Optionale Cookies erlauben?
Neben technisch notwendigen Cookies möchten wir Analyse-Cookies nutzen, um unsere Zielgruppe besser zu verstehen. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung. Sie können Ihre Zustimmung jederzeit widerrufen.
Abgerechnet wird zum Schluss, und die Ukraine führt umsichtigerweise Buch, auch über Kunst im Besitz von sanktionierten Russen, berichtet Ursula Scheer in der FAZ: „Die Nationale Agentur zur Korruptionsprävention (NACP) des Landes hat die für weitere Meldungen offene Datenbank unter dem Rubrum „War & Art“ zusammengestellt. Sie soll nicht nur die Reichtümer von Putins Wirtschaftselite publik machen, sondern als leicht handhabbares Instrument dabei helfen, den Weiterverkauf aufgeführter Kunstwerke zu verhindern oder Beschlagnahmungen zu ermöglichen. Laut NACP ist es für Oligarchen immer noch zu leicht, Geld mit Kunst zu waschen oder zu verstecken. Die auf Sanktionsdurchsetzung fokussierte Datenbank weist allerdings Unschärfen auf: So führt sie nicht nur Kunstwerke in aktuellem russischem Besitz auf, sondern auch solche, die früher durch die Hände von Oligarchen gegangen sind.“
Nach Sotheby's und Christie's liefert auch Phillips schlechte Zahlen, berichtet Angelica Villa bei Artnews: „Phillips meldete für das erste Halbjahr 2023 einen weltweiten Umsatz von 453 Millionen US-Dollar, ein deutlicher Rückgang um 39 Prozent im Vergleich zu den 746 Millionen US-Dollar des ersten Halbjahres 2022. Im Vergleich zu den 542,7 Mio. USD, die für das erste Halbjahr 2021 gemeldet wurden, war das ein Anstieg um 37 Prozent. Die Auktionsverkäufe machten 409 Millionen Dollar der Gesamtsumme für das erste Halbjahr 2023 aus, die auch private Verkäufe einschließt. Das sind 31 Prozent weniger als die 590 Millionen Dollar, die für den gleichen Zeitraum des letzten Jahres gemeldet wurden. Der diesjährige Wert war auch niedriger als die 452 Millionen Dollar, die in der ersten Hälfte des Jahres 2021 gemeldet wurden. Auch die privaten Verkäufe gingen deutlich zurück, und zwar um 72 Prozent auf 44 Mio. $ gegenüber dem Vorjahresergebnis von 156 Mio. $. Der Rückgang der privaten Verkäufe ist umso bemerkenswerter, wenn man bedenkt, dass das Ergebnis des letzten Jahres ein Rekordhoch war“.
Einen Weg aus der Krise scheint Phillips im Einstieg in den Primärmarkt zu sehen, hat Angelica Villa für Artnews erfahren: „Ein Anreiz für Künstlerinnen und Künstler, mit Dropshop zusammenzuarbeiten, ist das Versprechen, dass sie bei jedem Weiterverkauf ihrer Kunst bei Phillips 3 Prozent erhalten. Da Folgerechtabgaben bei Auktionshäusern [in den USA] nicht üblich sind, will Phillips dieses Modell zum ersten der Branche machen. Die Verkaufszahlen der Werke anderer Künstler, die für die Plattform arbeiten, werden monatlich veröffentlicht. Die Vertragsbedingungen der teilnehmenden Künstler/innen mit Phillips werden vertraulich behandelt. Kunstwerke, die direkt aus den Ateliers der Künstlerinnen und Künstler verkauft werden, werden zunehmend in den Tagesverkäufen zeitgenössischer Kunst bei Phillips sowie in den Auktionen von konkurrierenden Häusern wie Sotheby's und Christie's angeboten.“
Die positive Halbjahresbilanz der französischen Versteigerer mit einem Auktionsumsatz von 950 Millionen Euro (ohne Privatverkäufe) garniert Olga Grimm-Weissert im Handelsblatt mit einigen pikanten Details: „Sotheby’s versteigerte am 6. Juli den Nachlass des Schauspielers und Schriftstellers Peter Ustinov. Dort schien es so, als ob Auktionator Pierre Mothes einen Online-Bieter im Glauben ließe, es gäbe Telefongebote gegen ihn, um den Zuschlagpreis für ein Objekt im Wert von etwa 1.200 Euro zu erhöhen. Die drei Angestellten, darunter eine Auktionatorin, die am Telefondesk saßen, krümmten sich vor Lachen. Das konnte sehen, wer wie das Handelsblatt im Saal anwesend war. In seiner Stellungnahme weist Sotheby‘s diese Behauptung entschieden zurück: 'Sotheby‘s führt alle seine Geschäfte in strikter Übereinstimmung mit seinen Geschäftsbedingungen durch.' Es sei für alle Bieter wichtig zu wissen, dass der Auktionator die Versteigerung eines Loses durch Abgabe eines Gebots im Namen des Verkäufers eröffnen könne.“ Zu dem Vorwurf des Hochbietens passt die Stellungnahme allerdings nicht.
