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Das zweite Kriegsjahr verheißt nichts Gutes nicht nur für die Menschen in der Ukraine, sondern auch für die Weltwirtschaft und den Kunstmarkt. Im ersten Teil des dreiteiligen Halbjahresrückblicks steht die Auktionsbranche im Mittelpunkt. Hier setzen viele Beobachter die Hoffnungen auf Asien.
Junge Kunstkäufer aus Asien würden für die internationalen Versteigerer immer wichtiger, urteilt Ursula Scheer im Januar in der FAZ: „Auf diesem Kontinent sehen die Auktionshäuser Wachstumspotential, obwohl die Umsatzzahlen in der Weltgegend zuletzt eher schwächelten und Amerika der größte Markt bleibt. Doch bei Sotheby’s geben asiatische Sammler nach Angaben des Unternehmens im Schnitt inzwischen mehr pro Person aus als Sammler aus anderen Erdteilen, und stabile 1,1 Milliarden Dollar seines Umsatzes erzielte das Haus trotz aller politischen und pandemischen Wirren in Hongkong. Grund genug für Sotheby’s, dort in näherer Zukunft eine neue Niederlassung zu eröffnen, während Tokio und Seoul als Kunstmetropolen immer weiter aufholen. Insgesamt wächst der Anteil der jüngeren Käufer unter 40 Jahren bei Sotheby’s; eine Tendenz, die auch Christie’s beobachtet: Millennials gewinnen an Gewicht innerhalb der Käuferschaft – und verändern mit ihrem Geschmack die Angebotsseite.“
Anderswo selbstverständliche, in Österreich ungewohnte Transparenz meldet Nicole Scheyerer in der FAZ: „Erstmals seit langer Zeit hat das Wiener Dorotheum wieder seinen Jahresumsatz verraten. Das Haus hat allen Grund zum Stolz: Mehr als 200 Millionen Euro sind das beste Ergebnis seiner Geschichte. Der Onlineverkauf hat daran ebenso Anteil wie die internationale Ausrichtung. 'Mehr als die Hälfte unserer Lose kommen aus dem Ausland und gehen auch wieder an ausländische Bieter', sagt Martin Böhm, der Direktor des Dorotheums. […] Deutschland und Italien – mit Repräsentanzen in Mailand und Rom – sind Kernmärkte des Auktionshauses. Neben der Erfolgssparte der Alten Meister verzeichneten zuletzt klassische Moderne und Zeitgenossen den stärksten Zuwachs.“
In den USA seien die großen Auktionshäuser Anfang Februar erneut in den Fokus der Ermittlungsbehörden geraten, hat Ava Benny-Morrison für Bloomberg erfahren: "Das harte Vorgehen der USA gegen Verstöße gegen Handelssanktionen wendet sich nun auch der Kunstwelt zu, da die Behörden Werke aufspüren, die von ultra-reichen russischen Tycoons gekauft oder verkauft wurden. Mit einer Reihe von Vorladungen verlangen Bundesstaatsanwälte in New York von hochrangigen Auktionshäusern in den USA die Herausgabe Jahre zurückreichender Unterlagen, um herauszufinden, ob Kunstwerke ins Ausland geschmuggelt oder Erlöse aus Verkäufen illegal transferiert wurden, so eine mit den Ermittlungen vertraute Person.“
Die Private Equity-Firma Epiris soll das vor fünf Jahren erworbene Auktionshaus Bonhams für eine Milliarde Dollar zum Verkauf gestellt haben, meldet Eileen Kinsella bei Artnet.
