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Kobels Kunstwoche

Goodbye Grand Palais, Fiac!
Foto Stefan Kobel
Goodbye Grand Palais, Fiac! Foto Stefan Kobel
Stefan Kobel

Stefan Kobel

Kobels Kunstwoche 5 2022

Die Kaperung des Grand Palais und der Rauswurf der Fiac durch die Art Basel-Mutter MCH (Pressemitteilung als PDF) ist für Ingo Arend in der Süddeutschen Zeitung „ein ruchloser Akt“: „Es geht bei dem Pariser Akt also darum, den Anspruch auf die Vorherrschaft auf dem umbrechenden europäischen Markt mit seinem neuen Kraftzentrum Paris symbolisch zu demonstrieren. Sollte das mit einer überzeugenden Messe gelingen, wäre es auch der erste, weltweit sichtbare Beweis, dass James Murdoch, der milliardenschwere Sohn des Medienmoguls Rupert Murdoch, seit 2020 Mehrheitsaktionär der MCH-Messegesellschaft, nicht nur mit viel Geld ein schwankendes Imperium vor dem Bankrott retten, sondern den Basler Traditionstanker auch auf substanziell neuen Kurs bringen kann.“

Bettina Wohlfarth betrachtet die Angelegenheit in der FAZ vom 29. Januar nüchtern, verweist auf gleichfalls kritikwürdige Verhalten des Fiac-Betreibers RX France und bemerkt: „Zugleich bot dies eine Gelegenheit, die Nutzungsgebühr im Grand Palais und in dem derzeitigen Provisorium Grand Palais Émphémère zu erhöhen, was sich für die Aussteller in höheren Standgebühren niederschlagen könnte. RX France hat den Zuschlag für die Weiterführung der Paris Photo bekommen, mit einer auf 7,3 Millionen Euro gestiegenen Platzgebühr für einen Vertrag von sieben Jahren. Die neue Kunstmesse, die MCH zugefallen ist, soll für denselben Zeitraum 10,3 Millionen Euro zahlen.“

Die Reise nach Jerusalem um Orte und Termine versuche ich im Handelsblatt auf den neuesten Stand zu bringen.

Art Cologne-Direktor Daniel Hug greift auf Instagram einen alten Post von sich auf, in dem er der Art Basel Kolonialismus vorwirft und kritisiert: „Letztlich bedeutet dies, dass Paris niemals eine Kunstmesse von gleichem Rang wie Basel haben wird, denn die MCH Group wird dies niemals zulassen, es ist einfach nicht in ihrem Interesse.“

Die Art Basel Hong Kong ist (wenig überraschend) vom März in den Mai verlegt, meldet Maximilíano Durón bei Artnews. Auf Deutsch hat die Meldung Werner Remm bei Artmagazine.

In Wien soll man ja mit allem etwas später dran sein. Dafür scheint man es dann gerne übertreiben zu wollen. Das Belvedere (Pressemitteilung als PDF) verkauft (Video) zum Valentinstag 10.000 je 100 mal 100 Pixel große Stücke eines digitalen Bildes von Gustav Klimts „Kuss“ zu je 1.850 Euro. Abgesehen von der Möglichkeit, Namen und Liebesbotschaften an einer digitalen Pinnwand zu hinterlassen, sind mit den NFTs wie üblich keinerlei Rechte an dem physischen Kunstwerk verbunden, nicht einmal eine private Fotogelegenheit vor dem Original oder ähnliches. Insgesamt sollen damit 18,5 Millionen Euro zusammenkommen. Wolfgang Bergmann, Geschäftsführer des Belvedere, scheint das sogar für preiswert zu halten: „Die für den Weltmarkt sehr kleine Zahl der Anteile und die Tatsache, dass jeder Teil unverwechselbar ist, macht diese Tokens so kostbar“, heißt es in einer Pressemitteilung. Ob der private Partner wohl auch zur Hälfte am Erlös beteiligt wird, wie das beim Dono-Tondo der Uffizien der Fall war, allerdings bei einem sehr viel kleineren Gesamtvolumen. In Wien heißt die Firma artèQ, „ein Unternehmen der Donau-Finanz Group, [...] ein NFT-Investmentfonds und Auktionshaus mit dem Ziel, Innovation, Technologie und Kunst zu vereinen“. Nachgefragt hat dort Werner Remm für Artmagazine: „Die Information, wie hoch die Provision von ArteQ im Rahmen der Kooperation sei, verweist man auf vertrauliche Vertragsdetails – unüblich im NFT-Business mit Kunst, ist doch gerade die hohe Transparenz gegenüber dem herkömmlichen Kunstmarkt ein wichtiges Argument seiner Befürworter. So ganz ist man im Belvedere mit dieser Aktion in der Welt der Krypto-Kunstvermarktung wohl noch nicht angekommen.“