Die Schulterklopf-Veranstaltung „Christie's Art + Tech Summit“ in New York hat Barbara Kutscher für das Handelsblatt abgesessen: „In zwanzig jeweils halbstündigen Runden sollten sie [die Teilnehmer] den Status von NFTs, Blockchain und vor allem Künstlicher Intelligenz (KI) abklopfen. Gegenüber Bloomberg Technology hatte [Gastgeber Ddevang] Thakkar das Engagement des Versteigerers so erklärt: 'Wir verstehen uns als neutrale Partei. Jede neue Technologie hat ihren eigenen Lernzyklus und niemand kann diese Herausforderungen allein lösen'. Christie’s habe sich bereits an sechs Start-Ups beteiligt, die alle das Geschäft mit der Kunst voranbringen sollen, berichtete Thakkar, der bereits Führungspositionen bei Microsoft und Artsy bekleidete, auf dem Summit. Vor allem dank des iPhones habe sich der Umfang des Kunstmarktes von 2007 bis 2017 verdoppelt. Er prognostiziert eine weitere Verdoppelung dank KI. Derzeit arbeite Christie’s mit Unterstützung von Microsoft an einem KI-gestützten 'Art Advisor'.“ Völlig unklar bleibt, auf welche Kennziffer sich diese Steile These bezieht. Denn der Umsatz des weltweiten Kunstmarkts war in den beiden genannten Jahren den einschlägigen Untersuchungen zufolge ungefähr gleich groß.
Dass die Gepflogenheiten im Finanzmarkt andere sein können als im Kunstmarkt, erfährt gerade Sotheby's laut einer Meldung von Angelica Villa für Artnews: „Sotheby's wurde als Beklagter in die laufende Klage einer Gruppe von Anlegern wegen der Werbung des Hauses für NFTs aufgenommen, die von der Web3-Firma Yuga Labs verkauft wurden, die vor allem als Muttergesellschaft der viralen Sammlung Bored Ape Yacht Club (BAYC) bekannt ist. Zunächst konzentrierte sich die Sammelklage ausschließlich auf Yuga Labs. In der Klage geht es um den Vorwurf, dass das Unternehmen Investoren bei der Vermarktung der digitalen BAYC-Assets getäuscht hat. In einem Nachtrag zur ursprünglichen Klageschrift vom letzten Freitag behaupten die Investoren, dass Sotheby's aktiv an der 'irreführenden' Vermarktung der BAYC NFTs in den Ergebnissen seiner öffentlichen Verkäufe beteiligt war. In der Klage wird behauptet, das Auktionshaus habe versucht, die NFTs der beliebten Bored Ape Yacht Club-Kollektion zu 'manipulieren'.“ Mitleid wäre an dieser Stelle unangebracht. Wer seinerzeit BYACs gekauft hatte, muss ganz klar als Spekulant bezeichnet werden, der auf schnellen Gewinn aus war – wenn man Geldwäsche als Motiv ausschließen möchte. Sich das versenkte Geld jetzt über Prospekthaftung oder ähnlich fadenscheinige Argumente zurückholen zu wollen, ist billig, aber versuchen kann man's ja mal. Dass man sich als Verkäufer oder Vermittler von möglichen Finanzprodukten vorher schlau machen sollte, hätte man auf der anderen Seite allerdings auch wissen können.
