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Der Boom/Bubble/Bust-Zyklus scheint sich immer schneller zu drehen, zumindest läuft der Markt in den USA gerade wieder heiß, wie sich an den Berichten aus Miami ablesen lässt.
Barbara Kutscher findet für das Handelsblatt einige schöne Beispiele: "Auch in diesem Jahr prägen große Formate und fröhlich Farbiges das Bild. Diese Kunst findet leicht Abnehmer. Daneben sind Werke Schwarzer Künstler besonders stark vertreten und nachgefragt. Mariane Ibrahim aus Chicago und Paris beweist eine besonders gute Spürnase. Sie vertritt unter anderen den in Ghana geborenen Marktliebling Amoako Boafo. Bisher verkaufte Ibrahim an jedem Tag ihre morgens neu gehängte Auswahl vollständig aus. Geplant sei, gegen Ende der Woche erschwinglichere jüngere Positionen der Galerie zu zeigen, sagt Partner Pierre Lenhardt."
Im Detail unterscheidet sich die Wahrnehmung von Alexander Gutzmers für die WeLT vom 4. Dezember, das Fazit ist jedoch ähnlich: „Um ein diverseres Ausstellerfeld zu erreichen, hatte der Messechef die bisher recht hohen Einstiegshürden für Galerien deutlich gesenkt. Wie viele Jahre lang müssen Galerien jetzt am Markt sein, um in Miami mitmachen zu dürfen? 'Klare Antwort: null. Uns interessiert das Konzept.' Zum ganz großen Run afrikanischer Galerien auf Miami hat das indes noch nicht geführt. Gerade einmal vier der 253 Aussteller kommen von dem Kontinent. So ein Messeauftritt in Miami bedeutet für Galerien aus der Ferne ein großes Risiko: Top oder Flop. Ein Flop allerdings kann schnell existenziell werden. Trotzdem: Die Kunst, die im Convention Center von Miami Beach zu sehen ist, ist in ihrer Herkunft eindeutig vielfältiger als vor einigen Jahren. Entsprechend farbenfroh geht es zu. Viel Malerei, Skulpturales und Collagiertes, häufig Materialien wie Stoff oder Holz, sind zu sehen. Auch die Themensetzung hat sich verändert. Bloße popkulturelle Referenzen, die die Messe in Florida sonst prägte, sind die Ausnahme, Identität, Haltlosigkeit und der Verlust familiärer Strukturendie großen Themen. Rassismus wird eher adressiert als beispielsweise Genderdiskurse oder der Klimawandel. Viele Arbeiten befassen sich kritisch mit der Transformation des Kapitalismus zu einer digitalen Informationsgesellschaft“.
Einen mehr marktorientierten Zugang zur Messeberichterstattung zeigen Katya Kazakina und Eileen Kinsella von Artnet: „Der heißeste Sektor des Marktes ist nach wie vor die junge Kunst, deren Werke auf der gesamten Messe ausverkauft wurden. 'Einige von ihnen werden sich als gute Investition erweisen, andere nicht', sagte [Larry] Gagosian über die jungen Künstler, die inmitten des aktuellen Emerging-Art-Wahns einen Wettbewerb auslösen. 'Aber für viele Leute ist es fast wie ein Spekulationsspiel. Steig früh ein. Kauf günstig. Es ist wie der Kauf eines Lotterieloses. Ich mag es nicht, Kunst auf diese Weise zu verkaufen. Wenn man 1 Million Dollar bezahlt, kauft man sich in einen Konsens ein.'“ Spricht da die Altersweisheit eines weitgereisten Kunstkenners oder die Bauernschläue eines gewieften Kunsthändlers, der weiß, dass der Gewinn im Einkauf liegt?