Einen zweischneidigen Vorteil attestiert Stephanie Dieckvoss NFTs im Handelsblatt: „Zum anderen muss man sich nicht mit Kunst auskennen. Das hat schon immer neue Sammlergruppen fasziniert. Was kann man kaufen, wenn man sich nicht mit klassischer Bildung auskennt oder nicht an ihr interessiert ist? Dies spricht die Technologie orientierte, vor allem männliche, junge Kundschaft der NFT-Szene an.“

Die Probleme von Museen bei Bewertung und Lagerung von NFTs beschreibt Kevin T. Dugan im New Yorker.

Opensea, einer der größten NFT-Marktplätze habe nach Protesten davon Abstand genommen, die Zahl der Objekte zu begrenzen, die einzelne Accounts einstellen können, meldet Shanti Escalante-De Mattei bei Artnews : „Im Verlauf der Kontroverse wiesen OpenSea-Nutzer darauf hin, dass das Unternehmen, anstatt die Anzahl der erstellten NFTs zu begrenzen, Diebstahl und Spam anders hätte angehen können, um den Umfang ihrer Collections nicht zu kontrollieren. Dazu gehört, dass OpenSea alle legitimen Konten verifiziert, die auf seiner Plattform erstellt werden, und nicht nur hochkarätige Marken und Künstler, sowie einen Algorithmus für maschinelles Lernen einsetzt, um Bilder und ihre Metadaten auf Blockchains und Marktplätzen von Drittanbietern auf mögliche Plagiate und Urheberrechtsverletzungen zu prüfen.“ Der Grund für die ursprüngliche Sperrung sei gewesen, dass 80 Prozent der kostenlos auf der Plattform geminteten NFTs entweder betrügerisch oder raubkopiert seien, weiß Jordan Pearson von Vice.

Die britische Premier League und die Uefa erwägen einem Bericht von Anny Shaw im Art Newspaper zufolge eine Klage wegen Urheberrechtsverletzung gegen den Ape Kids Clup, der Kinder mit Bildern von kleinen Affen (Durchschnittspreis 1.300 US-Dollar pro Stück) für NFTs begeistern will, weil darauf geschützte Embleme der beiden Organisationen zu sehen sind. Das verspricht einen interessanten Rechtsstreit, weil ein Gericht dann zu klären hätte, ob und ab welcher Schöpfungshöhe NFTs unter die Kunstfreiheit fallen.

Der New Yorker Altmeister-Auktion von Sotheby's sei ein bescheidener Erfolg deutlich unterhalb des Vorjahresergebnisses beschieden gewesen, urteilt Angelica Villa bei Artnews. Für bemerkenswerter hält sie jedoch einen anderen Umstand: „Wie bei großen Auktionen üblich, waren 11 Werke, darunter Bilder von Sandro Botticelli, Peter van Mol und Bellini, durch finanzielle Garantien abgesichert, d. h. für den Fall, dass sie bei der Auktion nicht verkauft werden konnten, war bereits ein Käufer gefunden worden. Insgesamt brachten diese 11 Werke 63 Millionen Dollar ein (einschließlich Käufergebühren) und machten damit satte 70 Prozent des Gesamtergebnisses der Auktion von 91 Millionen Dollar aus.“ Damit handelt es sich nur noch zu einem geringen Anteil um eine Auktion im eigentlichen Sinn.

