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Kunstmessen haben sich zur Schaltzentrale des Kunstmarkts entwickelt, und die Großen der Branche schaffen sich Reiche, in denen die Sonne nicht untergeht. Art Basel, Frieze und Tefaf überziehen den Globus zunehmend mit Filialen, in denen eine auf Wiedererkennbarkeit getrimmte Markenware verhandelt wird. Wie dabei der Kontakt zur mittelständischen und produzierenden Basis gehalten werden kann, ist eine der größten Herausforderungen nicht nur für den Kunstmarkt, sondern für die gesamte Kunstwelt, der sich die Schweizer gerade ganz aktuell stellen müssen-
Das Image der Kunstmesse vergangener Jahre skizziert Christiane Meixner Anfang Januar in der ZEIT bei ihrer Suche auf einer Antwort auf die Frage, ob die Kunst Messen brauche: "Der Grund dafür, dass die Galerien um die Plätze konkurrieren, ist heute auch ein anderer als früher. In erster Linie geht es nicht mehr darum, schnell etwas zu verkaufen. Messen wie die Art Basel mit ihren Ablegern in Hongkong und Miami Beach, wie die Fiac in Paris oder die Art Cologne haben sich zu einem generellen Maßstab für Qualität entwickelt. Ihre Jurys gelten als streng. Wer ihre Kriterien erfüllt, kann sich schon als ausgezeichnet betrachten."
Die Art Stage Lorenzo Rudolfs könnte Singapore den Rücken kehren, orakelt Philipp Meier Ende Januar in der NZZ: "Singapur war lange ohne Kunst. Die Art Stage hat sie der Stadt gebracht. Zahlreiche Galerien haben sich hier niedergelassen. Und Sammler kommen jedes Jahr im Januar zur Messe aus ganz Asien. Die Art Stage streckt aber auch ihre Fühler aus, in andere, neuere und jüngere Märkte. Etwa nach Jakarta, Indonesiens boomender Hauptstadt. Dort wird die Art Stage Anfang September zum dritten Mal stattfinden. Und interessant könnte auch der Standort Bangkok werden, wo es brodelt in der Kunstszene".
Von Gerüchten über eine Frieze-Ausgabe in Los Angeles erzählen Anfang Februar Charlotte Burns und Allan Schwartzman en passant in einem Wasserstandsbericht vom (New Yorker) Galeriemarkt für das Magazin in other words der Sotheby's-Tochter Art Agency, Partners, in dem sie - ebenfalls nebenbei - das deutlich gesunkene Mietniveau in Chelsea erwähnen. Als Termin für die Premiere der Frieze in Kalifornien wurde mir - ebenfalls gerüchteweise - Februar 2019 genannt. Eine Einordnung unternimmt Julia Halperin für Artnet.
Galeristen ohne Galerie dürften schon an der kommenden Ausgabe der Frieze New York teilnehmen, hat Eileen Kinsella den geänderten Teilnahmebedingungen für Artnet entnommen. Damit bricht die Messe ein Tabu, das selbst für kleinere Veranstaltungen noch gilt: Teilnahme nur für Galerien mit eigenem Galerieraum und regelmäßigen Ausstellungen. Die Messemacher begründeten das mit den steigenden Herausforderungen, mit denen sich mittelständische Galerien konfrontiert sehen. Andererseits erleichtert die Erweiterung des potentiellen Ausstellerkreises es der Frieze, das wenig beliebte Zelt auf Randall's Island mit Qualität zu füllen.
Die von der New Yorker Galeristin Elizabeth Dee organisierte Messe Independent scheint Probleme mit ihrer Brüsseler Ausgabe zu haben. Statt wie bisher parallel zur Art Brussels, wird sie erst im November stattfinden, wie ihrer Internetseite erst im Februar zu entnehmen ist. Man darf gespannt sein, ob ein parasitäres Format auch ohne den Wirt überlebensfähig ist oder vielleicht sogar besser gedeiht. Keine vier Wochen vor der Art Basel Miami Beach dürfte es jedenfalls schwierig werden, amerikanische Sammler ins nasskalte Brüssel zu locken.
