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Den Zusammenbruch ihres angestammten Geschäftsmodells konnten die großen Auktionshäuser Anfang des Jahres noch nicht ahnen. Doch auch hier hat Corona eine bisher schleichende Entwicklung nur beschleunigt.
Die neue Abteilung für gebrauchte Bekleidung und Taschen des Auktionshauses Bonhams nimmt Rose-Maria Gropp in der FAZ vom 18. Januar aufs Korn: „Laut 'Global-Data', so erläutert Bonhams die neue Sparte, soll sich der weltweite Markt für alle gebrauchten Luxusgüter bis 2023 auf 51 Milliarden Dollar belaufen, mehr als der doppelte Wert von immerhin 24 Milliarden Dollar 2018. (Vorsicht, das ist Statistik). Zu den treibenden Faktoren dieser bemerkenswerten Hochrechnung zählen, heißt es weiter, steigendes 'soziales Bewusstsein', 'Sorge für die Umwelt' bei den Verbrauchern und die – vorsätzliche – Verknappung begehrter Teile. Die ersten beiden Gründe sind nachgerade rührend.“
Sotheby's hat sich mit dem Modelabel Highsnobiety zusammengetan, um seine aktuelle Altmeister-Auktion mit motivisch passenden Hoodies und T-Shirts zu begleiten, wie Tessa Solomon von Artnews weiß.
Die neue Liebe von Christie's und Sotheby's zu alten Turnschuhen beschreibt Christina Binkley bei Artnews.
Den 2006 ins Leben gerufene Middle East Sale in Dubai im März habe Christie's für dieses Jahr abgesagt, meldet Rebecca Anne Proctor bei Artnet. Das Auktionshaus begründe die Entscheidung wenig glaubwürdig mit Materialverknappung.
Der Umsatz mit Private Sales abseits der Auktionen habe bei Sotheby's laut Unternehmensangaben im vergangenen Jahr erstmals die Milliarden Dollar-Grenze überschritten, berichtet Sarah Cascone Anfang März bei Artnet. Dabei sei die Hälfte dieser Summe mit lediglich 30 Transaktionen erwirtschaftet worden. Die am meisten nachgefragten Namen seien Jonas Wood, Yayoi Kusama, George Condo, Andy Warhol, Jean-Michel Basquiat, KAWS, Alexander Calder, Pablo Picasso, Claude Monet und Henri Matisse. Da schmerzt es natürlich doppelt, wenn die Megagalerien jetzt wie beim Verkauf der Marron-Sammlung (s. letzte Woche) zurückschlagen und den Versteigerern das Spielfeld streitig machen, dass diese selber erst eröffnet haben.
Als erstes großes Auktionshaus hat Christie's die Schließung der meisten seiner Standorte angeordnet, berichtet Alex Greenberger bei Artnews.
Warum Auktionen in einem realen Raum seiner Meinung nach nicht durch solche im virtuellen zu ersetzen sind, erklärt Dirk Boll von Christie's im Gespräch mit Jörg Häntzschel Ende März in der Süddeutschen Zeitung: "Im Auktionssaal hat man eine ganz andere Wahrnehmung von der Tiefe der Nachfrage. Es kann sein, dass ein finanzkräftiger Bieter einsam gegen eine hohe Reserve geboten hat, oder dass 20 Bieter mitgeboten haben. Im Auktionssaal sehen Sie das. Und Sie sehen, welche Galeristen oder Händler bieten. Auktionen erfüllen eine wichtige Funktion für die Marktteilnehmer, ganz gleich ob es professionelle oder private Sammler sind. Als Treffpunkt und als aktuelle Wasserstandsinformation."
Digital pfeifen die großen Autionshäuser im Wald, hat Stephanie Dieckvoss Ende März für das Handelsblatt erfahren: "Alle Häuser betonen den Schwung, den die Coronakrise auf das Käuferverhalten hat. Aktuell können Online-Gebote die weggebrochenen Gebote aus den Saalauktionen kompensieren. Das hat dazu geführt, dass die Ergebnisse der letzten Wochen nicht unter den Erwartungen der Versteigerungshäuser geblieben sind." Doch auch das könne bald ein Ende haben, wenn die zu Hause gebliebenen Mitarbeiter keine Einlieferungen mehr bearbeiten könnten.
