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Die Begleitumstände der zwölften Artgèneve sind unschön. Schon länger war bekannt, das ihr bis dahin als extrem erfolgreich geltender Gründungsdirektor Thomas Hug im letzten August fristlos entlassen worden war. Über die Hintergründe und Vorwürfe von Urkundenfälschung, Betrug, ungetreuer Geschäftsbesorgung und Diebstahl gegen Hug berichteten kurz vor Eröffnung der Artgenève zahlreich französischsprachige Medien, unter anderem Sylvia Revello von Le Temps. Claude Membrez, CEO der Messegesellschaft Palexpo, wird dabei ausführlich zitiert - gelogen, betrogen und getäuscht solle der geschasste Direktor haben. Aufgefallen sei das Ganze erstmals im Jahr 2022, also nach zehn Jahren seit Start der Messe. Am 23. Januar berichtete Jo Lawson-Tancred für Artnet in Zusammenfassung der europäischen Kollegen. Einen Tag später folgte Monopol mit einem längeren Beitrag im Rahmen seiner Presseschau. Wiederum einen Tag später nimmt im selben Medium Lisa-Marie Berndt den Faden auf. Sabine B. Vogel folgt am 28. Januar in der Presse (Paywall) aus Wien.
Abgesehen von der Verdachtsberichtserstattung inklusive Ventilierens von wilden Tatsachenbehauptungen, die man belegen können sollte, scheint wirklich niemandem die Chronologie der Ereignisse hinterfragenswürdig. Zehn Jahre lang will bei der Palexpo niemand etwas gemerkt haben, im vergangenen Sommer wird Anzeige erstattet und just, als der Beschuldigte eine neue Veranstaltung aus der Taufe hebt, kommt alles an die Presse. Nicht zuletzt angesichts der mageren Performance der Palexpo-Führung - siehe Autosalon, riecht das schon etwas streng. Ich war für Handelsblatt und Artmagazine in Genf.
Abgerechnet wird zum Schluss, und da fällt die Bilanz für die ART SG in Singapur laut Karen K. Ho bei Artnews nicht so positiv aus: "Trotz all dieser Ergebnisse sagten mehrere Galerien gegenüber ARTnews, dass sie auf der ART SG schlechte oder gar keine Verkäufe erzielten oder dass ihre Erfahrungen ein großes Fragezeichen hinterließen, ob sie für zukünftige Ausgaben zurückkehren würden. Ein europäischer Stand hat nur vor der Messe Werke an Sammler verkauft und wird alles zurückschicken müssen. 'Das war frustrierend', sagten sie und baten darum, anonym zu bleiben, damit sie offen sprechen konnten. 'Ich glaube nicht, dass wir zurückkommen werden.' Eine andere südasiatische Galerie berichtete, dass sie nur ein Werk, das sie ausgestellt hatte, an einen lokalen Sammler in ihrem Heimatort verkauft hat. 'Ich glaube nicht, dass die Kunstmesse die Erwartungen realistisch genug formuliert hat.'"
Gutgehen ließ es sich offenbar Regine Müller auf der Brafa für das Handelsblatt und den Tagesspiegel: "Dabei schwelgt auch die Brafa durchaus in Luxus und Genuss, vielleicht sogar mehr als die Tefaf, deren Standpreise nicht nur mehr als doppelt so hoch liegen wie die der Brafa, auch die Gastronomie ruft in Maastricht Spitzenpreise auf. In Brüssel dagegen sind am Preview-Tag in den Gängen lange Tische aufgebaut, an denen am Abend die Galerien ihre Kunden bewirten. Und schon bei der Vorbesichtigung werden großzügig Snacks und Champagner angeboten." Alles wie gehabt also. Eine Neuerung gibt es jedoch zu vermelden: "Neben den vielen Stammgästen sind in diesem Jahr mehr als die Hälfte der 20 neuen Aussteller Spezialisten für Alte Meister." Andernorts befindet sich dieses Segment seit Jahren auf dem Rückzug. Doch die Veranstalter scheinen die Vielfalt noch weiter auffächern zu wollen, hat Ursula Scheer für die FAZ erfahren: "Noch größer soll die Bandbreite dem Wunsch des BRAFA-Leitungskomitees nach werden, vielleicht mit Street-Art und Fotografie, und die Teilnehmerzahl soll sich auf bis zu 150 erhöhen – mehr aber auch nicht. In Brüssel weiß man: Fülle, ins Maßlose gesteigert, könnte ins weniger Traumhafte umschlagen. Zu entdecken gibt es auf der BRAFA auch jetzt schon genug." Da fehlt gerade noch Street Art, die das ohnehin teils schwache Zeitgenossen-Segment der Messe nach unten abrundet. Für Artnet war Lee Carter in Brüssel.
