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Kobels Kunstwoche

Fast wie auf der Tefaf: Viennacontemporary; Foto Stephan Zilkens
Fast wie auf der Tefaf: Viennacontemporary; Foto Stephan Zilkens
Stefan Kobel

Stefan Kobel

Kobels Kunstwoche 36 2021

Art Basel unter Druck (wieder einmal): In seiner Antwort auf die in einem Offenen Brief von US-Galerien geforderte Absage der anstehenden September-Ausgabe habe Marc Spiegler versichert, die Veranstaltung Ende September durchführen zu wollen, berichtet Anna Brady im Art Newspaper: „Ein Aussteller, der nicht namentlich genannt werden wollte, sagte Anfang dieser Woche gegenüber The Art Newspaper, er sei der Meinung, dass die Messe erst im Juni 2022 hätte stattfinden sollen. 'Es gibt eine Menge Unruhe. Viele meiner Galeriekollegen haben Bedenken gegen Messen im Herbst, sowohl aus gesundheitlicher als auch aus finanzieller Sicht.' Er fügte hinzu: 'Es ist ein Minenfeld. Keiner unserer Kunden geht [nach Basel]. Die Galerien stecken in einer Zwickmühle: Sie wollen ihre Teilnahme an der Art Basel nicht absagen und ihren Platz verlieren, aber andererseits geht es auch um die Gesundheit ihrer Mitarbeiter und darum, was zu verantworten ist.' Sie befürchten, dass einige Galerien 'den Schlag nicht überleben könnten', wenn die Veranstaltung für sie schlecht läuft.“

Nicht gerade einfacher wird die Situation für die Art Basel durch die Verschärfung der Corona-Maßnahmen, über die Werner Remm im Artmagazine aufklärt: „Auch wenn die Einreise in die Schweiz vor allem für geimpfte Büger:innen aus der EU recht einfach ist, bedeutet das noch keinen einfachen Zutritt zur Messe. Vor der Kunstmesse ist zunächst eine Registrierung im COVID-19 Certification Center auf dem Platz vor der Messe nötig. Um in die Messe zu gelangen ist der EU-konforme grüne Pass und ein gültiges Personaldokument vorzuweisen. Dies gilt aber nur, wenn man mit BioNTEch/Pfizer, Moderna oder Johnson & Johnson geimpft wurde. Astra Zeneca und andere Impfstoffe werden nicht anerkannt und man muss sich vor Ort einem Test unterziehen.“

Art-O-Rama, die kleine Sommermesse in Marseille scheint in diesem Jahr kaum internationales Presseecho gefunden zu haben. Für den Tagesspiegel vom 5. September war Bernhard Schulz vor Ort: „Ja, Pariser Galerien gehen durchaus nach Marseille, weil sie hier ein anderes Pubikum erwarten als auf der hauptstädtischen FIAC. Und auch die Museumskuratoren kommen, die Sammler sowieso. Galerien aus elf Ländern sind vertreten, und es ist nicht ungewöhnlich, dass sie mehr als einen Anlauf brauchen, um die Einladung zur Messe zu erlangen. Die Bedingungen sind formidabel, in der Gestaltung genießen die Aussteller weiten Freiraum. Und doch fügt sich alles zu einem stimmigen Gesamtbild, eher zu einer Gruppenausstellung zeitgenössischer Kunst denn einer Messe mit streng ge trennten Kojen.“ In Frankreich berichtet Emmanuelle Jardonnet für Le Monde (Paywall): „Nach der Absage von 2020 war das Wiedersehen für die Galeristen (etwa dreißig in der Hauptabteilung, überwiegend Europäer) sowie für die Sammler und Neugierigen auf dieser kleinen Messe, die sich auf die aufstrebende Szene konzentriert und erschwingliche Preise bietet, sehr willkommen.“ L'Express veröffentlicht einen AFP-Bericht.