Derweil streichen die beiden NFT-Marktplätze Blur und OpenSea die Küsntklertantiemen bei Wiederverkäufen zusammen, weiß Francesca Aton von Artnews: „In dem Bemühen, die Kosten für den An- und Verkauf von NFTs zu senken, haben die beiden Unternehmen die Tantiemen für Künstlerinnen und Künstler gekürzt, wenn sich die Eigentumsverhältnisse an ihren NFTs ändern. [...] Zwischen August 2021 und Mai 2022 beliefen sich die kumulierten monatlichen Tantiemen nach Angaben von Nansen auf 1,5 Milliarden US-Dollar, mit einem Spitzenwert von 269 Millionen US-Dollar im Januar 2022. Im letzten Monat beliefen sich die Tantiemen auf lediglich 4,3 Millionen Dollar.“
Eine neue Kunstmesse während der Frieze-Woche, die ausschließlich Kunst von Frauen anbietet, stellt Aimee Dawson im Art Newspaper vor: „Die Women in Art Fair (WIAF) hat es sich zur Aufgabe gemacht, 'das Ungleichgewicht zwischen den Geschlechtern in der Kunstindustrie auszugleichen' und bietet Frauen und solchen, die sich als Frauen identifizieren, 'eine Gelegenheit, ihre Arbeiten zu zeigen und zum Austausch von Ideen rund um Geschlecht, Sexualität und Kultur beizutragen', heißt es auf der Website. Die erste Ausgabe findet vom 11. bis 16. Oktober statt, zeitgleich mit der Frieze London und der Frieze Masters, und wird in den Mall Galleries in Westminster veranstaltet.“
Beim Besuch der Bamberger Kunst- und Antiquitätenwochen für das Handelsblatt begegnet Regine Müller einem Neuzugang, der Berliner Kunstszenegängern der Nuller Jahre noch gut in Erinnerung sein dürfte: „Ausschließlich zeitgenössische Kunst präsentiert Thomas Eller in seiner THEgallery. Für die Messe hat er eine Ausstellung mit Werken des ukrainischen Bildhauers Vadim Sidur (1924 bis 1985) zusammengestellt, der als 'Henry Moore der Sowjetunion' galt und sie in einen intimen Dialog mit Werken des über 85-jährigen Zeitgenossen Werner Knaupp gestellt. Der Teilnehmer der Documenta 7 malt in ungebrochener Schaffenskraft einfarbige Bilder. Thomas Eller empfindet sich nicht als Fremdkörper im historischen Umfeld, im Gegenteil: 'Es ist ein schönes Gefühl, hier auf kleinstem Raum einmal quer durch die Kunstgeschichte zu reisen.'“
Zumindest in den USA ist der Wechsel von Kuratoren auf die Dunkle Seite der Macht, sprich den Kunsthandel, immer häufiger zu beobachten. Maddie Klett geht dem Trend für Artnews nach: „Die Stellen in kommerziellen Galerien werden immer begehrter, selbst bei institutionellen Kuratoren, die auf höchster Ebene gearbeitet haben. Im März wurde Kate Fowle, die knapp drei Jahre lang Direktorin des MoMA PS1 war, bevor sie im Juni 2022 unerwartet zurücktrat, als erste leitende Kuratorin der Mega-Galerie Hauser & Wirth eingestellt. [...] Wie bei zahllosen anderen Galerien scheinen die Kuratoren jetzt ihre Praxis als 'artist-first' zu bezeichnen und sich von der Rolle des Kurators als Autor zu lösen, die ein Jahrzehnt zuvor verherrlicht wurde, und stattdessen Einzelprojekte oder Ausstellungen zu betreuen, die von bestehenden Netzwerken angetrieben werden, in denen die Künstler glänzen können.“ Neben den besseren Arbeitsbedingungen scheint auch das höhere Einkommen in der freien Wirtschaft eine Rolle zu spielen.