Eine neue Sammlergeneration habe das Ruder in Miami das Ruder übernomen, hat The Canvas für Artsy herausgefunden: „Unabhängig von den genauen Faktoren, die dabei eine Rolle spielten, war das Ergebnis eindeutig: Die neue Schule von Sammlern, die den Markt in letzter Zeit dominiert, die Kohorte, die Namen wie Jadé Fadojutimi, Robert Nava, Flora Yukhnovich und Emily Mae Smith in den Vordergrund des kollektiven Bewusstseins des Marktes rückten, übertrafen bei weitem die bekannten Sammler früherer Generationen, die in vielerlei Hinsicht dazu beitrugen, den Kunstmarkt überhaupt erst in die luftigen Höhen zu bringen, in denen er sich heute befindet. Und diese Young Turks taten mehr, als nur zu flirten und sich bei Ruinart zu küssen (zumindest in dieser Hinsicht ist die Kunstwelt offenbar wieder normal), sie kauften aktiv. Und sie haben eine Menge gekauft.“
Die Interpretation von Messe-Direktor Marc Spiegler ist bei Frauke Steffens in der FAZ nachzulesen: „In den vergangenen Monaten wurde zwar auch Kunst gekauft – aber eher von etablierten Künstlern, die den Sammlern schon bekannt waren. Jetzt sieht Marc Spiegler, der Direktor der Messe, einen Nachholbedarf, die sich in der Begeisterung für junge Künstler zeige. 'Während der Pandemie füllte sich gewissermaßen eine Pipeline mit digitalen Entdeckungen neuer Künstler: Die Leute haben sich frische Werke online angeschaut, sie haben sie aber nicht unbedingt gekauft.' Das ändere sich nun, da solche Arbeiten wieder physisch zu erleben seien. In ihrer diesjährigen Ausgabe setzt die Art Basel Miami verstärkt auf Diversität: Sie will weniger weiß sein. Das sei, was die Auswahl der Künstler betreffe, keine so große Herausforderung wie aufseiten der Galeristen, sagt Spiegler. Selbst in Südamerika seien die meisten Händler weiß.“
Vor allem markiert die diesjährige Ausgabe der ABMB offensichtlich die Ankunft der NFTs im Mainstream-Kunstmarkt. Anny Shaw widmet sich dem Phänomen im Art Newspaper: „Seit Jahrzehnten sind Tech-Investoren die schwer fassbaren Einhörner, denen der Kunstmarkt nachjagt. Dank der NFTs - den trojanischen Pferden der Kryptowährungen - beginnen die Welten der Kunst und der Technologie zu verschmelzen. Und da Fintech-Firmen in Scharen ins sonnige, steuergünstige Südflorida strömen, entwickelt sich Miami schnell zu einem Hotspot für NFT-Sammler. […] Vor einigen Jahren wurde gemunkelt, dass die Art Basel San Francisco als möglichen Standort für eine Messe ins Auge fasst - Gerüchte, die das Schweizer Unternehmen dementierte. Ihr globaler Direktor Marc Spiegler stellt fest, dass sich die Tech-Elite des Silicon Valley im Allgemeinen 'nicht genug mit der Kunstwelt beschäftigt hat, um in ein Flugzeug zu steigen und nach Miami Beach zu kommen'. Aber jetzt lebt plötzlich eine neue Gruppe von Tech-Unternehmern 'im Umkreis von 15 Minuten um die Messe - und viele von ihnen werden durch die NFTs auf den Kunstmarkt aufmerksam'.“
Die zahlreichen und zum Teil hochkarätigen Satelliten werden in deutschsprachigen Medien übrigens weitgehend ignoriert und bestenfalls in einem Nebensatz erwähnt. Die wichtigsten Veranstaltungen listet Artnet im Vorfeld auf. Dort gibt es auch einen ausführlichen Rundgang über die NADA von Eileen Kinsella und Annie Armstrong, der verdeutlicht, dass Marktttrends auf den vermeintlichen Nebenschauplätzen mindestens ebenso gut zu beobachten sind wie auf der Hauptmesse.
Unter den Kunst-Rankings findet die Power 100 von Artreview international die größte Aufmerksamkeit, besonders in diesem Jahr, da sie von ERC-721, dem Token der Ethereum-Blockchain, angeführt wird. Fast gibt es Meldungen und Meinungen dazu, unter anderem von Marcus Woeller in der WeLT, Jörg Häntzschel in der Süddeutschen Zeitung, Werner Remm im Artmagazine oder von Carola Padtberg im Spiegel.
