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Kobels Kunstwoche

Vom Banksy-Boom wollen viele profitieren; Foto Stefan Kobel
Vom Banksy-Boom wollen viele profitieren; Foto Stefan Kobel
Stefan Kobel

Stefan Kobel

Kobels Kunstwoche 43 2020

Ein Lehrstück darüber, wie der Kunstmarkt als Investmentmaschine funktioniert und wie ein gewiefter Künstler mit ihm spielen kann, ist der Banksy-Boom, der seit Ausbruch der Corona-Pandemie noch einmal ungeheuer zugelegt hat. Charlotte Stewart analysiert das Phänomen für den britischen Standard: "Es gibt zwei Hauptgründe, warum der Banksy-Markt inmitten einer globalen Pandemie floriert. Der erste ist die Authentifizierungsstelle von Banksy, Pest Control, und ihr unüberwindbarer Zertifizierungsprozess - in einer Welt, in der einem Fälschungen allzu leicht untergejubelt werden - haben sie ihn fast fälschungssicher gemacht, solange man sich an die Regeln hält. Das hohe Maß an Vertrauen, das dadurch geschaffen wurde, ist mitverantwortlich für die Leichtigkeit, mit der Käufer und Verkäufer operieren können. Zweitens hat Banksy seit 2010 nichts mehr zur allgemeinen Veröffentlichung produziert, was bedeutet, dass das Angebot endlich ist. Natürlich war dieses ganze Spektakel von Anfang an die Idee des Künstlers selbst."

Ein kleines Einmaleins zum Sammeln von Fotografie ist das Interview von Damian Zimmermann mit der Kölner Expertin Simone Klein in der aktuellen Ausgabe von ProfiFoto (PDF): "Kunst als Kapitalanlage ist eine vielschichtige Sache - und bei Fotografie noch mehr. Ganz grundsätzlich kann man aber sagen: Vintage hat langfristig mehr Potential, weil es kein Spekulationsobjekt ist. Du wirst einen Vintage-Abzug aus den 1920er bis 1960er Jahren leichter wieder verkaufen können, einfach weil er meist rarer ist und als 'authentischer' gilt als ein Modern Print. Aber das Wert-Verhältnis vom Vintage zum späteren oder posthumen Abzug ist ein kompliziertes, und unter bestimmten Bedingungen können spätere Abzüge sogar mehr wert sein als der entsprechende Vintage-Print. In der zeitgenössischen Fotografie gelten andere Regeln. Da geht es um die Inhalte, die Entwicklung des Künstlers, seine Verkaufsstrategie und seine Vertretung auf dem Primärmarkt, seine Platzierung in privaten und institutionellen Sammlungen sowie seine Teilnahme an Ausstellungen, die letztendlich zu seiner Präsenz auf dem Sekundärmarkt und zu steigenden Preisen führen."

Am Beispiel von Andreas Gursky zeichnet Eileen Kinsella bei Artnet die abschüssigen Marktkarrieren von Fotografen der Düsseldorfer Schule nach.

Auch aus der Analyse eher unspektakulär verlaufender Auktionen lassen sich Erkenntnisse gewinnen, wie Stephanie Dieckvoss in ihrem Nachbericht zu den Terminen in Paris und London im Handelsblatt demonstriert: "Es sind die jungen Künstler, die Gebote auf sich ziehen und deren Schätzungen oftmals verdoppelt oder verdreifacht werden. Mag es sich bei dem Interesse vor allem an Künstlern mit afrikanischen Wurzeln auch teilweise um Spekulation handeln, so reflektiert es doch vielleicht auch eine Müdigkeit an den immer wieder gehandelten Namen. Ein Wechsel in der Käuferschicht und damit auch im Geschmack zeichnet sich sicher ab. Bastienne Leuthe betont, dass bei Sotheby's 23 Prozent der Bieter und Käufer unter 40 Jahren alt waren." Und eine Monet-Parodie von Banksy war begehrter und erzielte einen deutlich höheren Preis als ein Portrait von Picasso.

Die schwindende Bedeutung Großbritanniens umschreibt Marian Goodman mit freundlichen Worten im Interview mit Sarah Douglas für Artnews zu ihrer Entscheidung, die Niederlassung in London zu schließen und durch eine kleinere Struktur zu ersetzen: "Unser Umdenken über London begann eigentlich mit dem Brexit und der Bewertung seiner Auswirkungen auf die Rolle Großbritanniens im größeren Markt der EU. Wir haben 1995 unsere Galerie in Paris eröffnet und bauen seither unsere Präsenz in Europa aus. Unsere langfristige Investition in Paris war bedeutend und verschafft uns einen Vorteil, vor allem jetzt, da der Brexit für alle Galerien Unsicherheit und Komplexität mit sich bringt."