Durchwachsene Auktionsergebnisse meldet Scott Reyburn Anfang März aus London für die New York Times: „Beide Ergebnisse lagen deutlich unter den 298 Mio. $ und 297,2 Mio. $, die Christie's und Sotheby's bei ihren entsprechenden Auktionen im März erzielten. Experten sind besorgt, dass der Markt angesichts des aktuellen geopolitischen Klimas vor allem bei Kunstwerken der Moderne in der Mitte nachgibt. 'Da die Weltwirtschaft nicht gerade in Bestform ist, halten viele Sammler ihre Werke zurück oder verkaufen sie privat', sagt Weiyan Liu, ein Kunstberater aus Shanghai, der zu den auffallend vielen asiatischen Besuchern in den Londoner Verkaufsräumen gehörte, nachdem China sein Reiseverbot wegen des Coronavirus aufgehoben hat. 'Ich glaube, den jungen Künstlern geht es ganz gut', sagte Liu. 'Aber ich bin mir nicht sicher, ob das auch für moderne Kunstwerke gilt, außer für solche mit großartiger Provenienz.'“
In den vergangenen vier Jahren habe Sotheby's das größte Umsatzwachstum bei Losen jenseits der 20 Millionen Dollar-Marke verzeichnet, fasst Karen K. Ho die Ergebnisse des Sotheby's Insight Reports (PDF) von ArtTactic für Artnews zusammen: „Die 1-Million-Dollar-Marke ist von Bedeutung, denn obwohl der Wert für Kunstwerke nur 4% der verkauften Lose ausmacht, stellt der Bericht fest, dass diese Kategorie '74% des gesamten Verkaufswertes in den in diesem Bericht behandelten Sammlerkategorien ausmacht'. Die privaten Verkäufe von Kunstwerken im Wert von 1 Mio. USD oder mehr sind zwar im Jahr 2022 auf 1,05 Mrd. USD gesunken und damit unter den Spitzenwert von 1,41 Mrd. USD im Jahr 2020, aber immer noch 30,8 % höher als die Verkäufe in dieser Kategorie im Jahr 2019 (803,5 Mio. USD), so der Bericht. Zwei besondere Trends, die in dem Bericht genannt werden, sind der Aufstieg asiatischer Sammler kurz vor der COVID-19-Pandemie und die wachsende Zahl von Bietern aus der Generation X und der Millennials.“
Ein öffentlich bisher nie gebrochenes Tabu serviert Grisebach Co-Chefin Diandra Donecker in Sabine Spindlers Portrait von ihr im Handelsblatt en passant ab: „Es ist manchmal ein Pokerspiel, in dem auch ein Auktionshaus Zugeständnisse machen muss. 'Wir verzichten mitunter auf die Einlieferer-Courtage, aber Prozente vom Aufgeld des Käufers abzugeben, hängt sehr vom einzelnen Werk und der individuellen Wettbewerbssituation ab.'“ Zumindest das Aufgeld galt den Auktionshäusern in Deutschland bisher als sakrosankt.
Das Auktionshaus Phillips scheint trotz seines Expansionskurses in Asien in Schieflage geraten zu sein, hat Ben Quinn anhand des Handelsregisters (Dokument vom 15. März) für den Guardian herausgefunden: „Ein in russischem Besitz befindliches britisches Auktionshaus, das Ziel von Boykottaufrufen war, hat in den letzten Jahren Dutzende Millionen Pfund verloren und ist in eine prekäre finanzielle Lage geraten, wie Unterlagen zeigen. Phillips ist in hohem Maße von Bürgschaften abhängig, die von zwei Gründern eines russischen Luxuseinzelhandelskonzerns gestellt wurden, und es hat Schulden aufgetürmt. Die Wirtschaftsprüfer erklärten, dass die Fähigkeit der Russen, Unterstützung zu leisten, nicht garantiert werden kann und dass eine 'wesentliche Unsicherheit' 'erhebliche Zweifel' an der Fähigkeit einer Weiterführung des Unternehmens aufkommen lässt.“ Eine Zusammenfassung findet sich in der FAZ von Ursula Scheer.