An der Rumpfausgabe der Viennacontemporary lässt Christof Habres in der Wiener Zeitung kaum ein gutes Haar: „Beim künstlerischen Schnellschuss-Konzept, das sich wie eine Erstsemester-Seminararbeit für einen Kuratoren-Kurs liest, kann einem Quereinsteiger Boris Ondreićka leidtun. Im Zuge der Präsentation gewann man den Eindruck, dass sich im Programm kaum Höhepunkte finden lassen […] Die Messe erreicht, bis auf ein paar Ausnahmen […] nicht das künstlerische Niveau vorheriger Ausgaben. Im günstigen Fall gleicht die Viennacontemporary künftig einer kreativen Baustelle, die aktuelle Ausgabe ist jedoch nicht mehr als eine Kunstmessen-Havarie.“ Das Offensichtliche konstatiert Katharina Rustler im Standard: „Experiment schön und gut, aber eines ist klar: Die nächste Ausgabe kann nur besser werden.“ Ich habe mir die Messe und die Galerieausstellungen von curated by für das Handelsblatt und Artmagazine angesehen.

Die gemeinsamen Eröffnungen der rheinischen Galerien im Rahmen von dc open hat Susanne Schreiber für das Handelsblatt besucht: „Im zweiten Coronaherbst ist die Sehnsucht groß, sich selbst in Bezug zu bringen zu echter Kunst im realen Raum. Ersehnt werden auch Gespräche über das, was hinter der Kunst liegt. Kunden möchten wieder ihre Gedanken schweifen lassen beim gepflegten Austausch in der Galerie. Das bestätigen Galeristen, mit denen das Handelsblatt gesprochen hat. Dabei kam auch heraus: In vielen Fällen sind die Kunstwerke gar nicht so unvorstellbar teuer.“

Zum Frankfurter Saisonstart gibt es jetzt Pilgerstempel, hat Andreas Hartmann für die Frankfurter Rundschau erfahren: „Wer einen Spaziergang von Galerie zu Galerie unternimmt, kann dort Stempel sammeln. Erstmals bietet die 'Art Experience' nach einer Idee der Galeristen Peter Sillem und Kai Middendorff eine Rallye an, an deren Ende Kataloge, originale Druckgrafiken und Fotografien zu gewinnen sind."

Überraschung! NFTs sind gar nicht so sicher, wie Apologeten der Technologie gerne behaupten. Durch den Hack der Internetpräsenz von Banksy hat es ein Betrüger geschafft, ein Banksy-NFT für 244.000 Pfund zu verkaufen. Angeblich hat er das Geld abzüglich der Transaktionskosten erstattet, berichtet Landre Bakare im Guardian: „Der Vorfall untergräbt eines der Dinge, die NFTs so attraktiv machen: die Tatsache, dass sie kryptografisch sichere Authentizität bieten. Das Problem ist jedoch, dass die Echtheit davon abhängt, ob der Verkäufer auch wirklich derjenige ist, der er vorgibt zu sein. [...] Die Tatsache, dass einige NFT-Dienste es leicht machen, die Inhalte anderer zu 'tokenisieren', hat Künstler beunruhigt. Einige Dienste ermöglichen es den Nutzern beispielsweise, jeden Tweet in einen handelbaren digitalen Vermögenswert zu verwandeln, während Kunstwerke zu einem beliebten Objekt für die Tokenisierung geworden sind.“

Der vor drei Jahren für eine Million Pfund versteigerte und anschließend teilgeschredderte Banksy landet schon wieder auf dem Auktionblock, meldet AFP, nachzulesen unter anderem bei der FAZ: „Im März war ein Banksy-Bild für rekordbrechende 16,75 Millionen Pfund (19,4 Millionen Euro) versteigert worden, die Erlöse gingen an das britische Gesundheitswesen. 'Love is in the Bin' soll nun am 14. Oktober unter den Hammer kommen, der Schätzpreis liegt bei zwischen vier und sechs Millionen Pfund (etwa fünf bis sieben Millionen Euro).“ Stephanie Dieckvoss meint dazu im Handelsblatt: „Man kann die Aufwertung der Protestaktion durch Museumsleihgaben auch als Schachzug in einem heißen Kunstmarkt bewerten, in dem Banksy Auktionsweltrekorde dauernd purzeln. Der Schreddermechanismus soll gestoppt sein, so dass keine weiteren Veränderungen an dem Bild zu erwarten sind. Wenn die Rechnung der Einlieferin aufgeht, kann sie ihre Investition innerhalb von drei Jahren mindestens vervierfachen; keine schlechte Rendite.“ Wer braucht da noch NFTs, um am Kunstmarkt zu verzweifeln?