Die Strategien von Christie's und Sotheby's im Kampf um die Deutungshoheit und damit die Vorherrschaft im NFT-Markt zu erringen, analysiert Stephanie Dieckvoss im Handelsblatt: „Beide Auktionshäuser suggerieren den Käufern, die oftmals wenig von Kunst verstehen, dass ihre Experten die Qualität in der Masse der täglich unter immens hohem Energieverbrauch auf den Markt geworfenen NFTs beurteilen können. Beide nehmen für sich auch in Anspruch, im Bereich der NFTs und der Kryptokunst marktführend zu sein. Wer den Siegeszug davontragen wird, ist noch nicht abzusehen. Vorn liegen zurzeit die Spekulanten.“
Die Tokenisierung von Kunstwerken nimmt Fahrt auf. Ex-Christie's-Mitarbeiter Loic Gouzer erklärt Robin Pogrebin in der New York Times, wie das neue Geschäftsmodell funktioniert: „Das Banksy-Gemälde wurde in ein 100 x 100 großes Raster eingeteilt, was zu 10.000 einzigartigen Quadraten oder Partikeln führte, die als NFTs für etwa 1.500 $ pro Stück verkauft werden. Jedes Partikel repräsentiert einen Minderheitsanteil an dem Gemälde und wird mit einer Sammlerkarte geliefert, die das gesamte Kunstwerk sowie die Position des Partikels auf dem Gemälde zeigt. Der ehemalige Vorsitzende für Nachkriegs- und zeitgenössische Kunst bei Christie's gründete das neue Unternehmen zusammen mit Shingo Lavine und Adam Lavine, den Mitbegründern von ethos.io, das kürzlich in Voyager umbenannt wurde und Finanzinstitute mit der Blockchain verbindet. Die anderen Gründer sind Philip Eytan, der Mitbegründer und Vorsitzende von Voyager, und Oscar Salazar, der Chief Technology Officer und Chefarchitekt von Uber. Particle hat eine Startfinanzierung von 15 Millionen US-Dollar erhalten und Gouzer sagte, dass sie weitere Mittel aufbringen werden, um ihren Bestand zu erweitern.“
Unterschiedliche Nutzungen von Blockchain-Technologie erklärt Kevin Hanschke in der FAZ am Beispiel der Mode-Industrie: „RTFKT stellt unter anderem NFT-Sneaker her, digitale Designerturnschuhe, die durch die NFT-Technologie verschlüsselt sind. Eine Datei und ein Design formen ein Einzelstück. In nur sieben Minuten haben sie nach dem Launch eine solche NFT-Sneaker-Kollektion, rund 600 Paar virtuelle Schuhe, für mehr als 3,1 Millionen Dollar verkauft. Dafür arbeiten sie mit Modelabels zusammen wie der kleinen Pariser Marke Crypto, die einen digitalen Sneaker entworfen hat. Auch Jacken, Shirts, Hosen und Accessoires sind in Arbeit, also eine Kollektion, die ganz ins Internet verlagert ist.“ Auf der anderen Seite stehen praktische Nutzanwendungen: „In der 'Aura'-Blockchain sind Informationen über Produktionsprozess, Herkunft der verarbeiteten Materialien und Echtheitszertifikate eingespeichert. Damit können die in der Luxusmode verbreiteten Fälschungen digital erkannt werden. Konzerne wie LVMH geben jährlich mehrere Millionen Euro für Prozesse und Anwälte wegen Copyright- Verletzungen und Bootlegging-Verbrechen aus. Außerdem geht es darum, die Produktgeschichte nachzuvollziehen.“