Das französische Auktionshaus Artcurial expandiere weiter mit einer Beteiligung an Beurret Bailly Widmer Auktionen in Basel, meldet Bettina Wohlfarth in der FAZ: „Der Zusammenschluss ermöglicht es Artcurial, in der Schweiz Fuß zu fassen und sein europäisches Netzwerk außerhalb der EU auszubauen. Dem Baseler Auktionshaus, das seine Geschäftsführer und Organisation beibehält, dürfte die Einbindung in die weit gestreuten Aktivitäten Artcurials zugute kommen. Kosten und Anteile der Transaktion wurden nicht genannt.“
Den eher schleppenden Verlauf der New Yorker Auktionswoche fasst Barbara Kutscher im Handelsblatt zusammen: „Bieter griffen nur bei wichtigen marktfrischen Werken und dem ganz Besonderen zu. Wie bereits Alex Rotter, Christie’s Chef der Abteilung 20/21, am 11. Mai konstatierte: „Wir sind mit einer schwierigeren Marktsituation konfrontiert, sowohl ökonomisch, politisch, in jeder Hinsicht“. Die niedrigen Zinsraten, die den Markt lange befeuerten, stehen nun auf dem höchsten Niveau seit 16 Jahren. In Sotheby’s anschließender Auktion 'Modern Evening' erreichten 23 von 40 verkauften Losen noch nicht einmal die untere Schätzung. Das ist aber auch immer die eine Chance für Sammler, etwas günstiger einzukaufen.“
Die makroökonomischen Einflüsse auf den Auktionsmarkt erörtert Zachary Small in der New York Times: „'Die Käufer auf dem Markt für Nachkriegs- und zeitgenössische Kunst haben sich wohl gefühlt, als sie Kredite zu günstigen Zinssätzen aufnehmen konnten', sagt Doug Woodham, ein Kunstberater, der früher in leitender Position bei Christie's tätig war, und erklärt, dass steigende Zinssätze die Marge für einen Sammler verdreifachen können. "Das lässt die Leute zögerlicher werden, zu bieten." Brooke Lampley, Vorsitzende von Sotheby's und weltweite Leiterin der Kunstverkäufe, sagte, dass sie ähnliche Sorgen von Käufern gehört habe. 'Geld ist im Moment nicht umsonst', sagte sie. 'Das spielt eine Rolle dabei, wie die Menschen ihr Geld ausgeben und wie sie ihr Vermögen verteilen.'“
Die 500. Auktion des Kölner Auktionshauses Van Ham im Juni war auch gleichzeitig seine beste, berichtet Susanne Schreiber im Handelsblatt: „Mit diesem in Farbe und Form reduzierten Picasso-Bildnis kann Van Ham nicht nur den höchsten Zuschlag in der Geschichte des Hauses verzeichnen. Bislang stellen die 4,9 Millionen auch den höchsten Zuschlag in dieser deutschen Auktionssaison dar. Allein am ersten Abend der zweiteiligen Auktionsserie setzte Van Ham Kunst für 13,9 Millionen Euro um. So viel wie nie zuvor. Am zweiten Tag kamen noch einmal 8,1 Millionen dazu. So dass die Jubiläumsauktion mit insgesamt 22 Millionen Euro in die Annalen eingeht. Mehr als ein Dutzend nationale und internationale Künstlerrekorde wurden verzeichnet.“
Prompt konnte Ketterer Kunst in München das Ergebnis toppen, melden Sabine Spindler und Susanne Schreiber im Handelsblatt: „Der Hammer für das teuerste Kunstwerk fiel bei 5,3 Millionen Euro. Brutto sind das 6,4 Millionen Euro. Solch hohe Zuschläge kommen in Deutschland eher selten vor. Damit ist Alexej Jawlenskys 'Mädchen mit Zopf' Deutschlands kostspieligstes Kunstwerk im ersten Halbjahr 2023. Am heutigen Freitagabend schlug Robert Ketterer, Chef des Auktionshauses Ketterer Kunst in München, das museale ausdrucksstarke Gemälde nach einem langen Bietgefecht zwischen zwei finanzstarken Telefonbietern zu. Seiner Ehefrau Gudrun hatte den siegreichen Topkunden am Ohr. Das teure, museale Schlüsselwerk von Jawlensky war bei weitem nicht der einzige Millionenzuschlag an einem Abend, in dem der Münchener mit viel Geduld und Anekdötchen eine Reihe sehr beachtlicher Zuschläge einfahren konnte. Allein in der ersten Stunde der zweieinhalbstündigen Sitzung schlugen drei Bruttopreise über einer Million Euro zu Buche.“
