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Kobels Kunstwoche

Noch eine Mona Lisa
Noch eine Mona Lisa
Stefan Kobel

Stefan Kobel

Kobels Kunstwoche 49 2023

Als alternatives Messeformat könnte man den Berliner Amtsalon bezeichnen, dessen fünfte Ausgabe Christiane Meixner für den Tagesspiegel vom 2. Dezember besucht hat: "Und natürlich summt es im repräsentativen Treppenhaus, den langen Amtsgängen und Sälen wie in den Ausgaben zuvor. Dennoch fällt auf, dass es diesmal weniger Galerien sind. Das Erdgeschoss, sonst visueller Auftakt, wurde zur Garderobe. Es braucht einen Shift für 2024, die leichte, der Neugier geschuldete Variante, damit der 'Amtsalon' nicht leerläuft."

Als kleine Sensation gilt der kürzliche Fund eines Skizzenbuchs von Caspra David Friedrich, das Grisebach in Berlin kurzfristig in die Auktion genommen hat und für das Berlin prompt Kulturgutschutz anstrebt, wie Ursula Scheer in der FAZ erklärt: "Zu bedeutsam für die kulturelle Identität Deutschlands ist dieses Dokument, um einfach so versteigert zu werden, befindet die Berliner Kulturverwaltung. Sie will das 'Karlsruher Skizzenbuch' in das Verzeichnis national wertvollen Kulturguts des Landes Berlin eintragen lassen und hat kurz vor der Auktion ein entsprechendes Verfahren eingeleitet. Mit einer Entscheidung in der Sache ist allerdings erst im Mai 2024 zu rechnen. Bis dahin gilt ein Ausfuhrverbot." Die Ergebnisse bei Grisebach fasst Niklas Maak in der FAZ zusammen: "Trotz, Achtung, neues Monsterfachwort: Kulturgutschutzbehaftung wurde Friedrichs Büchlein bei 1,45 Millionen Euro etwas unterhalb der oberen Taxe einem Bieter zugeschlagen, der vorerst anonym bleiben will. Nicht immer lief es an diesem Abend so gut. In Krisenzeiten klafft das Käuferverhalten auseinander. Entweder gibt es Bieterschlachten, oder die Lose gehen in großen Mengen zurück. Egon Schieles Frühwerk 'Drei Ruderboote' von 1912 erreichte mit 270.000 Euro fast das Doppelte der unteren Taxe; eine 'Große Daphne' der Berliner Bildhauerin Renée Sintenis wuchs auf 400.000 Euro, das Doppelte der oberen Taxe; Lyonel Feiningers abstrahierte 'Wolken überm Meer', die eine seltsame Eigenleuchtkraft zu besitzen scheinen, wurden bei 1,9 Millionen Euro (obere Taxe 1,2 Millionen Euro) zugeschlagen." Die sehr gemischten Ergebnisse versucht Susanne Schreiber für das Handelsblatt einzuordnen: "Das Nebeneinander von Spitzenpreisen und Rückgängen in unüblich hoher Zahl prägte in diesem Herbst national wie international die Auktionssäle. Es ist ein deutliches Zeichen von Unsicherheit in einer Welt, die von zwei Kriegen und zahlreichen Krisen erschüttert wird. Das lässt auch Sammlerinnen und Investoren nicht unberührt."

Ein ähnliches Bild ergab sich bei der Abendauktion von Van Ham in Köln, das ebenfalls Susanne Schreiber im Handelsblatt nachzeichnet: "Licht und Schatten lagen eng nebeneinander bei der Abendauktion im Kölner Auktionshaus Van Ham am 29. November. Es gab zwar ein Millionenwerk, was in Deutschland eher selten ist; und einen Weltrekord. Doch 40 Prozent des Angebots fielen durch. Für das Top-Los sauste der Hammer bereits bei 850.000 Euro nieder. Mit Aufgeld geht das schöne Landschaftsbild 'Monte Carlo' von Max Beckmann aus dem Jahr 1936 im Rahmen der Schätzung für 1,1 Millionen Euro in eine Privatsammlung über. Das extrem schmale Hochformat 'Der Akrobat' von Heinrich Maria Davringhausen indes konnte seine Taxe mehr als verdoppeln. Für den Rekordpreis von 580.800 Euro bleibt das magisch-realistische Werk von 1920 in Deutschland. Das passt zur bereits öfter konstatierten gestiegenen Nachfrage nach Werken der sogenannten Neuen Sachlichkeit."

Gegen den Trend fuhr Karl & Faber in München mit Alter Kunst gute Ergebnisse ein, protokolliert Sabine Spindler im Handelsblatt: "Woanders kommen die Verkäufe mit Alten Meistern und der Kunst des 19. Jahrhunderts gerade ins Stocken. Bei Karl & Faber in München hingegen stieg der Umsatz mit Kunstwerken früherer Jahrhunderte inklusive Altmeisterdruckgrafik. Mehr als 6 Millionen Euro inklusive Aufgeld und Steuern hat der alteingesessene Versteigerer im Jahr seines 100. Jubiläums laut einer Pressemitteilung in dieser Sparte eingefahren. Das ist eine 50-prozentige Steigerung zum Vorjahr."

