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Kobels Kunstwoche

Artissima 2024; Foto Stefan Kobel
Artissima 2024; Foto Stefan Kobel
Stefan Kobel

Stefan Kobel

Kobels Kunstwoche 45 2024

Hier gibt es keine Bananen. Wenn die großen internationalen Auktionshäuser der Meinung sind, sie müssten einer strukturellen Krise der ganzen Branche und ihres eigenen Geschäftsmodells mit immer weiterer Infantilisierung der Spekulationsware Kunst begegnen, kann man ihnen nur eine fröhliche Marktbereinigung wünschen.

Und endlich sagt es mal jemand, sogar im Finanzressort: Kunst ist eine schlechte Geldanlage (zumindest für Amateure). Christiane von Hardenberg erklärt in der FAZ (Paywall) : „Wenn Sie ein Kunstwerk rein unter finanziellen Aspekten wollen, habe ich noch eine interessante Studie für Sie: Die in den USA lebenden Wissenschaftler Arthur Korteweg, Roman Kräussl [heute London] und Patrick Verwijmeren haben den Wertzuwachs von 2,3 Millionen Kunstwerken im Zeitraum von 1960 bis 2010 untersucht. Sie sind zu der Erkenntnis gekommen, dass der amerikanische Aktienmarkt S& P 500 deutlich besser abgeschnitten hat. Dabei muss man wissen, dass die Wissenschaftler nur Kunstwerke untersucht haben, die auf eine Auktion gekommen sind. Das schaffen allerdings nur etwa zehn Prozent aller Werke. Die übrigen Arbeiten verschwinden in Kellern, da es keinen Markt für sie gibt.“

Ein schlüssiges Konzept sichere der Artissima in Turin ihre Position in einem angespannten Marktumfeld, erklärt Nicole Scheyerer in der FAZ: "Der Erfolg der Artissima verdankt sich der konsequent verfolgten Strategie ihres Direktors Luigi Fassi. Bei der Galerienauswahl aus etwa 400 Bewerbern lässt sich der Messechef das ganze Jahr über von etwa fünfzig Kuratorinnen und Kuratoren unterstützen. 'Wir bevorzugen ambitionierte, risikobereite Projekte und wollen nicht bloß bekannte Namen', sagt Fassi und verweist stolz auf die 69 Solo-Präsentationen der diesjährigen Ausgabe. Mit Blick auf den kriselnden Kunstmarkt sieht Fassi die Chance seiner Messe in der Konzentration auf Sammler aus der Mittelschicht. Ihrem Ruf als Entdeckermesse wird die Artissima wieder einmal gerecht und bietet preislich Moderates in ihrem Newcomer-Bereich 'Present Future' und bei den 'New Entries'.“

In der aktuell schwierigen Marktlage sei die Messe gut aufgestellt, konstatiert Devorah Lauter bei Artnews: „Die Messe [...] ist jedoch nicht für die extrem teuren Kunstwerke bekannt, die normalerweise auf den verschiedenen Veranstaltungen der Art Basel zu sehen sind. Stattdessen berichteten Händler gegenüber ARTnews, dass die Artissima dafür bekannt sei, Kuratoren anzuziehen, hauptsächlich aus italienischen und europäischen Institutionen. Außerdem ermöglichten die relativ erschwinglichen Kosten für Stände, die etwa halb so hoch sind wie für eine Ausstellung auf Messen wie Art Basel oder Frieze, kleineren Galerien, mit weniger bekannten Künstlern zu experimentieren und ihnen eine größere Aufmerksamkeit zu verschaffen. […] In der heutigen, langsameren Stimmung auf dem Kunstmarkt sagten Händler, dass der Fokus der Artissima auf die Aufmerksamkeit von Institutionen sowie die relativ niedrigeren Preise der Messe und ihre entspanntere Atmosphäre genau den richtigen Ton träfen.“

Im Zusammenhang mit der Messe weist Kabir Jhala im Art Newspaper auf die auch in Italien möglicherweise anstehenden Änderungen bei der Mehrwertsteuer hin: „Der italienische Gesetzgeber muss bis Ende dieses Jahres über einen Vorschlag zur Senkung der Steuern auf Kunst entscheiden, der durch eine neue EU-Verordnung zur Vereinfachung der Mehrwertsteuerstrukturen bis zum 1. Januar 2025 ausgelöst wurde. Dadurch könnte die Mehrwertsteuer auf Verkäufe auf dem Primärmarkt und auch auf Kunstimporte von außerhalb der EU von 10 % auf 5,5 % sinken. Gleichzeitig könnte auch die Mehrwertsteuer auf Verkäufe auf dem Sekundärmarkt von 22 % auf 10 bis 5 % gesenkt werden. 'Die neuen Regelungen könnten eine transformative Wirkung haben. Wir warten voller Hoffnung', sagt Luigi Fassi, seit 2022 Direktor von Artissima. Die Worte von Fassi werden von vielen italienischen Händlern auf der Messe geteilt“.

Ich war für Handelsblatt und Artmagazine in Turin.