Tiefrot seien die Zahlen der Messe Schweiz, der Mutter der Art Basel, meldet Sergio Aiolfi in der NZZ. Auf die Baseler Immobilie habe wegen der Schrumpfkur der Basel World eine Sonderabschreibung von 102 Millionen Franken vorgenommen werden müssen. Trotzdem sehe sich die Messeleitung auf einem guten Kurs: "Das Unternehmen hat in den letzten Jahren tatsächlich einiges getan, um die Abhängigkeit vom Standort Basel zu reduzieren. Die Geschäftstätigkeiten sind diversifiziert und internationalisiert worden. [...] Zudem hat das Unternehmen mittels Zukäufen seine Position im internationalen Kunstmarkt verstärkt." Die Renditeerwartungen an die Kunstmessen dürften damit nicht kleiner geworden sein. Dass der Kunstmarkt sich mittlerweile eher von den Großmessen weg entwickelt, werden die Konzernlenker wie beim Uhrengeschäft wohl auch erst merken, wenn es zu spät ist.
Das gab's noch nie: Beide Berliner Kunstmessen an einem Ort. Durch den wegen Belegung der Station erzwungenen Umzug der Art Berlin (früher abc) in den Flughafen Tempelhof wurde die Berlin Art Week ebenfalls um eine Woche verschoben, was wiederum die Positions in die Bredouille brachte, weil deren Austragungsort zu diesem Termin Ende Sepember ebenfalls belegt ist. Jetzt findet sie auf kleinerer Fläche in einem Hangar statt. (Fast) die ganze Geschichte hat Gabriela Walde für die Berliner Morgenpost. Dabei war abc immer auf größtmögliche Distanz zur Positions (früher Preview) bedacht. Dumm gelaufen.
Die erste Ausgabe der schon in London und New York präsenten Messe für afrikanische Kunst I-54 Marrakesch Anfang März war auf den ersten Blick ein großes Schaulaufen mit viel Bling-Bling vor Kunstkulisse. Dass es im Hintergrund um viel mehr geht, erläutert Niklas Maak im wohltuend ernstzunehmenden Artikel über die Veranstaltung in der FAZ vom 4. März: "Die Frage hinter Kunstrummel, Palmen und Kolonialfolklore lautete: Kann es sein, dass an verschiedenen Orten Afrikas gerade soziale, ästhetische, ökonomische Modelle entstehen, die wegweisender sind als das, was als 'Entwicklungshilfe' nach Afrika exportiert wird?" Die Regel sind Werbetexte wie die von Antwaun Sargent bei Artsy.
Mit der neuen Armory Show-Direktorin Nicole Berry sieht Beate Scheder die Messe für DIE WELT auf einem guten Weg: "Berrys Vision ist die einer Messe, die moderne und zeitgenössische Kunst noch enger miteinander verzahnt und immer weniger, wie es bei der Armory Show zunächst üblich war, räumlich voneinander abgrenzt. Was das auf lange Sicht für die auf vor dem Jahr 2000 produzierte Kunst limitierten 'Insights' heißt? Intern diskutiere man gerade, ob auch die 'Insights' in Zukunft kuratiert werden sollten, so Berry. Angesichts der durchwachsenen Qualität der Stände dieser Sektion gewiss keine schlechte Idee. Überhaupt hat die Bereitschaft zu Reformen offenbar einiges dazu beitragen, die Armory Show in der Gunst der Aussteller wie Sammler im Vergleich zu den anderen New Yorker Messen steigen zu lassen." Die inhaltlich wie qualitativ spannungsbreite Berichterstattung von Artnews gibt es in einem Überblick. Die Independent, einst angetreten, weil ihr die mainstreamige Armory Show nicht hip genug war, versucht es jetzt mit dem Gegenteil: Art Brut. James H. Miller war für das Art Newspaper dort.
