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Kobels Kunstwoche

Roman Abramowitschs Yacht; Foto Keld Gydum via Wikimedia
Roman Abramowitschs Yacht; Foto Keld Gydum via Wikimedia
Stefan Kobel

Stefan Kobel

Kobels Kunstwoche 39 2023

Mit ihrem Fokus auf Kunst aus Nordafrika und dem Nahen Osten hat sich in Paris die Messe Menart etabliert, die Werner Bloch für den Tagesspiegel besucht hat: „Doch wer Neues erschnuppern und Perspektiven jenseits des traditionellen westlichen Blicks entdecken will, der liegt hier goldrichtig. 'Die arabische Gegenwartskunst hat in den letzten zehn Jahren exponentiell an Bedeutung gewonnen', sagt Laure d’Hauteville, die Gründerin, Direktorin und Managerin von MENART. […] Klar, dass Kunst und Kunstmarkt in dieser Region viel mit Politik zu tun haben. Es ist kein Zufall, dass das französische Kulturministerium inzwischen die MENART unterstützt. Überhaupt scheint Frankreich näher an der Region dran zu sein als Deutschland. Der Künstler Morteza Khosravi hat jedenfalls beschlossen, sich den Gefahren in seiner Heimat nicht länger auszusetzen. Er zieht mit seiner Ehefrau nach Paris. Die französische Botschaft in Teheran hat ihm ein talent visa' ausgestellt.“

Die Fusion von Fine Art Paris und Biennale zur Kunst- und Antiquitätenmesse FAB geht mit dem Rückzug des einst übermächtigen Syndicat National des Antiquaires einher, melde ich für das Handelsblatt. Für die Tefaf könnte damit ein mächtiger Wettbewerber auf dem europäischen Festland entstehen.

Die Art Basel (Pressemitteilung) hat mit Hayley Romer einen Chief Growth Officer und mit Craig Hepburn einen Chief Digital Officer eingestellt, die Kabir Jhala im Art Newspaper vorstellt.

Die jüngsten Dämpfer für David Zwirner nimmt Charlotte Burns zum Anlass, für das Art Newspaper die Bedingungen zu untersuchen, unter denen die sehr kleine Elite der Mega-Galerien arbeitet: „In den letzten Jahrzehnten haben sich Kunsthandel und Immobilien für Händler immer mehr verflochten. Mit der Vergrößerung des Marktes hat sich auch der erbitterte Wettbewerb zwischen den Händlern um das beste Angebot an Werken verschärft. Begehrte Künstlerinnen und Künstler erhalten von ihren Konkurrenten regelmäßig Angebote für mehr Platz und häufigere Ausstellungsmöglichkeiten sowie einen besseren Zugang zu verschiedenen internationalen Märkten - und damit potenziell auch mehr Geld und Karrieredynamik. Aus diesem Grund sehen sich viele Händler gezwungen, ihr Imperium zu vergrößern und mehr Ausstellungsfläche zu erwerben, um ihre Programme vor Wilderern zu schützen (oder um sich selbst besser als die Wilderer zu positionieren).“

95 Prozent aller NFT-Sammlungen seien inzwischen wertlos, berichtet Jörn Brien bei t3n: „Demnach soll es derzeit 73.257 NFT-Sammlungen geben, von denen 69.795 – oder gut 95 Prozent – komplett wertlos sind. Dadurch sollen fast 23 Millionen Investor:innen Geld verloren haben. Ebenfalls interessant: 79 Prozent aller erstellten NFT-Sammlungen wurden gar nicht erst verkauft. Durch dieses deutliche Angebotsplus dürfte es auch künftig schwer werden, den Markt wieder anzukurbeln“ Der Autor beruft sich ebenso wie Phil Rosen im Business Insider auf eine Untsersuchung des NFT Gaming-Spezialisten Vlad Hategan für die Plattform dappGambl. Hätte uns doch bloß jemand vorher gewarnt, dass das ganze NFT-Spektakel lediglich ein Pyramidenspiel ist!

