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Kobels Kunstwoche

Unchained: KI, Krypto & Kunst u.a. mit Paul Seidler, Yasmin Mahmoudi, Anne Schwanz im Radialsystem Berlin
Unchained: KI, Krypto & Kunst u.a. mit Paul Seidler, Yasmin Mahmoudi, Anne Schwanz im Radialsystem Berlin
Stefan Kobel

Stefan Kobel

Kobels Kunstwoche 36 2023

Offensichtlich Freude hat Christof Habres an der Art-o-rama in Marseille, die er bei Parnass zum Ausdruck bringt: „Die diesjährige Art-o-rama präsentiert 59 internationale Aussteller – 40 Kunst- und 19 Designgalerien. Es ist bemerkenswert, dass Aussteller aus Mexiko über Georgien, bis Korea ihren Weg nach Marseille gefunden haben, aber kein Aussteller aus Deutschland verzeichnet ist – wohingegen drei aus Wien (City Galerie gemeinsam mit Shore, Tappeiner und Wonnerth Dejaco) und eine aus Zürich (lange + pult) angereist sind. In der vormaligen Tabakfabrik überwiegen Einzelpräsentationen, maximal zwei Positionen. Es fällt sehr positiv auf, dass die Preisgestaltung moderat gehalten wurde. Das Gros der Werke bewegt sich zwischen 1.500 und 11.000 Euro.

Mit einem Grund zum Feiern meldet sich Andreas Platthaus in der FAZ: „Der Frühjahrsrundgang hatte angemutet wie ein Sicherheitslehrgang in Sachen Kunst; fast nur Malerei und fast nur solche Leipziger Provenienz. An diesem Wochenende aber greifen die Galerien der Baumwollspinnerei beim Herbstrundgang richtig an. Es geht hinaus in die weite Welt und weit zurück in die Geschichte – wofür bei Gegenwartskunst schon dreißig Jahre reichen. Es ist ein Spektakel – auch deshalb, weil eine seit Jahren bestehende Idee des Galeristen Jochen Hempel endlich wahr wird: Am heutigen Abend werden mitten auf dem Spinnereigelände im Freien an einer 150 Meter langen und mit einem von Bastian Muhrs mit Zeichnungen geschmückten Tischtuch bedeckten Tafel 450 geladene Gäste bewirtet.

Eine mittelmäßige Saison attestiert Nicole Scheyerer der österreichischen Auktionsbranche in der FAZ, ohne Umsätze zu nennen: „Ausreißer nach oben bot das erste Halbjahr im österreichischen Auktionsgeschehen wenige. Sichere Nachfrage bestand aber für qualitätsvolle orientalistische Malerei“.

Die Angst vor dem Imageschaden war dann wohl doch stärker als die Profitgier: Christie's verzichtet auf die weitere Verwertung der umstrittenen Juwelen aus dem Nachlass von Heidi Horten, meldet Katya Kazakina bei Artnet. Auch österreichische Medien greifen das Thema auf. Michael Huber schreibt im Kurier: „Die Reaktionen haben uns und viele andere sehr berührt, und wir werden nicht aufhören, darüber zu reflektieren", sagt die Christie's-Präsidentin für Europa und den Mittleren Osten, Anthea Peers in einem Statement. Das Auktionshaus hatte die Wurzeln von Hortens Vermögen zunächst nicht proaktiv thematisiert und reagierte erst nach Medienberichten und Beschwerden wohlhabender Kundinnen und Kunden auf die Thematik.“ Im Standard erklärt Olga Kronsteiner: „Die seit Jahren aus dem Umfeld Hortens orchestrierte Inszenierung als Mäzenin sollte damit wohl einen krönenden Abschluss finden. Es kam anders. Denn bereits im Vorfeld der ersten Auktion hatten jüdische Organisationen wie die US-amerikanische Holocaust Survivors' Foundation (HSF) einen Verkaufsstopp gefordert. Der Dachverband der jüdischen Organisationen in Frankreich bezeichnete die Versteigerungen schlicht als 'unanständig', zumal die Erlöse an eine Stiftung gingen, 'deren Aufgabe es ist, den Namen eines ehemaligen Nazis für die Nachwelt zu bewahren'.“