Ein starkes Argument für Kunstmessen im realen Raum hat Christiane Fricke bei ihrem Besuch der Munich Highlights für das Handelsblatt gesehen: "Quer durch alle Genres, Kunstgattungen und Epochen reicht die Offerte an ausgesuchten, aber auch gefälligen Objekten. Und für alle schuf der bewährte Messedesigner Tom Postma die glanzvolle Bühne. Das ist inmitten des geschichtsträchtigen Ambientes genau der Rahmen, in dem ein für das Schöne empfängliches und auch betuchtes Publikum gerne Geld ausgibt. Wie unsinnlich und ohne Flair erscheint im Vergleich dazu ein Onlineauftritt wie ihn die Messe auf Artsy anbietet. Auch wenn das digitale Schaufenster nicht mehr wegzudenken ist. Es ist nur Ersatz."

Kleiner ist bei Kunstmessen besser, so das Fazit von Farah Nayeri in der New York Times, die dazu einen amüsanten Vergleich von einem Messedirektor anführt: "Was die Covid-19-Pandemie deutlich gemacht habe, so [Guillaume] Piens von der Art Paris, sei in den letzten Jahren 'zu viel Gänseleber und zu viel Champagner, was zu einer gigantischen Verdauungsstörung führte'. Mr. Piens fügte hinzu: 'Wir sind jetzt alle auf Diät.'"

Wie Pariser Messen sich mit der Situation arrangieren, erklärt Olga Grimm-Weissert ebenfalls im Handelsblatt: "Fast alle Messen annullierten ihre Veranstaltung wegen der Reisebeschränkungen und des Ansteigens der Infizierten. Daher starteten die Pariser Galeristen verzweifelte Versuche, die Menschen anzulocken. Beispielsweise die "Fiac Week" oder die Initiative "Paris Art Week" mit Öffnung am Wochenende. Nur eine Messe mit rund 50 Teilnehmern ist die glückliche Gewinnerin dieser Pandemie bedingten Situation: die auf zeitgenössische asiatische Kunst ausgerichtete Messe 'Asia Now', welche die ehrgeizige Alexandra Fain in einem Wohnhaus organisiert (bis 24.10.). Denn ausnahmsweise stellen einige international aktive, große Pariser Galerien auf der 'Asia Now' aus."

Der Streit um den Verkauf hochkarätiger Kunstwerke aus US-amerikanischen Museumsbeständen - und speziell dem in Baltimore - wird hitziger. Christopher Knight spart in einem langen Artikel in der Los Angeles Times nicht mit Vorwürfen an die Museumsleitung: "In der Ankündigung des AAMD [Association of Art Museum Directors] hieß es, dass die vorübergehende Änderung nicht als Anreiz für den Verkauf von Museumskunst gedacht sei. Aber keine gute Tat bleibt unbestraft: Mit einem erbärmlichen Auftreten, das den kalten Opportunismus des Katastrophen-Kapitalismus beschwört, nutzte die Führung von Baltimore die tödliche Gesundheitskrise aus, um die Depots zu plündern. Damit hat sich das Museum selbst in den Fuß geschossen."

Eine ganz andere Sicht auf die Dinge hegt naturgemäß die Kuratoriumsvorsitzende des Museums Clair Zamiski Segal, die Claire Selvin bei Artnews zitiert: "In ihrem Brief versichert Segal, dass 'an einem Verkauf aus dem Bestand nichts Kurzsichtiges oder Ruchloses ist. Es ist eine regelmäßige Praxis, die von jedem Kunstmuseum in den Vereinigten Staaten praktiziert wird. Anderslautende Behauptungen sind lediglich ein Mittel, um Kontroversen anzuheizen, und dienen nur dazu, den Status quo der Museen als Repositorien von Reichtümern zu erhalten, die allein der Elite dienen'."

Einen Ausblick auf die Abendauktion bei Sotheby's am Mittwoch, bei denen die inkriminierten Gemälde von Brice Marden und Clifford Still aufgerufen werden, bietet Anne Reimers in der FAZ.