Die kleine Kunstmesse Art Collaboration Kyoto werde immer attraktiver, urteilt Payal Uttam bei Artnews: „Dies ist die vierte Ausgabe der von der Regierung unterstützten Veranstaltung, die ein besonderes Modell hat, bei dem eine japanische Galerie als Gastgeber fungiert und eine oder zwei internationale Galerien einlädt, ihren Stand zu teilen. Im Gegensatz zu den meisten internationalen Kunstmessen fühlt sich die ACK nicht wettbewerbsorientiert. Stattdessen wirkt sie bewusst intim und gemächlich und legt mehr Wert auf durchdachte Verbindungen als auf kommerzielle Aktivitäten.“

In einer Orientierungsphase sieht Shanti Escalante-De Mattei die Art Show in der New Yorker Armory bei Artnews: „Während also einige Aussteller auf der 'The Art Show' den Geschmack einer älteren Generation von Kunstkennern bedienen, hat die ADAA [Art Dealers Association of America] in den letzten Jahren mehr primäre und jüngere Händler in den Verband aufgenommen, sodass nun sowohl historische als auch zeitgenössische Werke zu sehen sind. Das mischt zwar das Angebot auf, aber es ist jetzt unklarer, für welche Art von Sammler die Messe gedacht ist. Vielleicht ist für jeden etwas dabei? Die Kunstmesse hat sich zu einer eher regionalen Messe entwickelt, so einige Händler auf der Messe, was vor allem auf ihre isolierte Lage im Veranstaltungskalender zurückzuführen ist. Vor der Pandemie leitete die Messe historisch gesehen zur Armory Fair in New York über, mit all den verschiedenen Veranstaltungen und Eröffnungen, die parallel dazu stattfinden. Das trug dazu bei, ein internationales Publikum von Sammlern und Kuratoren anzuziehen. Das ist jetzt schwieriger“.

Die Art Lagos scheint noch einen weiten Weg vor sich zu haben, lässt sich aus Gameli Hamelos Bericht für das Art Newspaper schließen: „Auf der Art X Lagos, der führenden internationalen Kunstmesse Westafrikas, präsentierten sich 2023 zehn Galerien, etwa zwei Drittel weniger als im Vorjahr. Damals sagte die Gründerin der Messe, Tokini Peterside-Schwebig, dass die Entscheidung auf dem Wunsch beruhe, „Teil einer lösungsorientierten Gesellschaft zu sein“, als Reaktion auf die schwierigen wirtschaftlichen Bedingungen. Die Zahl der Aussteller ist in diesem Jahr gleich geblieben, und auch wenn dies aus der Ferne Fragen nach dem Zustand der Messe aufwirft, so scheint es doch vor Ort positive Auswirkungen zu haben.“

Mangelnde Lernfähigkeit wird vielen Galerien in einem Beitrag von Barbara Kutscher für das Handelsblatt vorgeworfen: „Auch die Großgalerien verzeichneten nach dem Kaufrausch während der Pandemie einen Umsatzeinbruch. Marc Glimcher, Präsident und CEO der international aufgestellten Pace Gallery, bezifferte den Rückgang im Sommer auf Christie’s 'Art+Tech Summit' in New York auf 20 bis 30 Prozent, und dabei sei das Vorjahr auch schon nicht so gut gelaufen. Die Lösung? Für Jeff Poe, Mitgründer der kalifornischen Galerie Blum & Poe, aus der er sich im vergangenen Jahr zurückzog, ist sie klar: den Gürtel enger schnallen. Die meisten Galerien seien zur allgemeinen Überraschung während der Pandemie immens erfolgreich gewesen. Aber nur, weil die Ausgaben wegfielen, so der ehemalige Händler im 'Baer Faxt'-Podcast. 'Galerien haben nichts aus der Pandemie gelernt. Sie kehrten gleich zu ihren alten Gewohnheiten zurück.'“

Einen Grund für den beständigen Erfolg der Berliner Auktionatorin in Irene Lehr sieht Susanne Schreiber im Handelsblatt in den niedrigen Schätzpreisen: „Man kann den Erfolg aber auch in Lehrs überdurchschnittlich hohen Absatzraten messen oder an den satten Steigerungsraten von Künstlern, die eher selten im Rampenlicht stehen. Abermals waren es Privatsammler, die sich vehement für bemerkenswerte Gemälde von Franz Xaver Fuhr, Paul Fuhrmann oder Frans Masereel einsetzten. Handel und Museen halten sich aktuell stark zurück. Mit einem Gesamtumsatz von knapp 2,2 Millionen Euro ohne Nachverkäufe ist Irene Lehr 'wirklich zufrieden, weil die im Augenblick propagierte Kaufzurückhaltung auf dem allgemeinen Kunstmarkt bei uns nur ganz schwach zum Tragen kam'.“

