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Kobels Kunstwoche

Schrei vor Glück! Uferhallen in Berlin gehen an "Investoren"; Foto Bodo Kuprak via Wikipedia
Schrei vor Glück! Uferhallen in Berlin gehen an "Investoren"; Foto Bodo Kuprak via Wikipedia
Stefan Kobel

Stefan Kobel

Kobels Kunstwoche 36 2017

Sogar die ZEIT hat den Trend zur kleinen Regionalmesse entdeckt. Eva Karcher erwähnt einige dieser Veranstaltungen, deren einziger gemeinsamer Nenner die terminliche Nachbarschaft zu sein scheint, denn auf die Art Salzburg trifft der zweite Teil des Folgenden definitiv nicht zu: "Was die Galeristen motiviert, ist der Versuch, wieder eine Balance zwischen dem globalen und dem lokalen Kunstmarkt zu finden. Sie haben dabei vor allem jüngere Künstler im Blick, die sie oft von Anfang an aufbauen und fördern. Mit ihnen viel Geld zu verdienen ist zunächst nahezu unmöglich. Hinter der Messe als Salon steht also auch einiger Idealismus." Auf Seiten der Veranstalter oder Teilnehmer? Gerade die auf junge Kunst setzenden Veranstaltungen sind ohnehin Non for Profit-Unternehmen oder von Galerien selbst organisiert. Bei Programmgalerien gehört das Aufbauen von Künstlern zum Geschäftsmodell. Und genau das funktioniert seit einiger Zeit aus verschiedenen Gründen nicht mehr. Zudem hätte es bestimmt nicht geschadet, die Messen auch zu besuchen, über die man schreibt.

Kooperation lautet das Gebot der Stunde. Desillusioniert vom aktuellen Marktbetrieb und entnervt vom Dominanzgehabe ihrer älteren Kollegen, probieren immer mehr Galeristen der nachfolgenden Generation kooperative Ansätze aus. Im Vorfeld des abc-Nachfolgers Art Berlin hat Emily McDermott für Artnet mit jungen Berliner Galeristen gesprochen, die unter dem Titel "Good to Talk" einen Diskurs-Marathon initiiert haben.

Auf Zusammenarbeit setze ebenfalls die Chart Art Fair, zu der Sabine B. Vogel für DIE WELT nach Copenhagen gereist ist. Externe Dinnerparties seien den Teilnehmern, die entweder aus Skandinavien stammen oder Künstler von dort zeigen müssen, nicht gestattet, und "Man veranstalte die Messe nicht, um Gewinn zu machen, sondern um einen Treffpunkt zu schaffen, heißt es. Darum gebe es auch keine Trennwände für die Galerien. Führt das nicht zu unliebsamen Konkurrenzsituationen? Anfangs hätten sich Galeristen gesorgt, dass sie ihre besten Kunden mit den Kollegen teilen, erzählt der Messechef. Schnell aber merkten sie, dass der Austausch in beide Richtungen stattfindet."

2006, als der Berliner Senat unter Wowereit ("Arm aber sexy") gerade im Versilberungsrausch war, wurden die Uferhallen im zentrumsnahen Stadtteil Moabit verkauft, für 6 Millionen Euro. Künstlerateliers, Ausstellungshallen und ein bisschen Gewerbe prägen die beliebte Anlage. Bisher. Denn jetzt habe eine Investorengruppe um einen der Samwer-Brüder (Zalando) das Gelände für 30 Millionen Euro gekauft, berichten mehrere Medien, die auch bereits von Einschüchterungsversuchen der Mieter erzählen. Henri Neuendorf hat die Berichterstattung für Artnet in gewohnter Manier zusammengefasst.

Den Abschiedsbrief, mit dem Jean-Claude Freymond-Guth die Schließung seiner Galerie ankündigt, gehört zum Berührendsten, Ehrlichsten und Klarsichtigsten, was aus der Branche in letzter Zeit zu lesen war. Artnet hat ihn veröffentlicht. Laura Bartlett hat ihre Londoner Galerie ebenfalls geschlossen, wie sie in einem Instagram-Post mitteilt, umrankt von den mittlerweile üblichen Alternative Vermittlungsmodelle-Wortgirlanden.