Aus dem Museum qua umstrittener Restitution auf den Auktionsblock – den Weg eines Hauptwerks von Franz Marc zeichnet dpa nach: „Nur wenige Wochen nach der Rückgabe an die Erben des einstigen jüdischen Besitzers soll das expressionistische Meisterwerk „Die Füchse“ von Franz Marc in London versteigert werden. Das auf 35 Millionen britische Pfund (rund 42 Millionen Euro) geschätzte Ölgemälde kommt am 1. März als Hauptwerk in die Abendauktion, wie das Auktionshaus Christie's am Freitag mitteilte.“

Für das Handelsblatt hat sich Christiane Fricke den Fall genauer angesehen: „Doch es wird auch so manchen geben, der sich in der Annahme bestätigt fühlt, dass es den Erben von Kurt und Else Grawi doch nur um Geld geht. Die schnelle Veräußerung ist indes ihre Privatsache. Noch dazu über 80 Jahre nach der Flucht aus Nazi-Deutschland und dem damit zusammenhängenden anschließenden Verkauf des Gemäldes, der die Grundlage für eine neue Existenz in Chile legen sollte. Das Ehepaar Grawi ist längst tot, die Haupterbin betagt; und so kann man sich vorstellen, dass viele Gründe für eine Liquidierung gesprochen haben könnten, nicht zuletzt die hohen Rechtsanwalts- und Verfahrenskosten.“

Die Eröffnung einer privaten Kunsthalle im Flughafen Tempelhof, um dessen Zukunft in Berlin ohnehin schon seit Jahren heftigst gestritten wird, hat nach einem Text von Niklas Maak über das „System Smerling“ in der FAS vom letzten Sonntag (Paywall) reichlich Kritik erfahren. In den sozialen Medien, etwa auf Facebook rufen Mitglieder der Kunstszene zu einem Boykott der Ausstellung auf, der es bis in den dpa-Newskanal geschafft hat: „Anstelle einer durchdachten Initiative im Interesse der breiten Kunst- und Kulturgemeinschaft in Berlin (wie man es von einer Institution, die den Namen 'Kunsthalle Berlin' trägt, erwarten könnte), lässt sich die neue 'Kunsthalle' treffend als zynisches, neoliberales Vehikel beschreiben, das in erster Linie dazu dienen wird, das Ansehen und den privaten Reichtum all derer zu steigern, die mit ihr verbunden sind. Smerling mag zwar die herzliche Unterstützung von Wladimir Putin, Armin Laschet, Anselm Kiefer, Markus Lüpertz und Lars Windhorst geniessen (und, was vielleicht am enttäuschendsten ist, von prominenten Politiker*innen), aber er hat nicht die Unterstützung von Berlins Künstler*innen und Kulturschaffenden im Allgemeinen.“ Der private Betreiber erhalte die Hallen mietfrei und trage lediglich die Betriebskosten, lässt der berufsverband bildender künstler*innen berlin in einer Pressemitteilung wissen. Wie eine öffentliche Kunsthalle an dieser Stelle realisiert werden könnte, sei wegen der enormen Kosten jedoch nicht auszumachen, merkt Ingeborg Ruthe in der Berliner Zeitung an: „So wird also nichts aus der Kunsthallen-Idee. Die Bonner Stiftung hingegen bringt die Finanzen auf und kann auf Spenden bauen, um die 8000 Quadratmeter mit einer Infrastruktur, die man lieber mit 'Sie' ansprechen sollte, publikumsmagnetisch zu bespielen. Der Name 'Kunsthalle Berlin' prangt da als Versprechen. Vielleicht geht der Coup ja auch ’ne Nummer kleiner. Wie wärs mit Kunsthalle Tempelhof?“

Auf der anderen Seite des kunstweltanschaulichen Spektrums knöpft sich Stefan Trinks in der FAZ den Trend zu Kollektiven am Beispiel der documenta vor: „Mit der nun vollzogenen Quasi-Kolchosisierung der Documenta hat sich ruangrupa die Invasion auch der alleralltäglichsten Probleme in den ästhetischen Bereich eingehandelt. Die einst garantierte künstlerische Freiheit ist dadurch einer prinzipiellen Angreifbarkeit gewichen. Insofern ist die Emphase, mit der sich amtierende und einstige Bürgermeister von Kassel zur Verteidigung des Projekts auf die Freiheit der Kunst berufen, verfehlt: ruangrupa wollte eine durch und durch politisierte Documenta; nun wird sie sich politisch befragen lassen müssen.“

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Dr. Stephan Zilkens | Zilkens Kunstversicherung