Kobels Kunstwoche

Artissima 2025; Foto Stefan Kobel
Artissima 2025; Foto Stefan Kobel
Portraitfoto von Stefan Kobel

Stefan Kobel

Kobels Kunstwoche 45 2025

Die Artissima in Turin hat Georg Imdahl von der FAZ offensichtlich gefallen: „Mit rund 170 Ausstellern präsentiert sich die Artissima mit einem seriösen, verlässlichen Angebot von Malerei, Skulptur und Installation. Fassi möchte die Zahl künftig noch etwas eindampfen. Goutiert wird die Messe von manchen Ausstellern, wie in Gesprächen mit ihnen zu hören ist, als willkommene Möglichkeit, „etwas auszuprobieren“ – soll heißen: Die Teilnahme kostet nicht so viel wie bei den Branchenführern. Punkten kann die Artissima auch mit der drastisch gesenkten Mehrwertsteuer auf Kunstwerke. Zuvor mit 22 Prozent das teuerste Land in Europa, lockt Italien seit diesem Sommer mit jetzt fünf Prozent und damit dem niedrigsten Wert.“

Die Senkung der Mehrwertsteuer auf Kunst in Italien machen George Nelson und Tom Seymour zum Angelpunkt ihres Turiner Messeberichts für Artnews. Sie zitieren Umsatzprognosen, die anscheinend der Regierung als Handlungsgrundlage dienten: „Nach zwei Jahrzehnten Lobbyarbeit seitens Galerien, Antiquitätenhändlern und Auktionshäusern gab die Regierung schließlich nach. Eine Anfang dieses Jahres von dem Beratungs- und Marktforschungsunternehmen Nomisma veröffentlichte Studie schätzte, dass die Senkung der Mehrwertsteuer über einen Zeitraum von drei Jahren zu zusätzlichen Einnahmen in Höhe von 1,5 Milliarden Euro führen könnte. Außerdem prognostizierte sie, dass die italienische Wirtschaft dadurch um bis zu 4,2 Milliarden Euro wachsen könnte.“

Für Ocula erklärt Tom Seymour die Besonderheiten des Turiner Modells: „Die Messe öffnet ihre Pforten zu einem Zeitpunkt, an dem mittelgroße europäische Galerien nach kostengünstigeren Alternativen zu den hohen Kosten in London, Paris und Basel suchen. Die Nähe der Messe zu Institutionen wie dem Castello di Rivoli, der Fondazione Merz, der OGR Torino und dem Museo d'Arte Orientale – sowie eine Sammlerbasis, angeführt von den Familien Agnelli und Re Rebaudengo – machen Turin zu einem spannenden Fallbeispiel dafür, wie regionale Ökosysteme globale Relevanz auf dem Kunstmarkt entwickeln können.“

Ich war für das Handelsblatt und Artmagazine in Turin.

Im internationalen Wettbewerb gut aufgestellt sieht Regine Müller die Art Cologne in ihrem einordnenden Vorbericht für das Handelsblatt: „Konkurrenz belebt das Geschäft, und für die zahlungskräftige internationale Klientel ist das Messe-Hopping womöglich durch die Terminballung besonders attraktiv. Außerdem erholt sich der Markt tatsächlich spürbar. Das konnte man über die 'Art Basel Paris' einvernehmlich hören und lesen und Daniel Hug nimmt auch im Vorfeld der Kölner Messe eine deutliche Aufbruchstimmung wahr: 'Die Anmeldungen von VIPs, Museumsleuten, Direktoren, Kuratoren und Museumsbesuchern sind in diesem Jahr viel besser. Die Zahlen haben sich quasi verdreifacht. Es gibt also viel mehr Interesse als im Vorjahr. Ich weiß nicht, woran es genau liegt.'“

Eine Liste der Galerien, die nicht (mehr) an der Art Basel Miami Beach teilnehmen, haben Sarah Douglas und Daniel Cassady für Artnews zusammengestellt. Wie gut, dass nicht alle englischsprachigen Kunstpublikationen Medienpartner der Art Basel sind!