Die corona-bedingte Virtualisierung werde das Auktionsgeschäft dauerhaft verändern, glaubt Ted Loos in der New York Times: "'Unser Geschäftsmodell ist sehr speziell', sagte Guillaume Cerutti, der Vorstandsvorsitzende von Christie's. 'Es basiert auf einzigartigen Objekten und einer starken Komponente der persönlichen Interaktion mit unseren Kunden.' Die großen Auktionen sehen völlig anders aus, was zum Teil dem Einfluss der Technologie zu verdanken ist. Als im Frühjahr klar wurde, dass sich die Menschen nicht sicher in einem Raum versammeln konnten, entschieden sich die Häuser für ein Hybridmodell, bei dem Livestreaming eingesetzt wurde, um das Gefühl zu vermitteln, dabei zu sein."

Versöhnliche Töne schlägt Kulturstaatsministerin Monika Grütters im Gespräch mit dem Berliner Galeristen Thomas Schulte an, das Christiane Meixner für den Tagesspiegel vom 24. Oktober moderiert hat: "Grütters: Da ist ein interner Klärungsprozess in Gang gekommen. Und ein bilateraler. Wir müssen ja nicht um den heißen Brei herumreden: Das Kulturgutschutzgesetz von 2016 hat viel Unruhe auch in unser Verhältnis gebracht. Insofern gab es bei allen eine große Sehnsucht, wieder zusammenzukommen. Außerdem gab es noch nie eine systematische Galerienförderung, weil Galerien weniger als kulturelle denn als wirtschaftliche Unternehmen wahrgenommen werden. Dabei haben sie eine gesamtgesellschaftliche Bedeutung, die über die eigenen wirtschaftlichen Interessen hinausgeht. Das möchte ich mit dieser Förderung auch einmal deutlich machen."

Unbekannte Täter haben am 3. Oktober in Berliner Museen zahlreiche Kunstwerke mit einer öligen Flüssigkeit bespritzt und dadurch zum Teil massiv beschädigt, wie Alexander Fröhlich, Nicola Kuhn, Julius Geiler und Frederik Hanssen im Tagesspiegel berichten: "Ein Anschlag auf 63 Ausstellungsobjekte - darunter drei oder vier Leihgaben - in den Staatlichen Museen hat zum bislang umfangreichsten Schaden in den Häusern auf der Berliner Museumsinsel seit dem Zweiten Weltkrieg geführt. Ein oder mehrere Täter sollen nach bisherigen Erkenntnissen am 3. Oktober eine Flüssigkeit auf die Objekte aufgebracht haben."

Eine Künstlergruppe aus dem Städel-Umfeld hat eine Beuys-Skulptur aus eine Ausstellung im Theater Oberhausen gestohlen und will sie nach Tansania überführt und dem dort ansässigen Volk der Hehe übergeben haben. Dabei hat sie sich selbst gefilmt. Das Youtube-Video hat durchaus Charme. Die Aktion, die Monopol ausführlich beschreibt, trifft auf ein überwiegend negatives Presseecho. Hanno Hauenstein schäumt in der Berliner Zeitung: "Hätten die Antifa und das Zentrum für politische Schönheit ein Kind, womöglich käme die 'Frankfurter Hauptschule' dabei heraus. Das Kollektiv besteht aus privilegierten Mitzwanzigern, für die Wodka-Red Bull-Trinken ein politisches Statement ist und die ironische Metaebene der modus vivendi ihrer 'künstlerischen' Provokationen."

In der Vandalismus-Orgie gegen Kunstwerke in Berliner Museen sieht Andreas Kilb ein der FAZ einen Angriff auf die Institution Museum schlechthin: "Der Anschlag ist keine Kunstaktion und kein kulturelles Statement. Er richtet sich auch nicht gegen ein bestimmtes Museum oder eine bestimmte Sorte von Objekten - sonst würde sich die Spur der Zerstörung nicht so ungezielt vom Pergamon-Panorama über das Pergamonmuseum und das Neue Museum bis zur Alten Nationalgalerie ziehen. Nein, die Ölspritzerei von Berlin ist ein Angriff auf die Museen schlechthin. Sie gilt viel weniger den einzelnen Exponaten als dem Status, den sie genießen: dem Begriff des Musealen." Gleichzeitig hat allerdings auch Fragen an die Museumsleitung: "Dass das Wachpersonal davon nichts bemerkt und die wenigen Überwachungskameras nichts Verwertbares aufgezeichnet haben, ist ein Skandal, der bei den Staatlichen Museen zu Berlin hoffentlich Konsequenzen haben wird."

Der bekannte Kunsthistoriker Götz Adriani und seine Frau Franziska haben eine gut dotierte Stiftung zugunsten der Staatsgalerie Stuttgart gegründet, ist einer Pressemitteilung des Landes zu entnehmen.

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Dr. Stephan Zilkens | Zilkens Kunstversicherung