Druckgrafik als Sammelgebiet nicht nur für Einsteiger empfiehlt Sabine Spindler im Handelsblatt: „Tobias Birr von dem Kopenhagener Grafikhandel 'Borch-Editions' kennt den Markt. Die Dänen haben gestandene Künstler wie Per Kirkeby im Programm, aber auch gerade etablierte wie die afroamerikanische Malerin und 'Documenta'-Teilnehmerin Julie Mehretu und die Multimediakünstlerin Tacita Dean. [...] Wer aufs Artflipping, sprich auf das schnelle spekulative Weiterverkaufen von Kunstwerken zwecks Gewinnmitnahme aus ist, wird um den Grafikmarkt einen Bogen machen. Wertsteigerungen seien am Grafikmarkt im Allgemeinen nicht so extrem, 'dafür ist der Grafikmarkt beständiger', sagt Birr."

KI, Blockchain und andere digitale Innovationen hätten das Potential, die Verhältnisse auf dem Kunstmarkt zugunsten der Künstler verändern, glaubt Susanne Schreiber im Handelsblatt: „Für die Kunstwelt ist das Web3, das dem interaktiven Web2 noch die Verwendung der Blockchain hinzugefügt hat, höchst verlockend. Denn so wird das Internet nicht nur zum Medium der heutigen Ästhetik und Kreativität, sondern auch zu einer Infrastruktur. Die Infrastruktur erlaubt einerseits dem Sammler den Blockchain-verbürgten Besitz von Kunst, der Künstlerin aber Kollegialität und Gemeinschaft mit anderen Kreativen. Das könnte schließlich bis zur Entwicklung von nicht institutionellen Vertriebswegen gehen. Als Ergänzung zum Galeriesystem, nicht zu dessen Abschaffung.“

Die Muttergesellschaft der Art Basel macht wieder Gewinn, geht aus ihrem Geschäftsbericht hervor, den ich für das Handelsblatt zusammenfasse.

Gerade einmal 17 Besucher zählte die virtuelle Hauptversammlung der Artnet AG, die ich für das Handelsblatt besucht habe, inklusive des Stimmrechtsvertreters für übertragene Aktien und mir. Was für ein Unterschied zur Präsenzveranstaltung der Weng Fine Art AG in Düsseldorf in der Woche zuvor, die zwar ein Vielfaches an Besuchern zählte, jedoch nur ein Bruchteil gekostet hat, wie sich auf jeweilige Nachfragen herausstellte. Mit der Differenz hätte man auch eine Vollzeitstelle (zumindest in Deutschland) finanzieren können.

Das Kunstmagazin art scheint jetzt wohl doch nicht verkauft zu werden, meldet dpa: 'Gruner + Jahr-Chef Bernd Hellermann teilte zu 'Art' mit: 'Das Magazin ist profitabel und gut aufgestellt. Wir werden es nun - gemeinsam mit Chefredakteur Tim Sommer und dem gesamten Team - selbst weiterentwickeln.' Die Marke habe mit ihrer 'hervorragenden Positionierung an der Spitze des Segments große Potenziale, insbesondere im Digitalen, die wir erschließen wollen.'“ Um sich im Internet hinten anzustellen, weil man ja seine Online-Aktivitäten bis auf den Shop vor einigen Jahren eingestampft hatte. Vielleicht wäre es zur Abwechslung mal eine gute Idee, Verlage von Verlegern und Zeitschriften von Journalisten führen zu lassen und nicht von quartalszahlengetriebenen Erbsenzählern.