Magnus Renfrew will es noch einmal wissen: Der ehemalige Gründungsdirektor der heutigen Art Basel Hong Kong gründet jetzt eine Messe in Taiwans Hauptstadt Taipeh. Sarah Douglas führt Ende März bei Artnews aus, dass Taipei Dangdai nicht nach den Sternen greifen, sondern sich mit zunächst 80 Ausstellern zeitgenössischer Kunst an ein regionales Publikum wenden wolle. Hauptsponsor von Taipei Dangdai solle die UBS sein, die ebenfalls größter Sponsor der Art Basel-Messen ist. Und wieder habe das Trio Tim Etchells, Sandy Angus and Will Ramsay seine Finger mit ihm Spiel, hat Enid Tsui für die South China Morning Post erfahren. Die drei sind in unterschiedlicher Kombination Gründer, Betreiber oder Ex-Inhaber von Pulse, Art London, CI Istanbul und - in diesem Zusammenhang interessant - Art Hong Kong, die 2011 an die Art Basel-Mutter MCH Group verkauft wurde und heute Art Basel Hong Kong heißt. Direkt im Anschluss eröffnete Sandy Angus die Art Central in Sichtweite zur Art Basel, und verkaufte den Schweizern anschließend noch die India Art Fair.
Für den asiatischen Kunstmarkt sei die Bedeutung der Art Basel hingegen kaum zu hoch einzuschätzen, glaubt Gerhard Mack in der NZZ: "Der Erfolg der Galerien ist wesentlich der Art Basel zu verdanken, die gestern Samstag zu Ende ging. Asiatische Sammler waren es gewohnt, auf Auktionen zu kaufen. Es gab zwar bereits zuvor Kunstmessen in der Region, und ihre Zahl nimmt stetig zu. Aber erst der Art Basel ist es mit ihrem Ruf gelungen, Käufer zur Gegenwartskunst und zum Erwerb bei Galerien zu bewegen. Dass diese Entwicklung so schnell ging und die Messe sich in nur fünf Jahren zur zentralen Drehscheibe für den Kunstmarkt einer Region von Istanbul bis Auckland entwickelte, hat viele Beobachter überrascht."
Michael Kohler hat Nerven. Im Kölner Stadt-Anzeiger vom 14. April fragt er Daniel Hug, den Direktor der Art Cologne, was wohl kaum ein Hauptstadtjournalist so zu fragen gewagt hätte: Warum er die abc gerettet habe. Hugs Antwort zeugt vom neuen Kölner Selbstbewusstsein: "Ich weiß nicht, ob gerettet der richtige Ausdruck ist. Die abc Messe hatte Probleme, ich war mit den Ausrichtern wegen eines Collaborations-Sektors im Gespräch und wurde gefragt: Warum machst du nicht die ganze Messe? Die Zeiten haben sich ja auch geändert. Es gibt nicht mehr diesen Konkurrenzkampf mit Berlin, Köln hat weltweit wieder einen guten Ruf. Wenn ich jungen internationalen Galeristen vor zehn Jahren von der Messe erzählt habe, hieß es immer: Toll, ist das in Berlin? Wie Köln - was ist das denn? Heute wissen alle, wovon ich rede. In den 90er Jahren gab es eine Tendenz, den deutschen Kunstmarkt in Berlin zu zentralisieren. Aber so geht das einfach nicht." Nein, da mussten die Berliner Strippenzieher kräftig mithelfen und den eigenen Standort demontieren.
Das Ende der Kunstmesse ruft Jerry Saltz Anfang Mai auf Vulture aus.