Von Wehrmachtssoldaten in Polen aufgenommene Fotos sind Niklas Maak für die FAZ im Berliner Auktionshaus Bassenge unangenehm aufgefallen: "Wenn Auktionatoren nur noch ihren Zuschlaghammer sehen, muss man sich über nichts wundern: Wo Bilder nur Ware sind, kann man sogar Fotos, die Wehrmachtssoldaten von Juden machten, mit den gleichen kalten Sprachfloskeln verkaufen wie ein Porträt von David Bailey (Los 4305), vor allem, wenn die Fotos im Gegensatz zu den Menschen, die sie zeigen, 'in very good condition' sind. Man fragt sich, ob irgendwem im Auktionshaus wenigstens kurz die Kaffeetasse aus der Hand gefallen ist, als er sah, was da im Katalog steht; ob inzwischen Künstliche Intelligenzen die Auktionskataloge verfassen, oder ob die KI vielleicht schon mehr Empathie und Takt gelernt hat als ein normaler deutscher Auktionator, der bei mindestens sechshundert Euro für die Juden in Polen zuschlägt. Man fragt sich auch, warum ein Auktionshaus Einlieferer, die versuchen, Opas Frontalbum zu Geld zu machen, nicht einfach an ein historisches Museum verweist, wo man solche Zeitdokumente zwischen Tornistern und Feldpost historisch kontextualisiert findet."

Beim Artwashing autoritärer Golfstaaten sind französische Institutionen gerne vorne mit dabei. Für Monopol berichtet Bernhard Schulz über das neueste Projekt: "Der Ableger des Centre Pompidou soll bis etwa 2029, anderen Angaben zufolge bereits bis 2027 in der Oasenstadt AlUla entstehen. Diese liegt im Nordwesten das Landes, rund 600 Kilometer von der Hafenstadt Dschidda entfernt, wo seit dem vergangenen Jahr Kreuzfahrtschiffe anlegen dürfen und Tagesbesucher in die Altstadt entlassen. [...] AlUla ist ausersehen, eine 'Destination', bevorzugt für wohlhabende Westler, zu werden. Dazu gibt es seit 2018 entsprechende Vereinbarungen mit Frankreich, das bei der Entwicklung des Tourismusziels behilflich ist."

Die Zabludowicz Collection schließe mit London ihren größten und prominentesten Standort, meldet Alex Greenberger bei Artnews. Eine schlüssige Erklärung wird nicht geliefert.

Anlässlich des jüngsten Verkaufs eines Warhols aus der Sammlung Marx macht sich Nicola Kuhn im Tagesspiegel Gedanken: "Sammlerverkäufe aus Museen hat es seitdem immer wieder gegeben, handelte es sich um Leihgaben - auch bei Dauerleihgaben, für die letztlich eine Bleibefrist von nur mindestens 15 Jahren gilt. Die öffentlichen Häuser mussten erst einmal lernen, ihre Verträge anders zu gestalten, wollten sie nicht als Durchlauferhitzer für den Markt dastehen, sondern klug die Bilder der Privatbesitzer zeigen können, für die sie keinen eigenen Erwerbungsetat besaßen."

Die Power 100 von Artreview werden dieses Jahr von Nan Goldin angeführt, gefolgt von Hito Steyerl, einer von sieben Deutschen auf der Liste. Erster weißer Mann ist Larry Gagosian auf Platz 12.

Ein deutscher Sammler, der in den USA bei einer Auktion drei Antiken ersteigert hatte, muss auf richterliche Entscheidung auf zwei von ihnen verzichten, meldet dpa: "Bei der Sargmaske handele es sich zweifelsfrei um nationales Kulturgut Ägyptens, das unter das Kulturschutzgesetz falle. Die Maske wurde laut Gutachten in einer Region hergestellt, die zum heutigen Staatsgebiet Ägyptens gehört und in der zwischen 2011 und 2017 Raubgrabungen stattfanden. Da die Sargmaske zuerst 2017 in Paris versteigert wurde, liege nahe, dass sie aus Raubgrabungen stammt."

Seit Jahrzehnten geistert die seit 1913 bekannte sogenannte "Isleworth Mona Lisa" durch den Blätterwald. Es handelt sich dabei um ein angebliches Vorgängergemälde der Mona Lisa in windigem Investorenbesitz, das gar nicht mal so überraschend wieder einmal aufgetaucht ist, weil es aktuell in einer Turiner Institution mit dem klingenden Namen Promotrice delle Belle Arti gallery ausgestellt wird. Wie üblich schreiben teilweise immer noch durchaus seriöse Publikationen wie die Times (Paywall), Artnews und Artnet munter von sich selbst und voneinander ab, und anscheinend macht sich niemand die Mühe, auch nur fünf Minuten in eigene Recherche zu investieren oder sich eigene Gedanken zu machen. Dann müsste man nämlich feststellen, dass die von der Società Promotrice Delle Belle Arti in Torino ein denkbar ungeeigneter Ort ist, um eine solche Sensation der Weltöffentlichkeit zu präsentieren. Die Bude hat nicht mal eine eigene Webseite, und die auf der schlecht gemachten Facebookpräsenz angegebene Internetadresse steht zum Verkauf.

Ähnlich verhält es sich mit einem angeblich spektakulär sichergestellten Gemälde, das angeblich von Sando Botticell stammt und ebenso angeblich 100 Millionen Euro wert sein soll. Ihren Ausgang genommen hat die Geschichte in Italien, wo sie unter anderem La Repubblica (Paywall) und Artribune verbreitet habe, unter Berufung auf eine Pressmitteilung der Kulturvewaltung von Neapel, die aber wundersamerweise schon wieder von deren Webseite verschwunden und nur noch im Google-Cache einzusehen oder herunterzuladen (PDF) ist. Von dort zog die Meldung in die Welt (CNN) und auch in deutsche Medien, wie t-online, den Deutschlandfunk oder den WDR. Irgendein Behördenvertreter scheint außerdem vor der anwesenden Lokalpresse behauptet zu haben, dass der Wert des Gemäldes sich auf über 100 Millionen Euro belaufen könnte. Der höchste Auktionspreis für ein Werk Botticellis beträgt 92,2 Millionen US-Dollar.

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Dr. Stephan Zilkens | Zilkens Kunstversicherung