Roman Abramowitsch soll Kunst im Wert von rund einer Milliarde Dollar besitzen und seine Sammlung durch Offshore-Firmen an den Sanktionen vorbeischleusen, haben mehrere Medien in einer gemeinsamen Recherche herausgefunden. Das ZDF-Magazin Frontal schreibt: „Aus den geleakten Unterlagen geht nicht nur die bisher unbekannte Dimension der Sammlung hervor, sondern auch, wer trotz Russland-Sanktionen von der Sammlung profitiert. Eine wichtige Rolle in den undurchsichtigen Geschäften spielt der zypriotische Finanzdienstleister MeritServus. Die Firma verwaltete Dutzende Abramowitsch-Firmen und wurde aus diesem Grund von der britischen Regierung sanktioniert. MeritServus half Abramowitsch möglicherweise, Sanktionen zu umgehen - mit einem Trick. […] Und jetzt kommt der Trick ins Spiel: Nur drei Tage nach dieser Sanktions-Ankündigung änderten die Treuhänder der Ermis Trust die Anteile: Plötzlich hatte Schukowa laut Dokumenten 'unwiderruflich Anrecht' auf 51 Prozent der Ausschüttungen des Trusts, Abramowitsch nur auf 49 Prozent. Die Sanktionen greifen aber generell nur, wenn die sanktionierte Person mit mehr als 50 Prozent an dem Vermögenswert beteiligt ist.“ Einen deatillierteren Bericht legen Rob Davies und Jonathan Jones vom Guardian vor.

Das Für und Wider eines Restitutionsgesetzes, praktische Vorschläge und Hinweise auf Hindernisse haben Swantje Karich und Marcus Woeller bei je drei Anwälten und Kunstversteigerern für die WeLT (Paywall) zusammengetragen. Der Berliner Jurist Peter Raue etwa ist skeptisch: „Es ist weder Zufall noch Trägheit, dass es ein Restitutionsgesetz noch nicht gibt. Und es wird es in nächster Zeit nicht geben. Zu viele insbesondere privatrechtliche Regelungen müssten dafür geändert oder aufgehoben werden. Verjährungsfragen etwa dürfen nicht nur für Werke geändert werden, die unter die Regelung der Washingtoner Erklärung fallen, das wäre unzulässig. Wären die Entscheidungen der Kommission rechtsverbindlich, hätten sie die Kraft eines Gerichtsurteils und bedürften rechtlicher Überprüfungsmöglichkeit. Ich halte ein solches 'Sondergericht' aber verfassungsrechtlich für problematisch. Der Gesetzgeber müsste nämlich viele verfassungsrechtlich gesicherte Positionen eines Gerichtsverfahrens neu regeln – Verbot der Rückwirkung von Gesetzen, Anspruch auf ein ordentliches gerichtliches Verfahren, Gewährung des rechtlichen Gehörs.“ Einig sind sich die Experten jedoch in der Auffassung, dass der Staat und seine Institutionen aufhören müssten, sich auf Kosten von Erben und Eigentümern einen schlanken Fuß zu machen.

Wie erforderlich eine verbindliche und praktikable Regelung ist, zeigt ein aktueller Fall, über den Ursula Scheer in der FAZ berichtet: „Am Ende ging alles ganz schnell bei Neumeister in München: 40.000 Euro waren für den Anfang geboten, ein Telefonbieter aus dem Ausland setzte 45.000 Euro dagegen, schon war Frans Franckens barockes Tafelbild von Jesus bei der 'Bergpredigt' verkauft – innerhalb der Schätzung von 40.000 bis 60.000 Euro. Ganz gleich, wie kurz, glanz- und schmerzlos die Sache vonstattenging im mäßig besetzten Auktionssaal, dürfte der Hammerschlag bei allen Beteiligten doch Aufatmen ausgelöst haben. Das Gemälde, über dem ein nicht aufzulösender Schatten der NS-Vergangenheit liegt, ist vermittelt und zumindest für den Moment aus dem Kunsthandelslimbus befreit, in dem es jahrelang geschwebt hatte.“ Diese Unsicherheit führe auch zu unschönen Auswüchsen, hat Sabine Spindler für das Handelsblatt erfahren: „Empörend fand [Neumeister-Chefin] Katrin Stoll das Angebot zweier internationaler, in Sachen NS-entzogener Kunst engagierter Institutionen, deren Geschäftsmodell auf Restitutionsfragen fußt. 'Sie wollten es zu einem Dumping-Preis rauskaufen und selbst vermarkten'“.