Mit welchen Strategien Galerien in der Provinz zu gedeihen versuchen, hat Alexander Hosch in Passau für die Süddeutsche Zeitung vom 2. September untersucht. Gefunden hat er zwei Vertreter des alten und neuen Typs. Die erste wirkt irgendwie recht sympathisch, aber nicht zukunftstauglich: "Dieser Standort ist sein vierter. Bis etwa 2000 trug sich die Galerie. Seither sind seine Läden immer kleiner geworden. Welche war die erfolgreichste Präsentation? Stauber, der schon österreichische Maler wie Ernst Fuchs, Hermann Nitsch und Arnulf Rainer zeigte, lächelt sanft. [...] Stauber ist der Kunstlehrer der Stadt, ein Geschichtenerzähler und eine ganz und gar analoge Persönlichkeit. Wer in die Galerie kommt, betritt quasi sein Wohnzimmer. Statt einer Website gibt es erst einmal humorvolle Feinsinnigkeiten und vielleicht eine kleine Einführung in altägyptische oder nigerianische Glaskunst. Immer sind auch eigene Objekte da." Für das Gegenmodell steht eine Galeristin, die Fotografie vermittelt: "Mit viel Chuzpe, Kosten- und Businessplan startete sie 2015. Rund ein Dutzend Schauen gab es seither. Kann sie schon von ihrer Galerie leben? 'Wo denken Sie hin? Ich habe doch erst angefangen. Aber es gibt hier viel Kaufkraft, und Fotografie war ein unbesetztes Feld.' Welche Kunden hat sie, welche braucht sie? 'Menschen ab 40, die über Mittel verfügen und die noch neugierig sind', antwortet Riesinger geradeheraus.[...] Leidenschaft und langer Atem, die Bereitschaft, viele Jahre des Aufbaus einzukalkulieren, scheinen ihre Stärken zu sein. Sie hat 25 Jahre im Marketing und als Firmenberaterin hinter sich, kommt aus der Region, engagiert sich kulturell in der Stadt und setzt voll auf ihre Kontakte und Qualitäten als Netzwerkerin."

Dem Erlass des ersten Kulturgutschutzgesetzes in der Folge des Ersten Weltkriegs und der erzwungenen Abdankung des Hauses Oldenburg ist eine aufwändige Forschungsarbeit gewidmet, die der Mitautor und Direktor des Oldenburger Museums Rainer Stamm in der FAZ vom 2. September vorstellt: "Vor knapp hundert Jahren, nach der Absetzung der deutschen Monarchen nach dem Ende des Ersten Weltkriegs im November 1918, galt es, das Schicksal der deutschen Fürstensammlungen zu verhandeln: ein weit zurückliegendes historisches Datum, das indes bis in die Gegenwart Auswirkungen hat, die deutsche Museumslandschaft bis heute prägt - und nicht zuletzt den Auslöser für den Erlass des Kulturgutschutzgesetzes bildete. In einem zweijährigen, durch das Land Niedersachsen geförderten Forschungsprojekt ist das Schicksal einer solchen Sammlung, von ihrem Aufbau über die teilweise Zerschlagung bis in die Verästelungen des heutigen Kunstmarkts, am Beispiel der ehemals Großherzoglichen Gemäldegalerie Oldenburg untersucht worden."

Über das Zustandekommen nicht nur deutscher Museumssammlungen wird seit längerem heftig gestritten. In diesem Zusammenhang steht das Berliner Humboldt-Forum aktuell im Fokus. Tilman Krause erklärt in DIE WELT: "Und mitnichten gehen die Erwerbungen auf deutsche Plünderungen zurück: Auch damals gab es schon einen ausdifferenzierten internationalen Kunstmarkt. Man arbeitete mit allen möglichen, übrigens auch indigenen Agenten und Händlern zusammen. Also wohl eher kein Grund, der deutschen Lieblingsbeschäftigung nachzugeben und in Sack und Asche zu gehen!"

Italien, das mit einem absurd restriktiven Kulturgutschutzgesetz schon vor Jahren seinen Kunstmarkt fast komplett ins Ausland abgedrängt hat, lockere seine Regelungen etwas, wie DIE WELT vom 2. September meldet: "Durften Kunstwerke bisher schon 50 Jahre nach ihrer Entstehung nicht mehr ausgeführt werden, sind es nun 70 Jahre. [...] Darüber hinaus wurde eine Wertschwelle von 13.500 Euro eingeführt für den Export von Arbeiten, deren Urheber mehr als 70 Jahre tot ist." Mehr Details bieten Hannah McGivern und Anna Brady im Art Newspaper. Sie verkünden auch, dass es im Zuge der Reform Nutzern von Bibliotheken und Archiven erlaubt sein solle, entgeltfrei Fotos anzufertigen und zu publizieren.

Die R+V Versicherungen böten als erstes Unternehmen eine online abzuschließende Kunstversicherung an, meldet und behauptet Christian Siedenbiedel in der FAZ. Der Startpreis liege bei 75 Euro im Jahr. Tatsächlich hat sich AXA Art vor rund 15 Jahren schon einmal an solch einem Produkt versucht. Jahresprämie damals 99 Euro. Heute möchte man wohl nicht mehr so gerne daran erinnert werden.

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Dr. Stephan Zilkens | Zilkens Kunstversicherung