Die Halbjahreszahlen der großen Auktionshäuser hat Anne Reimers für die FAZ zusammengestellt: „Die Umsätze von Christie’s, Sotheby’s and Phillips haben sich im ersten Halbjahr deutlich vom Einbruch 2020 erholt. Nach Angaben des Kunstmarktforschungsunternehmens ArtTactic setzten die drei Unternehmen im ersten Halbjahr 2021 zusammen weltweit allein mit Auktionen 5,9 Milliarden Dollar um: etwas über den 5,7 Milliarden Dollar 2019; im ersten Halbjahr 2020 waren es 1,79 Milliarden. Phillips gab seinen eigenen Auktionsumsatz selbst bekannt, allerdings bis in den Juli hinein berechnet, das Ende der Frühjahrssaison: 452 Millionen Dollar, eine Steigerung um fünfzehn Prozent gegenüber 2019 und mehr als viermal so viel wie 2020. Sotheby’s und Christie’s gaben gar keine Umsätze bekannt. Doch nach Berechnungen von ArtTactic spielte Sotheby’s allein mit Auktionen im ersten Halbjahr 2021 etwa 2,84 Milliarden Dollar ein, mehr als das Doppelte der 1,2 Milliarden im gleichen Zeitraum 2020. Für Christie’s schätzt ArtTactic den Auktionsumsatz im ersten Halbjahr auf 2,64 Milliarden Dollar, im Vergleich zu 481 Millionen Dollar zwischen Januar und Juni 2020“.

Die Konzentration im Top-Segment des Kunstmarkts setzt sich fort. Robin Pogrebin berichtet in der New York Times über den Zusammenschluss von Dominique Lévy, Brett Gorvy, Amalia Dayan und Jeanne Greenberg Rohatyn zu LGDR: „Die Partner, die ihre bestehenden Unternehmen auflösen und sich zu einer Einheit zusammenschließen, wollen ein neues Modell des One-Stop-Shop anbieten, das Künstlern und Sammlern den Vorteil bietet, vier erfahrene Händler mit unterschiedlichen Fachgebieten zu haben. Das Konsortium könnte konkurrierenden Kunstberatern, Auktionshäusern und Kunstmessen Marktanteile streitig machen. Um das traditionelle Kunstmarktmodell weiter zu erschüttern, plant LGDR, nicht an teuren amerikanischen Kunstmessen - wie der Art Basel Miami oder der Frieze New York - teilzunehmen, sondern nur an solchen in Asien, wo Messen nach wie vor ein wichtiges Tor zu einer größeren Zahl junger Sammler sind.“

Wenn Museumsdirektoren selbst nichts einfällt und ihre Institution Geld braucht, kommt Leon Löwentraut dabei raus. Kia Vahland seziert in der Süddeutschen Zeitung brillant den Offenbarungseid des Bayerischen Nationalmuseums: „Nun ist niemand, auch kein Künstler, zu ästhetischem Feinsinn oder Interesse an der Gegenwart verpflichtet, und wenn Diskothekenbesitzer, Anwälte oder andere Leute mit genügend Geld gerne mit einem überteuerten Löwentraut-Stück an der Wand angeben, ist das ihre Angelegenheit. Ein Museum aber sollte Maßstäbe haben, welche Kunst zu irgendeiner Form von Erkenntnis beiträgt und welche nicht. Und es sollte zwischen Kunst und Kommerz unterscheiden, will es seine Glaubwürdigkeit nicht aufs Spiel setzen.“

Kanye West hat die Kunstwerke in Berlin mit einem Besuch beehrt, was Saskia Trebing bei Monopol mit gemischten Gefühlen betrachtet: „Der kleine PR-Stunt hat sich offenbar ausgezahlt, denn laut Gruijthuijsen sind die Hoodies inzwischen ausverkauft (Nachschub sei aber auf dem Weg). Man könnte das alles als Hype in einer abwechslungsarmen Sommerloch-Pandemiezeit abtun, aber der West-Besuch zeigt, wie verstrickt Kunst, Mode, Pop und Kommerz und ihre Aufmerksamkeitsmechanismen heute sind. Ein Superstar wie Kanye West kann sich in renommierten Kunstinstitutionen mit kulturellem Kapital und der Aura des kritischen Geistes aufladen, während sich die Häuser ein bisschen Glamour und idealerweise ein neues Publikum jenseits ihrer Nische versprechen (ob das wirklich funktioniert, wäre eine andere Frage).“


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Dr. Stephan Zilkens | Zilkens Kunstversicherung