und Filter auch in diesem Markt eine Chance, glaubt Reena Devi Mitte Januar im Art Newspaper: „Diese Lücke sieht von Jehan Chu, einem Kunstsammler und Gründer von Kenetic, einer in Hongkong ansässigen Blockchain-Investment- und Handelsfirma im Frühstadium. Er glaubt, dass sich die NFT-Community im Falle eines Abschwungs und einer Baisse auf dem Kryptomarkt als zu schwach erweisen würde, um die Szene zu unterstützen. […] Trotz ihrer Unabhängigkeit warten einige Künstler und Sammler in diesem neuen Sektor darauf, dass Vermittler aus dem traditionellen Kunstmarkt einschreiten. 'Vom Standpunkt des Direktverkaufs aus gesehen, sehen wir keine Unterstützung durch Vermittler, die einen Mehrwert schaffen, eine Kuratierung vornehmen oder Kritik üben, wie es Galerien oder Institutionen tun', sagt Chu. Er sagt voraus, dass es für NFTs immer schwieriger werden wird, in einem Vakuum zu existieren, da 'Sammler Kuratoren und Institutionen aufsuchen werden, um zu verstehen, warum ein Beeple-Werk 69,3 Millionen Dollar wert ist'“.

Einen zweischneidigen Vorteil attestiert Stephanie Dieckvoss NFTs Ende Januar im Handelsblatt: „Zum anderen muss man sich nicht mit Kunst auskennen. Das hat schon immer neue Sammlergruppen fasziniert. Was kann man kaufen, wenn man sich nicht mit klassischer Bildung auskennt oder nicht an ihr interessiert ist? Dies spricht die Technologie orientierte, vor allem männliche, junge Kundschaft der NFT-Szene an.“

NFT sind wohl eher etwas für Amateure, hat Christiaan Hetzner Anfang Februar für Fortune von berufener Stelle gelernt: "Während es schnell zu einem Goldrausch kam unter Kleinanlegern, die hofften, durch Spekulieren auf das richtige NFT-Collectible über Nacht reich zu werden, sagt der weltweit führende Vermögensverwalter für Superreiche, dass seine anspruchsvollen Kunden nicht so bald auf den Zug aufspringen werden. 'Echte institutionelle Nachfrage nach NFTs? Nein, die sehen wir nicht', sagte UBS-Chef Ralph Hamers am Dienstag in einer Bilanzpressekonferenz vor Journalisten."

In einer Reihe von lesenswerten Interviews unternimmt Tim Ackermann für die WELTKUNST (kostenlose Registrierung) eine Annäherung an das Thema NFT.

Mit dem Demokratieversprechen der NFT-Welt sei es nicht weit her, bemerkt Ursula Scheer in der FAZ vom 12. Februar: "Dass die größten Auktionshäuser Sotheby’s und Christie’s (letzteres Verkäufer des notorischen Beeple-NFT 'Everydays') mit für die größten Schlagzeilen im NFT-Business sorgen, zeigt an, dass es mit der Demokratisierungsmacht der Token nicht weit her ist. Nach einer in 'Nature Scientific Reports' publizierten Studie des Mathematikers Andrea Baronchelli von der City University of London generieren gerade einmal zehn Prozent der Käufer und Verkäufer von NFT neunzig Prozent des Umsatzes. 75 Prozent der Token kosten im Schnitt fünfzehn Dollar, nur ein Prozent bewegt sich in der schwindelerregenden Höhe von über 1,5 Millionen Dollar. Plattformen wie Open Sea, der größte NFT-Handelsplatz, Super Rare, der aufs Kuratieren setzt und natürlicher Kooperationspartner traditioneller Auktionshäuser ist, und Foundation sind die Schwergewichte der neuen Branche." Wie ein hohler Goldwürfel im Central Park, gelangweilte Affen und Kryptowährungen mit Kunstmarkt und Kapital zusammenhängen, versuche ich im Handelsblatt zu erklären.

Der Hype um NFTs hätte das Verständnis eines breiteren Publikums für digitale Kunst nicht etwa erweitert, sondern im Genteil verengt, behauptet Christiane Paul im Art Newspaper: "Der NFT-Boom hat das öffentliche Bild der digitalen Kunst, die ein breites Spektrum kreativer Ausdrucksformen umfasst, auf einzelne reproduzierbare digitale Bilder, animierte Gifs oder Videoclips reduziert - die Standardformen digitaler Sammlerstücke und der Meme-Kultur. Es mag ein Segment der Kryptowelt geben, das durch NFTs die Breite und Geschichte der digitalen Kunst entdeckt und begonnen hat, sie zu unterstützen, aber dieses Segment scheint nur eine kleine Überschneidung im Venn-Diagramm der traditionellen Kunstsammler und NFT-Sammler darzustellen." Damit wäre dann wohl auch eines Hauptargumente der NFT-Apologeten hinfällig.