Über Spekulation, NFTs und die Revolution der Kunst, die längst im Gange sei, spricht Marc Glimcher von der Pace Gallery mit Felix von Boehm und Silke Hohmann für Monopol: „Egal in welcher Assetklasse, es gibt immer einen fundamentalen Wert. Wenn die Anleger eines Vermögenswerts beginnen, dessen fundamentalen Wert zu ignorieren, können zwei Dinge passieren: Er kann sehr, sehr teuer werden, oder er kann auf null sinken. Etwas von seinem fundamentalen Wert abzukoppeln bedeutet: Glücksspiel. Schaut man sich den Aktienmarkt an, so endet die alte Geschichte von Vermögenswerten, die von ihrem fundamentalen Wert abgekoppelt wurden, immer auf die gleiche Weise, nämlich mit Tränen. Spekulanten richten also für einige Prozesse in der Kunstwelt ein gewisses Maß an Zerstörung an, aber eben nur ein gewisses Maß. Wann immer Künstler selbst in die Dynamik der Spekulation verwickelt sind, ist das der Anfang vom Ende ihrer Künstlerkarriere. Und das ist gut so. Aber hören Sie: Unsere Kunstwelt ist ein alles andere als perfektes Monster, das blind vorwärtsstolpert und neue Welten schafft, aber auf völlig chaotische Art und Weise!“
Porzellan zuckt noch. Ein Jahrhundertereignis sei die Oppenheimer-Auktion in New York gewesen, jubelt Thomas Kemper in seinem Jahresrückblick für die WELTKUNST (kostenlose Registrierung) : „Sie kann letztlich nur mit den großen Berliner Porzellanauktionen der 1910er- und 1920er-Jahre verglichen werden, die den Oppenheimers die einmalige Möglichkeit boten, ihre exorbitante Meissen-Kollektion aufzubauen. [...] Und auch ein Blick zurück auf die Meissen-Offerten der europäischen Auktionshäuser in den letzten zwölf Monaten – von Bonhams über Lempertz, Van Ham, Metz bis hin zu Koller – lässt erkennen, dass beste Qualität nach wie vor gesucht ist. Mit 15 Millionen Dollar hätten die 117 Lose die Schätzpreissumme von 2 Millionen weit hinter sich gelassen.“ Das klingt beeindruckend, bewegt sich im Vergleich zum New Yorker Zeitgenossen-Bereich jedoch eher in Portokassen-Dimensionen.
Was der deutsche Koalitionsvertrag für den Kunsthandel bedeutet, versucht Christiane Fricke im Handelsblatt zu ergründen: „Die Ankündigung der Ampelkoalition, man wolle freie Kulturorte wie Galerien unterstützen, kommentiert mit aller gebotenen Zurückhaltung der Bundesverband Deutscher Galerien und Kunsthändler: 'Damit taucht das Wort Galerie überhaupt erstmals in einem Koalitionsvertrag auf', sagt BVDG-Geschäftsführerin Birgit Maria Sturm.“
Staatliche Förderung gibt es für die private Hochschule der bildenden Künste Essen keine, sie muss sich selbst finanzieren. Und genau das machten ihr Kritiker wiederum zum Vorwurf, denn die Gebühren für den Studiengang Frei Kunst betragen 475 Euro im Monat, schreibt Christiane Hoffmanns in der WeLT: „Kritiker der privaten Hochschule monieren indes die Zugangsvoraussetzungen, dass man in Essen und Wuppertal nicht nur nach der künstlerischen Qualität urteilt, sondern sich Studierende mit gefüllter Geldbörse einkaufen könnten. Das Hochschulgesetz schreibt vor, dass die 'akademischen Belange in Forschung, Lehre und Kunst hinreichend deutlich von den unternehmerischen Interessen abgegrenzt werden' müssen. An den staatlichen Hochschulen gibt es strenge Auswahlverfahren nach künstlerischen Kriterien, die als Garant für Qualität verstanden werden. Auch an der HBK finde ein solches Auswahlverfahren statt, sagt [Akademiegründer Stephan Paul] Schneider. Das Argument, dass man es hier nicht so genau nehmen würde, kennt er nur zu gut. 'Es wäre Harakiri, wenn wir uns nicht an die Vorgaben halten würden', hält er dagegen.“