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Kobels Kunstwoche

Eile mit Weile - Art Basel 2021; Foto Stefan Kobel
Eile mit Weile - Art Basel 2021; Foto Stefan Kobel
Stefan Kobel

Stefan Kobel

Kobels Kunstwoche 39 2021

„Schaumgebremst“ - so beschreibt Christof Habres in der Wiener Zeitung keine Poolparty, sondern die verhaltene Stimmung auf der Art Basel: „Euphorie ist anders. Nach den Eröffnungstagen der renommierten Kunstmesse, die nach einem Jahr an Absagen wieder an ihren Heimatort zurückgekehrt ist, beschreibt ein Wort die Stimmung am besten: schaumgebremst. Auf der einen Seite sind Galeristen und Sammler erfreut darüber, dass die Art Basel stattfinden kann, auf der anderen Seite vermissen Kunstinteressierte die Euphorie, die für die ersten Stunden der Messe charakteristisch war. Unter dem Motto: Wer ergattert einen Bacon, Basquiat, eine Mehretu oder doch einen Picasso? Nun, der Wettlauf nach den exklusivsten Stücken ist vorerst einmal vorbei.“

Die Zurückhaltung bei Ausstellern wie Käufern erklärt Scott Reyburn in der New York Times: „Die Schweizer Ausgabe der Art Basel hat seit langem den Ruf, die wichtigste Kunstmesse zu sein, auf der Top-Händler Trophäen in Museumsqualität anbieten. Doch in diesem Jahr, in dem reiche Sammler aus Amerika und Asien abwesend waren, waren Meisterwerke rar gesät. 'Die Galerien waren vorsichtig', sagt Marta Gnyp, Kunstberaterin und Händlerin in Berlin. 'Sie haben nicht viele umwerfende Werke mitgebracht. Man hebt sie für Momente auf, in denen man sich 100-prozentig sicher ist, sie zu verkaufen - im Moment gibt es zu viel Unsicherheit.'“

So dramatisch sei die Abwesenheit amerikanischer Sammler in Basel gar nicht, hat James Tarmy von den Ausstellern für Bloomberg erfahren: „Das schien die etwas überraschende Erkenntnis der am stärksten eurozentrischen Art Basel der letzten Jahre zu sein: Obwohl der US-Markt immer noch schätzungsweise 42% des weltweiten Kunstmarktes ausmacht, sind die Amerikaner zwar nett, aber nicht notwendig für das Geschäft. 'Es gibt nicht viele Amerikaner hier', sagt [Arne] Glimcher, der in den ersten drei Stunden der Messe 20 Kunstwerke verkauft hat. 'Aber offensichtlich brauchten wir sie nicht.'“ Was man halt so im Wald vor sich hin pfeift.

Eine andere Wahrnehmung der Art Basel hat Rose-Maria Gropp in der FAZ: „Die geladenen Gäste strömten gefühlt genauso zahlreich in die Hallen 1 und 2 wie schon immer, jetzt ausgestattet mit einem Bändel am Arm als Nachweis für Impfung, Genesung oder Test und ständig mit Mundschutz. Zwar sind nur wenige Amerikaner und asiatische Besucher gekommen, aber die Klientel des finanzkräftigen Europas tritt geschlossen an. Deren Kauffreude ist ablesbar an den zahlreichen Abschlüssen, die von den ersten Stunden an gemeldet wurden. Ein Fachbegriff aus der Wirtschaft lautet 'Überliquidität'; er bedeutet, dass jetzt womöglich noch mehr Geld als vor dem Ausbruch von Covid-19 vorhanden ist, das untergebracht werden will: Der Kunstmarkt im Spitzensegment boomt entsprechend. Und die Art Basel ist das ersehnte ganz große Fest.“ Ein Fachbegriff aus dem Rechtswesen lautet „Mindermeinung“.