Die für das Urheber- und Designrecht zuständige 42. Zivilkammer des Landgerichts München I hat laut einer Pressemitteilung entschieden, „Götz Valien ist neben Martin Kippenberger nach § 8 Abs. 1 UrhG Miturheber verschiedener Versionen des Gemäldes 'Paris Bar' und daher als solcher namentlich zu nennen, § 13 UrhG. Ob sich aus der festgestellten Miturheberschaft weitere Ansprüche ergeben, ist nicht Gegenstand des Verfahrens gewesen und folglich ist hierüber auch keine Entscheidung getroffen worden. Auf die Widerklage der Beklagten hin hat der Kläger den Anspruch der Beklagten anerkannt, das Gemälde 'Paris Bar Version 3' nicht als Alleinurheber auszustellen.“ Bei dem Streit scheint es dem klagenden Maler nicht um Geld gegangen zu sein, sondern um die Ehre. Grundsätzlich wird Valiens Anwalt, dessen Meinung Peter Richter in der Süddeutschen Zeitung vom 8. August wiedergibt: „Ideen könne man gar nicht schützen, predigt dagegen wieder und wieder der Anwalt Peter Raue, der in dieser Sache Valien vertritt: Das werde leider offensichtlich nur von Juristen besser verstanden als im Kunstbetrieb. Tatsächlich ist damit nämlich gewissermaßen das Konzept der Konzeptkunst berührt. In der Fachöffentlichkeit hatten sich jedenfalls viele eher für die Position der Kippenberger-Seite ausgesprochen. Das Münchner Gericht, das Raue angerufen hat und das ihm hier nun weitgehend zu folgen scheint, greift damit schließlich nebenbei auch in kunsthistorische Debatten ein. Über Jahrhunderte ging es für Künstler immer wieder auch darum, die mechanischen Künste auf die soziale Höhe der freien Künste zu heben, um Emanzipation vom Handwerklichen ihres Tuns, um die Betonung der intellektuellen Komponente. Eine ganze idealistische Tradition der Kunstphilosophie, gipfelnd bei Hegel, drehte sich um dieses Motiv der Entstofflichung künstlerischer Praxis. Davon sind auch die Debatten heute noch geprägt.“
Dass sich das Gezerre um das Kunstmagazin Art wie eine Vorabend-Soap ausnimmt, könnte am Eigentümer liegen. Anna Ernst berichtet in der Süddeutschen Zeitung vom 17. August vom Rückzieher eines Interessenten: „Große Hoffnung allerdings hatte man für den Verkauf des Kunstmagazins Art. RTL-Manager Rabe hatte sich noch vor wenigen Tagen bei einem Pressetermin zur Vorstellung der RTL-Halbjahreszahlen zuversichtlich gezeigt, schon bald offiziell einen Käufer bekanntgeben zu können. Monatelang dauerten die Verhandlungen bereits an und waren offenbar weit fortgeschritten. Doch nun muss Rabe über den Art-Verkauf wohl neu verhandeln. Nach SZ-Informationen war die Spiegel- Gruppe zuletzt als aussichtsreichster Bieter für Art im Rennen [...] Mehreren Quellen zufolge wäre womöglich ein ganz neues Kulturportal unter dem Markendach entstanden. Nun allerdings zieht sich der Spiegel überraschend zurück. Die Mitarbeiter-KG soll sich in der vergangenen Woche mit der Sache beschäftigt haben, heißt es aus dem Umfeld von RTL. Es heißt, der Preis, den RTL für Art aufgerufen habe, sei der Beteiligungsgesellschaft der Spiegel-Mitarbeitenden zu hoch.“ Schmierenkomödie wäre vielleicht der passendere Begriff, und man könnte lachen, ginge es nicht um Existenzen.