Die "Art Basel hat ein Problem", lautet Christiane Meixners Befund Anfang Juni in der ZEIT: "Kein sehr großes nach 48 erfolgreichen Jahren, aber doch eines mit Konsequenzen für die Zukunft. Sie kann nicht weiter wachsen und müsste es doch tun, um sich konstant zu verjüngen. Seit der Kunstmarkt ein globales Geschäft geworden ist mit Sammlern von Paris bis Peking, drängen etablierte Galerien aus aller Welt für diese Woche nach Basel." Zu teuer und daher zu wenig innovativ sei die globale Leitmesse. Aber eine Lösung böte sich an: "Dabei braucht man genau das. Junge Galerien ebenso wie neue Namen oder Spezialisten mit ihrem Blick für Übersehenes. Kunst braucht Leidenschaft, und Sammler lieben Entdeckungen - solche Sammler jedenfalls, die nicht allein auf Spekulation aus sind. Nach Basel kommen sie immer noch. Und kleine sogenannte Satellitenmessen, die zeitgleich zur Art Basel stattfinden, erfüllen genau dieses Bedürfnis." Anlass zu dieser Erkenntnis ist ihr die Paper Positions aus Berlin, die erstmals in Basel antritt und bei anderen Satelliten wichtige Aussteller abgeworben hat. Das Problem: All diese Messen sind meistens ebenfalls recht teuer, und im Wettbewerb um die Restaufmerksamkeit graben sie sich gegenseitig das Wasser ab. Jeder neue Player verkauft in der Regel auch nur alten Wein in neuen Schläuchen. Aber vielleicht machen die Berliner ja einiges besser oder anders als ihre mehrheitlich dahinvegetierenden Wettbewerber. Diese Woche wird es zeigen.
Die Art Basel droht an ihrem eigenen Erfolg zu ersticken. Bei ihrem Mutterkonzern Messe Schweiz gilt sie jetzt wohl als Hoffnungsträger, nachdem die eigentliche Cash Cow Baselworld derartig an Ausstellern eingebüßt hat, dass man den verbleibenden zugestehen musste, ihre aufwendigen Stände in der sonst im Wechsel von der Art Unlimited genutzten Halle übers Jahr stehen lassen zu dürfen - mit der Folge, dass die Großformate-Schau der Art Basel ein Stockwerk höher ziehen musste. Bei den Fantastilliarden, die seit Jahren für Kunst im Luxus-Segment bezahlt werden, kann sich die Art Basel auch nicht mehr auf den Standpunkt zurückziehen, dass sie nur Wände vermiete und Seriosität allein Sache ihrer Mieter wäre. Ausgerechnet einen Mitautor der neuen Compliance-Regeln für die Art Basel hat die Schweizer Zollbehörde jetzt mit einer Millionenstrafe belegt, was dieser prompt der Messe nicht mitgeteilt habe, wie Catherine Ross für den schweizerischen Bund recherchiert hat.
Susanne Schreiber beklagt im Handelsblatt vom 15. Juni die mit den Hochpreisen einhergehende Eintönigkeit des Angebots: "Das Gros des Messeangebots ist ermüdend nah an dem, was in Auktionen Höchstzuschläge bringt, und an dem, was gerade in Museen gefeiert wird. Wirkliche Entdeckungen sind kaum zu machen. Denn die Art Basel umarmt und vereinnahmt alles. So findet sich stringent nicht als Warenkorb präsentierte Kunst eher an ihren Rändern und in den Sektionen Features und Statements."
Nach der Art Basel ist vor der Art Basel - jetzt noch schneller. Nachdem deren Muttergesellschaft Messe Schweiz die Masterpiece in London gekauft hat, gibt eine schweizerische Kunstmesse der nächsten die Klinke in die Hand: Diese Woche eröffnet die Masterpiece in London, von der Eileen Kinsella für Artnet vorab berichtet.
Eine neue Messe für einen Neuen Markt: Die MCH Group, Muttergesellschaft der Art Basel hat eine neue Messe in Singapur angekündigt. Zusammen mit AngusMontgomery Arts und Tim Etchells, denen die Schweizer unter anderem schon die Art HongKong (heute Art Basel Hongkong) abgekauft haben, wollen sie im November 2019 die Art SG in Singapur aus der Taufe heben. Eine Meldung auf Deutsch dazu gibt es bei Monopol, Hintergrundinformationen von Anny Shaw im Art Newspaper.
Sein Missfallen am klassischen Model von Kunstmessen bringt Christian Siekmeier im Interview mit Kate Brown Ende Juli für Artnet zum Ausdruck. Mit seiner Galerie Exile zieht er gerade von Berlin nach Wien, teils aus privaten Gründen, teils aus Unzufriedenheit mit den Berliner Verhältnissen.