Dass mit einer Ausstellung im NRW Forum jetzt auch Hobby-Kunst von Promis museale Weihen erfahre, hänge mit der Verweigerung ästhetischer Kriterien durch den zeitgenössischen Kunstbetrieb zusammen, kritisiert Hanno Rauterberg in der ZEIT: „Denn mit Avantgarde, mit dem also, was in staatlichen Museen sonst gern gepriesen wird, hat das alles nur am Rande zu tun. Problem nur: Die Avantgarde ist seit Längerem schon tot. Und das Mantra der formalen Innovation, der Entgrenzung und Tabulosigkeit mag niemand mehr hören. Heute diskutiert man in Künstlerkreisen über Care-Ästhetik, darüber, dass die Kunst heilend und hilfreich sein solle. Und auch die Museen verschreiben sich der Inklusion: Alle sollen sich wiederfinden und wohlfühlen. Gerechtigkeit heißt die neue Fortschrittsformel. […] Obwohl es die Kuratoren ungern zugeben, sie stehen vor einer gewaltigen Begründungslücke, ja einem Begründung[s]abgrund. Denn warum werden manche Künstler hoch gehandelt und andere in ihre Hobbykeller verbannt? So gut wie nie wird offen diskutiert, was Museen heute noch unter Qualität verstehen. Wenn formale Aspekte bei der Bewertung keine Rolle mehr spielen, worum geht es dann?“ Einerseits möchte man dem Autor in Stammtischmanier „Genau! Recht hat er“ zurufen. Andererseits spricht aus dem schlechtgelaunten Rant eine etwas ein generelles Misstrauen gegenüber der aktuellen Kunstszene, das ihr zu allen Zeiten entgegengeschlagen ist. Nur trifft es in diesem Fall nicht die Künstler, sondern die Kuratoren, die der Autor als Übeltäter ausgemacht hat. Und „manche Künstler hoch gehandelt“ fragt man sich vor allem auf Kunstmessen und bei den Zeitgenossen-Auktionen, die nämlich in vielen Bereichen längst die Deutungshoheit übernommen haben. Das ist das eigentliche Problem, nicht die woke Diskursblase, die Rauterberg wahrscheinlich meint, ohne sie zu benennen.

Der Skandal im British Museum lässt Tobias Timm für die ZEIT nach Deutschland und auf die hiesigen Defizite blicken: „Auch in vielen deutschen Museen, so hört man von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die anonym bleiben wollen, gibt es noch Kisten mit antiken Objekten, Grafikkonvoluten, Nachlässen, die schlecht dokumentiert sind – und so zur leichten Beute von Dieben werden könnten. Das Sammelgut bleibt zudem meist auch unerforscht und ungesehen. Es sei eine der großen Aufgaben des 21. Jahrhunderts, sagt die in Berlin und Paris lehrende Kunsthistorikerin Bénédicte Savoy, ein politisches Bewusstsein dafür zu schaffen, dass das, was europäische Museen hüten, sich nicht in ihrem alleinigen Besitz befindet, sondern in der Verantwortung der allgemeinen Öffentlichkeit liegt – im ethischen wie im materiellen Sinn. 'Je vollständiger und transparenter eine Sammlung im Internet zugänglich ist, desto besser lässt sich dieser Verantwortung weltweit gerecht werden und desto sicherer ist das für das Kulturgut.'“

Vom Streit der Türkei mit dem Cleveland Museum in Ohio um eine Bronzestatue Marc Aurels mit einem geschätzten Wert von 20 Millionen Dollar berichtet Tom Mashberg in der New York Times. Die Geschichte bleibt für Außenstehende (inklusive der zahlreich berichtenden Meiden) schemenhaft, das sich weder die beiden streitenden Parteien, noch das New Yorker Gericht, das die Beschlagnahme der Statue angeordnet hat, zu Details äußern zu wollen scheinen.

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Dr. Stephan Zilkens | Zilkens Kunstversicherung