Sammler seien zur Zeit risikoscheu, beobachtet Melanie Gerlis in der Financial Times (Paywall; oder hier): „Das Fazit der lebhaften zwei Wochen voller Messen und Auktionen im Oktober in London und Paris lautet, dass der Kunstmarkt endlich wieder in Schwung kommt. Der Geschmack ist nach wie vor nicht besonders experimentell, vielmehr herrscht eine „Sicherheit geht vor“-Mentalität, da Sammler institutionelle Unterstützung und Werke suchen, die mehr als nur einen Bezug zur Kunstgeschichte haben. Aber es wurden Verkäufe in allen Kategorien getätigt, was einer Erleichterung für einen angeschlagenen Sektor darstellt.“

Der Kunstmarkt in Taiwan durchlebe aktuell schwierige Zeiten, berichtet Hok-Hang Cheung bei Artnews: „Trotz aller Begeisterung hat Taiwans Kunstmarkt in diesem Jahr jedoch eine Achterbahnfahrt hinter sich – und die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache. Laut einem Bericht des Kulturministeriums sank die Einfuhr von Kunstwerken (einschließlich Antiquitäten) im Jahr 2024 um 15,2 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Der Auktionsmarkt hat einen Rückschlag erlitten. Die Umsätze bei der Frühjahrsauktion für moderne und zeitgenössische Kunst, die von Ravenel, Taiwans führendem Auktionshaus, veranstaltet wurde, sanken von rund 14,6 Millionen US-Dollar im Jahr 2020 auf 3,6 Millionen US-Dollar im Jahr 2025.“

Frühlingsgefühle im Pariser Kunstmarkt macht Bettina Wohlfarth in ihrem Nachbericht zu den dortigen Auktionen für die FAZ aus: „Sotheby’s, Christie’s, Artcurial und die Versteigerer im Drouot setzten in der herbstlichen Kunstwoche gut 220 Millionen Euro um – etwa ein Drittel mehr als im Vorjahr. Die spannendste Auktion eröffnete Christophe Lucien, als er im übervollen Saal des Drouot ein Porträt von Dora Maar aufrief, das Pablo Picasso 1943 gemalt hatte. 'Buste de femme au chapeau à fleurs' war 80 Jahre in derselben Privatsammlung verblieben und bislang nur durch zwei Schwarz-Weiß-Fotografien bekannt gewesen. Der Hammer fiel erst nach 35 Minuten bei 27 Millionen Euro – weit über den Erwartungen von um acht Millionen. Die zuletzt um das Werk wetteifernden Bieter befanden sich alle im Saal, wobei der Zuschlag zugunsten des bestens bekannten Händlers und Sammlers David Nahmad erging.“

Die goldene Schüssel von Maurizio Cattelan dürfte wieder einmal für Furore sorgen, wenn sie in zwei Wochen bei Sotheby's versteigert wird. George Nelson zitiert das Unternehmen bei Artnews mit einem Satz, den man wahrscheinlich lange üben muss, um ihn ohne zu lachen oder rot zu werden über die Lippen zu bringen: „Wenn die 100 Kilogramm schwere Toilette am 18. November bei der Abendauktion 'The Now and Contemporary' des Auktionshauses unter den Hammer kommt, wird das Startgebot anhand des Goldpreises für das Gewicht des Werks festgelegt. Dieser wird voraussichtlich bei rund 10 Millionen Dollar liegen. 'Cattelans pointierter Kommentar zum Zusammenprall von künstlerischer Produktion und Warenwert war noch nie so aktuell wie heute', erklärte Sotheby's in einer Stellungnahme.“

Auf die Erfolge weiblicher Positionen bei den Auktionen Alter Kunst im Wiener Dorotheum weist Nina Schedlmayer im Handelsblatt hin: „Zu den Heldinnen des Abends zählten einmal mehr die österreichischen Stimmungsimpressionistinnen, deren Lose allesamt Abnehmer fanden – Olga Wisinger-Florians prachtvolles Wiesenstück aus einem Jahreszyklus, den sie selbst als persönliches Meisterwerk betrachtete, zu 91.000 Euro, zwei weitere Gemälde von ihr für 23.400 und 26.000 Euro. Gemälde von Marie Egner erzielten 28.600 sowie 26.000, ein Kleinformat von Tina Blau 4680 Euro.“

Melanie Gerlis macht sich im Art Newspaper (evtl. Paywall) Gedanken über eine Email, die sie von einer PR-Agenur erhalten hat: „'Tom Sachs: Jetzt vertreten durch The Lede Company'. Im Text der E-Mail wird klargestellt, dass es sich um eine 'Agenturvertretung' handelt, und im Kleingedruckten wird darauf hingewiesen, dass Thaddaeus Ropac 'Tom Sachs weiterhin für alle Anfragen im Zusammenhang mit Galerien und bildender Kunst vertreten wird' – eine Beziehung, die seit 1998 besteht. The Lede Company hat möglicherweise eine recht normale – und dank Sachs' Vertragsende und Wechsel zu einer anderen Agentur nur kurzlebige – PR-Rolle überbewertet, aber die kurze zusätzliche Vertretung wirft dennoch die Frage auf: Wo endet eine Galerie und wo beginnt eine Agentur?“

Die Schließung seiner Münchener Galerie nach zehn Jahren am vergangenen Donnerstag hat Nir Altman drei Tage vorher bei Instagram bekanntgegeben.