Von den gemischten Ergebnissen der Versteigerung einer Privatsammlung bei Lempertz in Köln berichtet Christian Herchenröder im Handelsblatt : „Das gleiche Schicksal traf Friedrich Nerlys abendliche Venedig-Ansicht, die 2003 bei Van Ham in Köln 567.500 Euro eingespielt hatte und jetzt bei 230.000 Euro keinen Bieter fand. Selbst Carl Spitzwegs „Kanonier“, eine biedermeierliche Antikriegsidylle, wurde bei 220.000 Euro zurückgenommen. Sie war 2001 bei Neumeister im Nachverkauf mit einer Million D-Mark bewertet worden. Es könnte aber sein, dass diese Spitzenlose nachträglich noch ihre Käufer finden. Wesentlich besser lief es für alle vier Gemälde des Großwildmalers Wilhelm Kuhnert, die von amerikanischen Sammlern ersteigert wurden. Sie setzten Summen zwischen 100.000 und 156.000 Euro ein, Letztere für das auf einer Anhöhe rastende Löwenpaar, das gerade Witterung aufnimmt.“

In einer bemerkenswert trockenen Besprechung stellt Nikolaus Lehner den sicherlich wichtigen Band „Der Kunstsachverständige“ von Bernd F. Holasek bei Artmagazine vor: Die vorliegende Auseinandersetzung mit komplexen Fragen um Kunst und deren Bewertung durch Sachverständige ist sowohl für die Kunstwelt als auch für die juristischen Professionen von Bedeutung. Hier greifen allgemeine Fragen um die Wertermittlung, sich daraus ergebende Ansprüche und deren vorprozessuale oder gerichtliche Durchsetzung mit kunstspezifischen Aspekten ineinander. Die eingehende Analyse der einzelnen Themenbereiche ist damit für den gesamten Bereich von Bedeutung, denn die allgemeinen Grundsätze sind ja für die Expert:innen – Amtssachverständige, in die Gerichtslisten eingetragen oder ad hoc bestellt – dieselben.“

Dem in der Theorie bürokratischen Monster Kulturgutschutzgesetz drohe eine praktische Verschärfung, die den Kunsthandel in Deutschland zum Erliegen bringen könnte, warnt Christiane Fricke im Handelsblatt: „Bleibt das Problem mit der dem Kunsthandel oktroyierten Beweislastumkehr. Lässt sich nicht klären, ob das Kulturgut nach [recte: vor] dem 26.4.2007 verbracht worden ist, wird vermutet, dass es danach ausgeführt wurde und dass ein Rückgabeanspruch besteht. Die Behörden können das Kulturgut sicherstellen. Ein solches Vorgehen nur auf Basis einer Vermutung würde jedoch rechtsstaatlichen Grundsätzen widersprechen.“

Von einem internationalen Haftbefehl gegen einen Antikenhändler berichtet Colin Moynihan in der New York Times: „Der 80-seitige Haftbefehl gegen Herrn Almagià beschreibt eine elegante Persönlichkeit, die wertvolle Artefakte an bedeutende Museen und Sammler verkaufte und spendete, aber auch unter einem schlechten Stern stand, nachdem die italienischen Behörden vor Jahrzehnten den Verdacht hegten, dass er mit Grabräubern zusammengearbeitet hatte. In einem Telefoninterview am Tag nach der Ausstellung des Haftbefehls stritt Herr Almagià jegliches Fehlverhalten weitestgehend ab und antwortete auf die Anschuldigungen mit den Worten: 'Ich streite sie nicht ab, aber ich akzeptiere sie nicht.' Er fuhr fort, dass er sich stets an die etablierten Traditionen in Italien gehalten habe, wo der Handel mit Antiquitäten lange Zeit toleriert worden sei. Die Dinge seien gerechter gewesen, sagte Herr Almagià, bevor das, was er als übereifrige Staatsanwälte bezeichnete, mit den Ermittlungen zu Antiquitätenverkäufen begonnen habe.“

Den ADKV-Art Cologne Preis für unabhängige Kunstkritik erhält in diesem Jahr Martin Conrads (Jahrgang 1969). In der Pressemitteilung (PDF) heißt es: „Dass seine Texte auch in kurzen Formaten eine ungewöhnliche Tiefe erreichen und dabei lesbar, nahbar und unprätentiös sind, hat die Jury besonders überzeugt.“ Herzlichen Glückwunsch!

Da es sich noch nicht um einen Nachruf handelt, kann Olga Kronsteiner in ihrem Portrait von Wolfdietrich Hassfurther im Standard auch die schwierigen Seiten des Wiener Auktionators erwähnen: „Er gehörte zu jenen, die Todesanzeigen studierten, um spätestens anderntags mit einem Blumenstrauß der Witwe ihre Aufwartung zu machen und sich für die Verwertung etwaiger Sammlungsbestände des Verstorbenen in Stellung zu bringen – in seinem Fall oft mit einer Penetranz, die wahlweise einschüchternd oder überzeugend ihre Wirkung tat. 'Man muss gar nicht so g’scheit sein als Kunsthändler, nur hartnäckig', gab er dem Standard einmal seine Maxime zu Protokoll, die ihm in den mehr als fünf Jahrzehnten seiner Tätigkeit aber durchaus Erfolge bescherte. Erinnerungen daran hat der 83-Jährige mittlerweile keine mehr, selbst an seinen letzten Auftritt als Auktionator im März 2022 nicht.“

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Dr. Stephan Zilkens | Zilkens Kunstversicherung