Von den wohl tatsächlich besser als befürchtet ausgefallenen Verkäufe im Primärmarkst-Segment schließt Gerhard Mack in der NZZ vom 26. September auf die gesamte Art Basel: „Am ersten Abend war die Erleichterung gross: Zwar fehlten wegen strenger Quarantäneregeln die Sammler aus Fernost, und auch aus den USA waren weit weniger gekommen als vor der Pandemie. Doch an ihrer Stelle kamen Europäer. Deutsche, Italiener und Franzosen, aber auch Belgier, Niederländer und viele Skandinavier, die neue Reisefreiheiten nutzten. Und viele kauften. 'Wir wissen nicht, wieso, aber wir haben so gut verkauft wie noch nie', sagte Urs Meile aus Luzern. Damit ist er nicht alleine. Die Wiener Galeristin Rosemarie Schwarzwälder von Nächst St. Stephan hat von fast allen Künstlerinnen und Künstlern verkauft. Dem Zürcher Newcomer Gregor Staiger leuchten die Augen, wenn man ihn nach seinen Erfahrungen fragt: 'Es ist das passiert, wovon wir nicht zu träumen gewagt hatten. Wir hatten sehr gute Gespräche und Verkäufe.'“

Den Rückfall in alte Gewohnheiten beklagt Kito Nedo in der Süddeutschen Zeitung: „Dass der Markt auf das bewährte Medium der Malerei zurückfällt, wenn die Zeiten unsicherer werden, wird in der 'Unlimited'-Halle mustergültig vorgeführt. Dass aber in der großen Überzahl Kunst von Männern ausgewählt wurde, verleiht dieser von Giovanni Carmine kuratierten Sektion trotz Ausnahmen dann doch den Frischegrad von altem Brot.“

Zusammen mit Susanne Schreiber habe ich Art Basel-Direktor Marc Spiegler für das Handelsblatt zur aktuellen Ausgabe der Messe befragt. Die Art Basel habe ich für Artmagazine besucht, einige Nebenmessen ebenfalls für Artmagazine und Handelsblatt.

So punktgenau und herzerfrischend übrigens die Instagram-Memes von Jerry Gogosian auch sind, so sturzöde und unlustig ist ihr Erlebnisbericht für Artsy.

Es sei nur noch eine Frage der Zeit, bis für ein Kunstwerk der Preis von einer Milliarde Dollar gezahlt werde, ist sich Oliver Barker von Sotheby's im Gespräch mit Dennis Kremer für die FAS vom 26. September sicher: „Ich kann Ihnen nicht versprechen, dass es dazu schon im nächsten Jahr kommen wird, aber auf absehbare Zeit halte ich einen solchen Preis für möglich. Wir sind in einem Geschäft, in dem man auch träumen darf. Es gibt genügend Milliardäre und genügend beeindruckende Kunst. Warum sollte das also nicht passieren?“ Vor allem, wenn sich Kunstwerke dank Tokenisierung wie Aktien handeln lassen und sich entsprechende Investment-Vehikel in naher Zukunft um die teuerste Trophäe balgen werden.

Wie Gemeinschaftseigentum klammen Museen helfen kann, auch weiterhin ihre Bestände zu erweitern und wie sich das praktisch umsetzen lässt, hat Claire Selvin für Artnews untersucht: „'Ich halte Miteigentum für großartig', sagt MFAH (Museum of Fine Arts, Houston)-Direktor Gary Tinterow. 'Es ist eine ganze Menge Kunst unterwegs. Wir alle leiden unter unzureichender Lagermöglichkeiten, und unsere Ausstellungsräume stehen ständig unter Druck. Kunstinstitutionen müssen dem Publikum das reichhaltigste, beste, vielfältigste und aufregendste visuelle Erlebnis bieten", so Tinterow. 'Das ist unsere Aufgabe. Und eine Möglichkeit, das zu tun, ist, Kunstwerke zu besitzen. Eine andere Möglichkeit besteht darin, Kunstwerke auszuleihen. Eine andere Möglichkeit ist, gemeinsam Kunstwerke zu besitzen. [...] 'Es scheint ein großartiger Weg für alle unsere Institutionen zu sein', sagt Morgan. 'Im Kern geht es darum, dass man die Werke sehen kann, und ich glaube, wir sind alle unzufrieden, wenn wir an all die Werke denken, die aus dem einen oder anderen Grund nie ausgestellt werden. Dies scheint in vielerlei Hinsicht ein zukunftsweisender Schritt zu sein, und es sieht definitiv nach der Zukunft des Sammlungsaufbaus aus.'“ Für diesen Zweck bieten sich übrigens tatsächlich NFTs an, denn über sie lassen sich Eigentumsanteile definieren, tauschen und die Verträge sicher und transparent verwalten.