Die für London enttäuschende Strategie von Christie's Ende lässt sich Anny Shaw Ende Juni vom Art Newspaper erklären: Kunstberater Hugo „Nathan meint, dass vor allem die amerikanischen Käufer nach dem 'Gewicht der New Yorker Auktionen' im letzten Monat 'erschöpft' sind. Er fügt hinzu: 'Christie's hat alles auf New York gesetzt, sie hatten riesige Verkäufe in New York. Man könnte argumentieren, dass sie sich für London etwas hätten zurückhalten können, aber ich glaube, alle wollten sich beeilen'. Er stellt fest, dass der weltweite Anstieg der Zinssätze vor allem in den ersten sechs Monaten dieses Jahres zu einem Rückgang des Marktes geführt hat. 'Die konservative defensive Strategie besteht darin, alles in die großen Auktionen in New York zu stecken und auch auf Garantien zu setzen', fügt Nathan hinzu. 'Wenn die Garantien bei den Garantiegebern landen, gibt es in der nächsten Saison viel weniger Garantiegeber, und ohne die Drittgarantiegeber haben die Auktionshäuser Schwierigkeiten, das Material zu bekommen.'“
Der Altmeistermarkt zeige sich – im Vergleich zu den Zeitgenossen auf niedrigem Niveau – stabil, hat Stephanie Dieckvoss bei den Londoner Auktionen für das Handelsblatt beobachtet.
Das ist ein bisschen mehr als eine Delle, was Susanne Schreiber im Handelsblatt verkündet: „Mit einem Gesamtumsatz von 3,2 Milliarden Dollar hat Christie’s im ersten Halbjahr 23 Prozent weniger eingenommen als im Vorjahreszeitraum. Auf Saal- und Online-Auktionen entfielen 2,7 Milliarden Dollar, auf Privatverkäufe 484 Millionen Dollar. Guillaume Cerutti, Christie’s CEO, erklärt den Rückgang mit den gewandelten makroökonomischen Umfeld: gestiegenen Zinsen, Inflation und abnehmender Liquidität. Cerutti stellt die 'solide Performance im ersten Halbjahr 2023' in den Kontext der letzten fünf Jahre, denn 2022 und 2021 seien Ausnahmejahre gewesen. So betrachtet, liegt das Ergebnis dann noch über dem Fünfjahresdurchschnitt. Grund zum Optimismus sieht der Franzose in der Absatzrate, die quer durch alle Auktionsformate bei 87 Prozent liege. Neu ist, dass inzwischen 80 Prozent aller Gebote – selbst im Millionenbereich – online eingehen, vor der Pandemie waren es 45 Prozent.“ Dabei schwächle besonders Asien, bemerkt Angelica Villa bei Artnews: „39 Prozent der Käufer bei Christie's kamen in diesem Jahr aus Amerika, 35 Prozent aus Europa, dem Nahen Osten und Afrika und weitere 26 Prozent aus Asien, wie das Auktionshaus mitteilte. Die Zahl der asiatischen Käufer ist im Vergleich zum ersten Halbjahr 2021, in dem 39% der Kunden aus Asien kamen, stark zurückgegangen. Sotheby's und Phillips reagierten auf den Abschwung bereits mit Entlassungen von Führungspersonal, haben Shanti Escalante-De Mattei und Angelica Villa für Artnews recherchiert. Bonhams habe hingegen das beste Halbjahresergebnis seiner Geschichte eingefahren, weiß Vivienne Chow von Artnet.