Berlins Kultursenator Joe Chialo von der CDU will die von seinem Vorgänger Klaus Lederer (Linke) gerade erst aufgesetzte Förderung für Projekträume in Höhe von einer Million Euro im Jahr wieder streichen, berichtet Patrick Wildermann im Tagesspiegel (Paywall): „Bereits seit 2020 existiert für Projekträume und -initiativen in Berlin eine zweijährige Basisförderung, ausgestattet mit 800.000 Euro. Nicht viel Geld angesichts der Breite und Diversität der Szene. Weshalb von Lederers Kulturverwaltung beschlossen wurde, für die Jahre 2024 bis 2027 zusätzlich eine vierjährige Konzeptförderung einzuführen, wie es sie in den darstellenden Künsten schon lange gibt – für Gruppen, Künstler:innen und Produktionsorte. […] Am Nachmittag spricht [CDU-Sprecher Robin] Juhnke von der 'Verwaltungslogik', der so ein Haushaltsentwurf nun mal unterliege: 'Was erst kürzlich zu Zuwachs geführt hat, wird als erstes wieder gestrichen'.“ Das dürfte nicht die letzte Kröte sein, die die freie Kunstszene der Stadt angesichts der antehenden Sparzwänge Berlins schlucken muss, zumal der Senator als fachlich weniger versiert gilt als sein Vorgänger.

Was passiert, wenn der Bund – noch dazu an den Fachleuten vorbei - mit viel Geld in die Kultur grätscht, zeigt Christiane Fricke im Handelsblatt anlässlich der Vorstellung des Gründungsteams des Deutschen Fotoinstituts in Düsseldorf durch Kulturstaatsministerin Claudia Roth: „Beide von Monika Grütters beauftragte Gutachten hatten vor diesem Hintergrund eine Präferenz für Essen ausgesprochen. Eine Empfehlung, der der Haushaltsausschuss Ende 2019 zuvorkam, als er hinter dem Rücken der Kulturstaatsministerin 41,5 Millionen Euro für ein Deutsches Fotoinstitut – mit Präferenz für Düsseldorf – in Aussicht stellte. Erstaunlich, wie sich die Dinge biegen lassen, wenn man nur lange genug daran arbeitet. Auf der Strecke bleiben der gesunde Menschenverstand und das Vertrauen in die Kultur politischer Entscheidungsprozesse. Der Bundestag hatte seinerzeit die Entscheidung getroffen, ohne dass das Anliegen zuvor im Kulturausschuss behandelt wurde. Da half auch nicht, dass der Bund der Steuerzahler die fehlende Begründung monierte und die Stadt Essen das intransparente Procedere einer verfassungsrechtlichen Begutachtung unterziehen ließ.“

Mit einer Woche Verspätung befasst sich Kira Kramer in einem als Kommentar gekennzeichneten Artikel für die FAZ mit dem Bild des legendären Fernsehmalers Bob Ross, das eine Galerie in Minneapolis für 9,85 Millionen US-Dollar zum Verkauf stellt (in der FAZ gerundet auf 9,9 Mio.). Doch statt den aufgerufenen Preis als PR-Gag zu verhandeln, wie es nicht nur Kollegen, sondern sogar der Galerist selbst zuvor getan haben, nimmt sie ihn ernst und bastelt daraus einen Elitismus-Vorwurf: „Ross wollte nicht nur der Maler der Masse sein, er wollte, dass die Masse die Malerei lieben lernt. Der Preis für sein nun zum Verkauf stehendes Gemälde dürfte das Gegenteil bewirken. Bei dem aufgerufenen Preis können sich einen Kauf nur die wenigsten leisten.“

Die Umstände des Einbruchs in das Ostasiatische Museum scheinen wieder einmal alle möglichen Vorurteile über den kölschen Schlendrian zu bestätigen. Regine Müller hat für das Handelsblatt Haarsträubendes zusammengetragen: „Auf die Frage nach der Sicherheitslage des Museums wird der Kunst-Experte Christoph Bouillon überraschend deutlich: 'Man darf sich fragen, ob der Versicherer das nicht als grob fahrlässig einschätzt. Nach zwei Einbruchsversuchen ist das Fenster nur mit einem Brett vernagelt?' Nach wie vor gibt es keine Spur vom Diebesgut. Man darf wohl davon ausgehen, dass es sich längst außer Landes befindet auf dem Weg zu seiner potenziellen Kundschaft. Die dürfte in Asien auf die Lieferung warten, vermutet Bouillon: 'Wenn ich denke, wer solches Porzellan bei den Auktionen kauft? Das sind zu 98 Prozent chinesische Sammler.'“


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Dr. Stephan Zilkens | Zilkens Kunstversicherung