Irgendwas-mit-Kunst-im-Internet ist noch gar nicht so lange her - heute ist Irgendwas-mit-Kunst-und NFTs angesagt; Neuzugang die Auktionsplattform ArtOfficial, die der Galerist Vito Schnabel zusasmmen mit Gary Vaynerchuk betreibt. Wikipedia beschreibt den US-Amerikaner russischer Absatmmung als „Multiunternehmer, Autor, Influencer, Sprecher und international wahrgenommene Internetpersönlichkeit“. Shawn Gassemitari stellt das Projekt und die ersten NFTs von Francesco Clemente bei Hypebeast vor.

Die Möglichkeiten von NFTs lotet Kolja Reichert in seinem neuen Buch aus, von dem ein Auszug in der FAS vom 26. September vorab erschienen ist. Der Programmkurator für Diskurs an der Bundeskunsthalle ist überzeugt, die neue Technologie rüttle an den Grundfestfesten unserer Kultur: „Mit Krypto-Kunst wird der semiotische Karneval weiter angefacht, der im Banden-Investment um den Softwarehändler Gamestop einen Höhepunkt fand und von Tesla-Chef Elon Musk mit seinen Bitcoin- und Dogecoin-Spielereien munter weiter befeuert wird. Die Scharniere der Kultur sind am Zittern, ihr Code flirrt. Und möglicherweise muss in diesem Sturm die Kunst, wie wir sie kannten, mit ihren langfristigen Wertbildungen und Bildungsvoraussetzungen, ihre Rolle und ihre Ansprüche neu erklären und legitimieren.“

Derweil hat China die Kurse von Kryptowährungen mit einem Verbot auf Talfahrt geschickt, wie Dieter Petereit bei t3n berichtet: „Ab sofort sollen Krypto-Transaktionen jeder Art als illegale Finanzaktivitäten betrachtet und entsprechend verfolgt werden, kündigt die [chinesische National-]Bank an. Dazu sollen auch alle Dienstleistungen gehören, die von Kryptobörsen außerhalb des Landes angeboten werden. Kryptowährungen dürfen nicht mehr in Umlauf gebracht werden.“ Ob das nur einer der letzten Schritte ist auf dem Weg zu einer eigenen staatlichen Kryptowährung oder die konsequente Antwort auf die Bedrohung der fiskalischen Souveränität, scheint unklar.

Design Miamis Expansion nach Doha in Zusammenarbeit mit der quasi-staatlichen Qatar Foundation meldet Tom Seymour im Art Newspaper. Da wächst zusammen, was zusammengehört.

Der neue CEO von Phillips war zuvor COO bei Christie's und davor CFO bei einer Investmentbank. Er löst Ed Dolman an der Spitze des Auktionshauses ab. Marion Maneker hat mit ihm für Artnews über die Zukunft des Unternehmens und des Kunstmarkts gesprochen: „Ich bin überzeugt, es gibt neue Produktkategorien in Form von Uhren, Turnschuhen, mehr Designmaterial, andere Künstler, andere Arten von Künstlern. Es war schon immer ein Auktionshaus, das den Schwerpunkt auf die Erschließung neuer Künstlermärkte gelegt hat. Es ist der Ort, an dem die Leute gerne experimentieren.“ Allerdings werden die ersten drei Kategorien in der Regel nicht von Künstlern, sondern von Konzernen hergestellt. Die Betrachtung von Künstlern als Produktkategorie sagt eigentlich schon mehr als der gesamte Wortlaut des Interviews.

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Dr. Stephan Zilkens | Zilkens Kunstversicherung