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Kobels Kunstwoche

Der Spekulant als Politiker
Der Spekulant als Politiker
Stefan Kobel

Stefan Kobel

Kobels Kunstwoche 44 2023

Ob sich der Kunstmarkt in einer Korrekturphase oder einem Abschwung befindet, diskutiert Daniel Cassady für Artnews: "Ist der Markt also vom Covid-Boom 'korrigiert'? Das ist schwer zu sagen. In diesem Jahr hat die Federal Reserve ihre aggressivste Zinserhöhungskampagne seit den 1980er Jahren gestartet, um die Inflation einzudämmen. Während einige behauptet haben, dass solche Zinserhöhungen kaum Auswirkungen auf die Superreichen haben, hatten die Zinssätze unter anderem verheerende Auswirkungen auf das Risikokapital und die Tech-Industrie. Es wäre töricht zu behaupten, dass die Sammler allein immun sind. Der offensichtliche andere Datenpunkt ist der explodierende Covid-Kunstmarkt im Jahr 2021, als die Zinssätze ihr Allzeittief erreichten. Man wird nicht wohlhabend genug, um Millionen für ein Gemälde auszugeben, wenn man die Makroökonomie ignoriert. Die Realität ist folgende: Der Markt schwankt, oft dramatisch. Im Jahr 2017 stellte der UBS Art Basel Report fest, dass der Auktionsmarkt im Jahr 2016 gegenüber 2015 um 26 Prozent eingebrochen war. Im folgenden Jahr stieg er um 27 Prozent. Das Jahr 2019 verzeichnete einen Rückgang von 17 Prozent gegenüber dem Vorjahr und 2020 einen Rückgang von 30 Prozent gegenüber 2019. Und natürlich wurde all dies durch einen 47-prozentigen Anstieg im Jahr 2021 wieder ausgeglichen."

Gute Kunde bringt hingegen Bettina Wohlfarth aus Paris in der FAZ: "Der Zuzug der Paris+ par Art Basel hat das Vertrauen in die Seine-Metropole als Kunstmarktstadt gestärkt. Entsprechend stark war das Angebot der großen Auktionshäuser in der Messewoche. Allein fünf Live- und zwei Onlineauktionen veranstaltete Christie’s. Unter dem Titel '20/21' spielten sie das Rekordergebnis von 126,7 Millionen Euro brutto ein."

Das letzte in Privatbesitz befindliche Skizzenbuch Caspar David Friedrichs wird bei Grisebach in Berlin mit einem Schätzpreis von einer bis 1,5 Millionen Euro angeboten, meldet Susanne Schreiber im Handelsblatt.

Mit Jussi Pylkkänen hat Christie's erneut einen hochkarätigen Abgang zu verzeichnen, meldet Christian Herchenröder im Handelsblatt: "Der Sechzigjährige will sich als unabhängiger Kunstberater selbständig machen, wie schon so viele Frontfiguren von Christie’s und Sotheby’s in London, New York, Paris und Hongkong. Pylkkänens Abschiedsvorstellung wird Christie’s New Yorker Prestige-Auktion von Kunst des 20. Jahrhunderts im November sein. Pylkkänen hat Auktionsgeschichte geschrieben. Zu den wichtigsten Werken, die unter seinen Hammer kamen, zählen das 450 Millionen teure Leonardo-Bildnis 'Salvator Mundi' und ein für 195 Millionen Dollar zugeschlagenes 'Marylin'-Bildnis von Andy Warhol."

In welche Richtung sich Kunstmessen nach der Übernahme durch Konzerne aus benachbarten Branchen entwickeln, deutet eine Email an, die an Frieze-VIPs letzte Woche verschickt wurde: "Ich hoffe, es geht Ihnen gut und Sie haben die Frieze in London genossen. Wie Sie vielleicht wissen, gehört die Frieze zur Endeavor Group und eine unserer Schwesterfirmen, On Location, ist der offizielle Hospitality-Anbieter für die Olympischen Spiele (Paris 2024, Mailand 2026 und LA 2028). Ich wollte daher sicherstellen, dass Sie über die einzigartigen Erlebnisse informiert sind, die sie anbieten. Es gibt nur selten die Möglichkeit, an Veranstaltungen mit so vielen einmaligen Erlebnissen teilzunehmen. Ein großartiges Beispiel dafür ist 'On The Finish Line', bei dem die Gäste zum ersten Mal während der spannenden Leichtathletik- und Leichtathletikveranstaltungen Sitzplätze nur wenige Meter von der Ziellinie entfernt erwerben können." Tickets für die Eröffnungszeremonie kosten 5.000 bis 9.500 Euro.

Währenddessen ändert sich durch die Übernahme der Design Miami/ durch den Onlinemarktplatz Basic.Space für die Art Basel-Mutter MCH nach ihrer Aussage zunächst nichts. Die Schweizer hielten vorher schon eine Beteiligung an der Design Commerce Technologies, Inc. von unter 5 Prozent, die sie auch nicht abgeben.