Gehaltskürzungen und Zwangsurlaub für einen Teil der Belegschaft seien die aktuellen Sparmaßnahmen der großen Auktionshäuser, weiß Angelica Villa von Artnews Anfang April. Immerhin scheinen sie gelernt zu haben, dass es sich mittelfristig als unvorteilhaft erweisen könnte, in der Flaute Mitarbeiter zu feuern, die man später wieder irgendwo teuer abwerben muss.
Auch die deutschen Auktionshäuser stehen vor einem Dilemma, wie Christiane Fricke für das Handelsblatt herausgefunden hat: "Viele Experten sind überzeugt davon, dass die Versteigerer gut daran tun, ihre Frühjahrsauktionen wie üblich live zu veranstalten - selbst wenn die Bieter bei einem noch andauernden Versammlungsverbot ausschließlich über Telefon oder Internet zugeschaltet sind. 'Die Nachfrage ist jetzt da', betont Van Ham-Chef Markus Eisenbeis. Auch Rupert Keim, Geschäftsführer des Auktionshauses Karl & Faber und Präsident des Bundesverbands Deutscher Kunstversteigerer (BDK), hält es für keine gute Idee, die anstehenden Auktionen weiter in den Herbst zu verschieben: 'Der Wettbewerb ist momentan wegen der ausgefallenen Messen entschärft. Im Herbst jedoch werden viele Messen und Verkaufsausstellungen nachgeholt. Somit trifft ein Riesenangebot auf eine geschwächte Wirtschaft.'"
Christie's habe sich mit der New Yorker Staatsanwaltschaft auf die Zahlung von 16,7 Millionen US-Dollar geeinigt, weil das Unternehmen bei bestimmten Geschäften seinen New Yorker Kunden die lokale Sales Tax nicht in Rechnung gestellt und auch nicht abgeführt habe, berichtet Eileen Kinsella Anfang April bei Artnet.
Bei einem um drei Viertel eingebrochenen Auktionsmarkt im ersten Quartal sieht Julia Halperin Anfang Mai für Artnet gleichzeitig eine stabile Nachfrage im niedrigpreisigen Bereich. Über die Zukunft der Kunstauktion macht sich Georgina Adam im Art Newspaper Gedanken: "Sicher ist, dass kein Auktionshaus, mit dem ich gesprochen habe, auf Live-Verkäufe ganz verzichten wird: 'Wir haben absolut nicht die Absicht, nur auf Online umzustellen', sagte mir Cheyenne Westphal, die weltweite Vorsitzende von Phillips. Aber in der Zwischenzeit verstärken alle Auktionshäuser ihr Online-Programm, indem sie manchmal ehemalige Live-Auktionen ins Internet verlegen. 'Seien wir ehrlich, einige normale Live-Auktionen waren eine ziemlich langweilige Erfahrung', sagt Barker [von Sotheby's]. 'Diese werden online gehen und nie wieder zurückgehen. Ich kann mir eine Situation vorstellen, in der Live-Auktionen zum Kronjuwel werden, das nur den allerbesten Losen vorbehalten ist'."