Kurz vor dem anberaumten Termin hat Sotheby's eine Auktion von 104 CryptoPunks abgesagt. Barbara Kutscher und Susanne Schreiber rätseln Ende Februar im Handelsblatt über die Gründe: "Mike Hager, NFT-Experte, Buchautor und Coach, äußert dem Handelsblatt gegenüber zwei Vermutungen. 'Eine allgemeine Börsenregel besagt, bei Kanonendonner zu kaufen, nicht zu verkaufen', überlegt Hager. Fast zeitgleich mit Auktionsbeginn seien russische Soldaten in die Ukraine einmarschiert. 'Es könnte aber auch sein, dass der Verkäufer einen Wissensvorsprung hat,' mutmaßt der Experte. 'Möglicherweise weiß er von einem Umstand, der ihn erwarten lässt, dass er in Zukunft wesentlich mehr an den CryptoPunks verdienen könnte'."

Das Schwächeln des NFT-Marktes analysieren Miles Kruppa, Cristina Criddle und Tim Bradshaw Mitte März in der Financial Times: "Bis Ende 2021 wurden fast 41 Milliarden Dollar für NFTs ausgegeben - damit ist der Markt fast so wertvoll wie der weltweite Kunstmarkt. Doch fast ebenso schnell haben große Teile des Marktes begonnen, sich zu verschlechtern, so dass Neulinge große Verluste erleiden und die langfristigen Aussichten für NFTs in Frage gestellt werden. Nach Angaben der Website NonFungible ist der durchschnittliche Verkaufspreis eines NFT seit einem Höchststand im November in den letzten zwei Wochen um mehr als 48 % auf rund 2 500 USD gefallen. Das tägliche Handelsvolumen auf OpenSea, dem größten Marktplatz für NFTs, ist im März um 80 % auf etwa 50 Mio. $ eingebrochen, nur einen Monat nachdem es im Februar einen Rekordwert von 248 Mio. $ erreicht hatte."

Dazu passt die Meldung Jörn Briens Mitte April bei t3n, Amazon könnte bald NFTs verkaufen.

Je mehr Michael Moynihan Anfang Mai die NFT-Welt in seinem Youtube-Video für Vice erklärt, umso verstörender wird das Bild, das er vermittelt. Knapp eine halbe Stunde Unterhaltung, unter anderem mit Artnet-Redakteur Ben Davis, Kunstmarkt-Hans Dampf Kenny Schachter, Ex-Starkünstler Lucien Smith, Beeple-Käufer Metakovan und ... Pepe, dem Frosch (Maskottchen von QAnon und den Trumpisten).

„Geld verlieren mit NFT“, unter dieser launigen Überschrift erklärt Ursula Scheer Ende Mai in der FAZ, wie Betrug in der Online-Welt funktioniert: „Phishing heißt die Masche, mit der schon ein Betrug um angebliche Banksy-NFT gestrickt worden war. Dass es sich in der Blockchain herrlich anonym und dezentral ohne Intermediäre handeln lässt, hat eben seine Tücken. Allein im laufenden Jahr soll bisher der Gegenwert von rund 1,3 Milliarden Dollar an Kryptowerten gestohlen worden sein. Zu Buche schlägt auch der Hack des Instagram-Accounts der hoch gehandelten NFT-Sammlung 'Bored Ape Yacht Club' im April. Klick, Klick, schon waren Token für Millionen perdu; drei geprellte Sammler klagen nun gegen die Handelsplattform OpenSea. Darauf, ihre 'Apes' zurückzubekommen, können sie nicht hoffen: Ist eine Transaktion in der Blockchain einmal abgeschlossen, ist sie nicht mehr rückgängig zu machen.“

Die Versöhnung von traditioneller und NFT-Kunstwelt hat sich eine Konferenz in Berlin Anfang Juni auf die Fahnen geschrieben, die Annika von Taube für Monopol besucht hat: „In einem der Talks fällt irgendwann die Frage: Sind CryptoPunks Kunst? 'Auf keinen Fall!', finden die alten Gatekeeper und 'Natürlich!' die nativen Kryptokunstweltler. Wer Recht hat, darüber entscheidet aktuell noch das etablierte Bewertungskonstrukt eines gewachsenen Ökosystems, also die 'alte' Kunstwelt. Aber die neue muss sich nur auf die Schultern der alten Welt stellen, dann können beide gemeinsam größer werden und zu einem Organismus verschmelzen. Und dann wird es auch keine NFT-Kunst und traditionelle Kunst mehr geben. Sondern nur noch Kunst.“

Wie die verschiedenen NFT-Plattformern auf den Absturz der Kryptowährungen reagieren, untersucht Shanti Escalante De-Mattei bei Artnews: „Mit dem Einbruch hat das Trauern begonnen, sogar in einer Krypto-Gemeinschaft, die es gewohnt ist, die Volatilität des Vermögenswertes zu überstehen. Die NFT-Plattformen waten jedoch nicht durch die fünf Phasen der Trauer, bevor sie Maßnahmen ergreifen. In rascher Folge haben große NFT-Plattformen wie Foundation, SuperRare und OpenSea größere Veränderungen in der Art und Weise angekündigt, wie sie ihre Geschäfte betreiben. Zwar wurde keine dieser Änderungen ausdrücklich als Reaktion auf den Markt bezeichnet, doch scheinen Zeitpunkt und Art der neuen Initiativen darauf ausgerichtet zu sein, den Mangel an Begeisterung auf dem Markt auszugleichen.“

Einen Überblick über die ernstzunehmende NFT-Kunstszene hat Charlotte Kent für Artnews zusammengestellt.

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Dr. Stephan Zilkens | Zilkens Kunstversicherung