Museum trügen selbst zu den hohen Versicherungssummen bei, die sie zahlen müssen, erklärt Kunstversicherer Oliver Class von der Allianz Suisse im Interview mit Richard Mayr von der Augsburger Allgemeinen: "Dazu machen die Museumsleiter einen Fehler: Wer das Bild ausleiht, legt den Wert fest, muss die Summe aber nicht bezahlen. Mal ein Beispiel: Das Schaezlerpalais würde ein Bild von Johann Liss nach Osaka verleihen und legt als Versicherungssumme einen sehr hohen Wert fest, etwa 300.000 Euro, obwohl das Museum weiß, dass Liss gerade 200.000 Euro wert ist. Aber das Museum möchte auf der sicheren Seite sein. Die Prämie dafür muss der Kollege aus Osaka bezahlen. Nur wenn morgen das Schaezlerpalais selbst eine Ausstellung nach Augsburg holen will, machen es die anderen Häuser genauso. So schaukelt sich das zusätzlich hoch."

Der im Juni angekündigte Verkauf des Art Newspapers durch die bisherige Eigentümerin Inna Bazhenova an die Hongkonger AMTD Group sei jetzt vollzogen, meldet Artforum.

Als Kuratorin der Diriyah-Biennale in Saudi Arabien glaubt Ute Meta Bauer an das gesellschaftsverändernde Potenzial der Kunst, wie sie im Interview mit Elke Buhr für Monopol erklärt: "Weil ich diese Gesellschaft in einem großen Umbruch sehe. Ich vergleiche das mit Singapur, wo ich vor zehn Jahren zu arbeiten begann. Von dort bin ich es gewohnt, mit multiethnischen und multireligiösen Gruppen umzugehen, in einem durchaus sensitiven Kontext. Ich fand es damals sehr spannend, in Singapur etwas ganz Neues aufzubauen, ein Publikum zu entwickeln, eine Konversation innerhalb einer Gesellschaft anzustoßen. Kunst ist sicherlich ein neuer Wirtschaftsfaktor, aber vielleicht ja mehr als ein ökonomischer Driver. In Saudi-Arabien ist meine Motivation ähnlich. Was kann Kunst in einer dieser sich sehr schnell umstrukturierenden und sehr jungen Gesellschaften für eine Rolle spielen? Kann sich das langsam dahin öffnen, kritische Diskurse zu entwickeln?" Angesichts der aktuellen Entwicklungen im Nahen Osten sind das besonders spannende Fragen.

Am 19. Oktober hatte Artforum einen Offenen Brief zum Nahost-Konflikt veröffentlicht, der ausschließlich das palästinensische Leid beklagte und zunächst von über 4.000 Menschen aus der Kunstwelt unterschrieben wurde. Zudem wurde der Text online mit dem Kunstwerk einer Künstlerin illustriert, die unmittelbar nach den Hamas-Massakern in Israel die Opfer verhöhnt hatte. Die vorwiegend in den sozialen Medien ausgefochtenen Folgediskussionen führten dazu, dass viele Unterschriften zurückgezogen wurden und der Text mehrere Änderungen erfuhr. Artforum sah sich daraufhin veranlasst, sich öffentlich zu entschuldigen, und Eigentümer Penske Media hat den Chefredakteur David Velasco entlassen, wie Zachary Small in der New York Times meldet. Reaktionen auf diesen Schritt ließen nicht auf sich warten. Einige Mitarbeiter von Artforum haben daraufhin selbst gekündigt, etwa die in Kroatien lebende Redakteurin Kate Sutton, wie sie auf Facebook mitteilt. Weitere Ex-Mitarbeiter nennen Harrison Jacobs und Alex Greenberger bei Artnews. Einige prominente Künstler hätten zum Boykott des Magazins aufgerufen, schreibt Zachary Small in der New York Times. Mit 'den Reichen gemeinsame Sache' zu machen, wirft Alex N. Press dem Verlag bei Jacobin vor. Rechte Netzwerke sehen gar Daniel Boguslaw und Natasha Lennard bei The Intercept am Werk und führen die Entlassung auf den Druck des Sammlers Martin Eisenberg zurück.

Die ideologischen Grabenkämpfe, die sich seit Jahren auch durch die Kunstszene ziehen, treten gerade offen zutage. Doch es gibt Hoffnung. In Großbritannien hat sich die Initiative Freedom in the Arts gegründet, die sich drei Ziele gesetzt hat: "Freedom in the Arts hat drei Hauptziele: Die Meinungsfreiheit zu schützen und Künstlern auf allen Ebenen Unterstützung zu bieten, um ihre Rechte zu schützen. Die Freiheit des Ausdrucks zu schützen und sicherzustellen, dass die Kunst ein Ort ist, an dem schwierige Ideen angesprochen, erforscht und diskutiert werden können. Den Auftrag von Institutionen, die der Kunst und der Öffentlichkeit dienen, aufrechtzuerhalten, um sicherzustellen, dass sie unparteiisch und nicht ideologisch gesteuert sind."

In seinen Instagram-Stories kokettiert der Sammler und Spekulant Stefan Simchowitz mit einer Kandidatur für den US-Senat. Dass er es tatsächlich ernst meint, ist entsprechenden Wahl-Dokumenten (PDF) zu entnehmen, aus denen hervorgeht, dass er in Kalifornien für die Republikaner antreten will.



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Dr. Stephan Zilkens | Zilkens Kunstversicherung