Den Umgang der großen Auktionshäuser mit der Krise beleuchtet Anne Reimers in der FAZ vom 25. April: „ Im Gegensatz zu Live-Auktionen gilt bei reinen Online-Auktionen das 'Fernabgabegesetz', das ein zweiwöchiges Rückgaberecht für das ersteigerte Los ohne Angabe von Gründen einräumt. Das macht diese Form der Versteigerung für die Einlieferer wie die Auktionshäuser unbequem. Wegen dieser unterschiedlichen rechtlichen Bestimmungen musste Sotheby’s vorher kurzfristig die Zustimmung der Einlieferer einholen. Die Zahlen sprechen allerdings eher für den Erfolg der digitalen Auktionen: Bis zum 15. April hatte Sotheby’s in diesem Jahr bereits 89 Prozent mehr Lose online verkauft als im Vergleichszeitraum 2019 – was natürlich auch an der gravierend veränderten Situation liegt. Diese frühen Erfolge lassen sich allerdings nicht problemlos wiederholen. Tatsächlich war die Akquise für die größeren dieser Auktionen bereits vor der Einschränkung der Bewegungsfreiheit abgeschlossen. Außerdem eignen sich viele Versteigerungen nicht zur Umwandlung ins Online-Only-Format, vor allem wenn es um sehr hohe Werte geht.“
Das Auktionsgeschäft laufe dort, wo es aktuell stattfindet, recht gut, hat Dennis Kremer im Gespräch mit Henrik Hanstein und seiner Tochter Isabel Apiarius-Hanstein zum Generationswechsel im Unternehmen für die FAS vom 3. Mai erfahren: "So voll wie früher wird es wegen Corona in den Auktionssälen auf absehbare Zeit nicht mehr werden. Das klingt wie eine schlechte Nachricht, ist es aber interessanterweise nicht. Denn auch wenn Hanstein - Jahresumsatz 2019 rund 56 Millionen Euro, 70 Mitarbeiter - den Andrang im Saal vermisst, läuft das Geschäft besser als gedacht. "Die Leute sind derzeit gierig nach Kunst", sagt der Lempertz-Chef und bestätigt damit, was auch andere Auktionshäuser berichten. Nur kann diese Lust an der Kunst eben nicht auf traditionellem Wege befriedigt werden, sondern ganz modern: per Online-Gebot. Das ist für viele Auktionshäuser nichts Neues, Online- und selbstverständlich auch Telefon-Bieter gehören seit Jahren fest dazu."
Wie schwerwiegend die Corona-Krise für Sotheby's ist, zeigt mein Blick in den Jahresbericht für das Handelsblatt: "In der aktuellen Situation kann niemand seriöserweise exakte Prognosen treffen. Es gehört daher zur unternehmerischen Sorgfaltspflicht, auf diese Unsicherheiten hinzuweisen, ebenso wie der noch bedrohlicher klingende Satz: 'Das Unternehmen hat erklärt, dass diese negativen finanziellen Bedingungen erhebliche Zweifel an der Fähigkeit des Konzerns zur Fortführung des Unternehmens aufkommen lassen.'"
Von der Schuldenlast des Konzerns ist auch Eileen Kindella bei Artnet beeindruckt: "Der Kauf von Sotheby's durch Drahi im Wert von 3,7 Milliarden Dollar war mit hohen Schulden verbunden. Bis heute belaufen sich die ausstehenden Schulden des Unternehmens nach den neuesten Unterlagen auf 467 Millionen Dollar (plus Zinsen). Mehr als ein Viertel davon - 119 Millionen Dollar - muss das Unternehmen in diesem Jahr an Zinsen und Tilgungszahlungen zahlen, in den nächsten vier Jahren jeweils rund 84 Millionen Dollar."
Einen schockierenden Umsatzrückgang von gut 90 Prozent bei den Auktionsgiganten konstatiert Melanie Gerlis in ihrer Analyse mehrerer Reports für die Financial Times vom 21. Mai: "Auktionen bei Christie's, Sotheby's und Phillips brachten zwischen dem 1. Januar und dem 19. Mai letzten Jahres 4,2 Milliarden Dollar (für alle Sparten) ein, während im gleichen Zeitraum dieses Jahres insgesamt 354 Millionen Dollar aus Saalauktionen und 174 Millionen Dollar aus Online-Verkäufen erzielt wurden."
Allerdings sei ein Negativtrend schon 2019 zu beobachten gewesen, entnimmt Abby Schultz bei Barrons dem Contemporary Art Market Confidence Report von ArtTactic (18 Seiten, 150 Britische Pfund): "Der Vertrauensindikator befand sich bereits im vergangenen Jahr im Abwärtstrend und fiel von Februar 2019 bis September 2019 um 29% [...] im Zusammenhang mit Brexit und dem Handelskrieg zwischen den USA und China."
In Paris hoffe man hingegen auf ein glimpfliches Corona-Jahr, hat Bettina Wohlfarth für die FAZ vom 23. Mai erfahren: "Artcurial konnte den Umsatz des Jahresanfangs vor dem Ausbruch der Krise durch mehrere Live-Auktionen und vor allem eine Oldtimer- Auktion im Februar retten, die fast 22 Millionen Euro einspielte; dennoch lag der Rückstand gegenüber dem Frühjahr 2019 Anfang Mai bei siebzig bis achtzig Prozent. 'Alles wird jetzt davon abhängen, ob wir vor der Sommerpause unseren neuen Kalender nach Plan abhalten können. Dann könnten wir die Verluste bis zur Jahresmitte vielleicht auf dreißig bis vierzig Prozent herunterfahren'".
Die erste Meldung über massive Sparmaßnahmen bei Christie's kam Ende Juni von der in Hongkong beheimateten Webseite The Value. Zwei Tage später gab es Details von Eileen Kinsella bei Artnet und von Margaret Carrigan im Art Newspaper. Demnach plane das Auktionshaus, die Abteilungen für Zeitgenössische und Moderne Kunst sowie Impressionismus zusammenzulegen und Stellen abzubauen. Gedruckte Kataloge solle es nur noch für die bedeutendsten Auktionen geben.
Die positiven Konsequenzen für den europäischen Markt als Folge dieser absehbaren Maßnahmen, hat der Gründer und Vorstand der nach ihm benannten Weng Fine Art AG bereits vorab im Interview mit mir für Artmagazine skizziert: "Für die mittelständischen, kontinentaleuropäischen Auktionshäuser ergeben sich dadurch neue Chancen und auch Nischenplayer werden mangels Konkurrenz ihre Spezialgebiete weiter ausbauen können. Vor allem aber können die kleineren Häuser mit dem Beibehalten von gedruckten Auktionskatalogen, insbesondere bei den Einlieferern punkten und damit gegenüber den einstmals übermächtigen Großauktionshäusern Marktanteile zurückgewinnen. Dies werden wir vor allem im Mittelmarkt sehen, den man in New York und London notgedrungen wohl teilweise preisgeben muss."
Die mit Spannung erwartete Hybrid-Auktion von Sotheby's aus Auktionssälen ohne Publikum in drei Kontinenten könne unter den gegebenen Umständen als voller Erfolg gelten, urteilt Barbara Kutscher Anfang Juli im Handelsblatt: "Die Ergebnisse für den Impressionismus bis zur zeitgenössischen Kunst nach dem fast fünfstündigen Versteigerungsmarathon, der erst nach 23 Uhr New Yorker Zeit endete, können den Markt beruhigen. 69 Lose spielten überaus starke 363,2 Millionen Dollar ein. Sie lagen am oberen Ende der Erwartungen."
Dass mit 300,4 Millionen US-Dollar ohne Aufgeld das Ergebnis etwas unterhalb der mittleren Schätzung liegt, ist Eileen Kinsella von Artnet aufgefallen. Ebenso weist sie darauf hin, dass die 18 Lose aus der Sammlung von Ginny Williams mit einer Garantie versehen waren (die Hälfte davon durch Dritte) , also schon vor der Auktion als verkauft galten. Für eine Online-Auktion sind die Zahlen ein absolutes Novum. Allerdings machen sie nur einen Bruchteil der Beträge in normalen Zeiten aus.
Mittlerweile wird immer deutlicher, dass die größeren deutschen Auktionshäuser recht gut durch die Krise navigieren. Erfolge von Ketterer in München vermeldet Sabine Spindler im Handelsblatt: "Viele Insider, so auch unlängst die Kunstmarktanalystin Claire McAndrew in einem Video-Talk der Art Basel, betonen, dass die Welt in einer Wirtschafts- und nicht in einer Finanzkrise stecke. Bevor Geld durch Inflation oder Rezession zerrieben wird, gelten typische Werke wie Lyonel Feiningers reduzierte Ansicht 'Manhatten, Dusk', Josef Albers' farbstarke, kleinformatige 'Homage to the Square' und Paul Klees abstraktes Aquarell 'Der Krieg schreitet über eine Ortschaft' als begehrenswerte Alternativen. Bei Ketterer gehörten diese Stützen des Marktes zu den insgesamt 55 sechsstelligen Ergebnissen." In der FAZ vom 25. Juli kommt Brita Sachs zu ähnlichen Schlüssen: "Überhaupt kompensierte digitale, schriftliche und telefonische Beteiligung den virusbedingt eingeschränkten Zugang zum Saal, und viele beachtliche Erlöse lassen nicht auf Zurückhaltung schließen."
Sotheby's sei mit einem Umsatzrückgang von nur 25 Prozent immerhin mit einem blauen Auge davongekommen zu sein, urteilt Angelica Villa bei Art Market Monitor.