Die erste Ausgabe von Condo in London nach vier Jahren hat Scott Reyburn für die New York Times besucht: "Die britische Wirtschaft stagniert, der internationale Kunstmarkt befindet sich im Abschwung und die Welt wird durch die anhaltenden geopolitischen Krisen im Nahen Osten, in der Ukraine und darüber hinaus belastet. Und doch wächst die Londoner Galerieszene für zeitgenössische Kunst - vielleicht sogar entgegen der Intuition - weiter. Am vergangenen Wochenende fand die Vorpremiere der sechsten Ausgabe von Condo London statt, einer stadtweiten Gemeinschaftsausstellung, bei der 27 eingeladene internationale Galerien Ausstellungen in 23 Londoner Galerien für zeitgenössische Kunst präsentieren." Neu eröffnete Galerien erkundet Stephanie Dieckvoss auf einem Rundgang durch London für das Handelsblatt.
Die spannende Geschichte des mit einer Taxe von 30 bis 50 Millionen teuersten jemals in Österreich in einem Auktionshaus angebotenen Kunstwerks, dem wiederentdeckten "Bildnis Fräulein Lieser" von Gustav Klimt, erzählt Werner Remm im Artmagazine: "Das Werk selbst, nachgerade ein Musterbeispiel eines späten (unvollendeten) Klimts, steht nun in aller kräftigen Farbigkeit für sich. Während die Klimt-Forschung diesbezüglich nun einmal mehr neu geschrieben werden wird, geht das Fräulein Lieser, bevor sie am 24. April mit einem Schätzpreis von 30 – 50 Millionen Euro in Wien zum Aufruf gelangt, auf Reisen: in die Schweiz, nach Großbritannien und Hongkong. Ob sie danach wieder dauerhaft in Österreich verbleibt ist eher ungewiss. Eine Ausfuhrbewilligung des Bundesdenkmalamtes liegt vor. Womöglich nimmt die Dame einen lukrativen Posten als Botschafterin für Auslandskultur an." Olga Kronsteiner lobt im Standard das Verhalten von Einlieferer und Auktionshaus: "Ein Restitutionsvergleich der vorbildlichen Sorte, da sich bei den Recherchen in den vergangenen Monaten zwar kein Nachweis einer Entziehung, einer Beschlagnahme oder eines Notverkaufs fand, jedoch die Umstände des Verbleibs in der NS-Zeit, nach Ende des Zweiten Weltkriegs und bis in die 1960er-Jahre nicht geklärt werden konnten. Eine Suche nach dem Bild durch die Nachfahren der ehemaligen Eigentümer war nie aktenkundig geworden." Für englischsprachige Leser gibt es bei Artnet eine tags darauf erschienene Version von Jo Lawson-Tancred.
Womöglich noch abenteuerlicher ist die Provenienz der "Blekkinks", einer Sammlung von Korwar-Skulpturen aus Indonesien, von denen eine bei Lempertz in Brüssel versteigert (am 31. Januar, nicht Dezember, wie irrtümlich im Artikel vermerkt), wie Ursula Scheer in der FAZ berichtet: "Ihm zufolge wurde Henry Blekkink 1888 auf Java als Sohn eines niederländischen Lehrers geboren. Schon zehn Jahre später kehrten seine Eltern mit ihm in die Heimat zurück, wo der Vater 1900 starb. Über Henry Blekkink ist nicht viel mehr bekannt, als dass er als Erwachsener von Utrecht nach Den Haag zog, nie heiratete und an einer christlichen Schule unterrichtete. Seine Korwar-Sammlung, die er in einem eigens für sie reservierten Vitrinenschrank verwahrt haben soll, erbte ein Neffe. Der wickelte die Kunstwerke kurz nach dem Tod des Onkels kurzerhand in Zeitungspapier und packte sie weg. Erst nach seinem eigenen Tod wurden sie wieder hervorgeholt – und verkauft."
Die außergerichtliche Beilegung des Copyright-Streits zwischen Richard Prince und zwei Fotografen meldet Matt Stevens in der New York Times: "Matt Gaughan, der Studiomanager von Prince, sagte, der Künstler habe sich 'hartnäckig geweigert, die Rechtsverletzung zuzugeben' und 'zugestimmt, den über acht Jahre andauernden kostspieligen Rechtsstreit für einen winzigen Bruchteil dessen beizulegen, was ein Gerichtsverfahren kosten würde'." Gut wahrscheinlich für alle Beteiligten. Für alle, die an der Grenzen der Kunstfreiheit interessiert sind, eher weniger.
Allmählich landen die ganzen NFT-Betrügereien aus den Boom-Zeiten vor Gericht. Tessa Salomon stellt einen Fall bei Artnews vor. Einen Crashkurs in Sachen NFT gibt die neue insgesamt 45-minütige Reihe "NFT: Chaos in der Kunstwelt" auf Arte.
Über neue Entwicklungem im Management von Phillips berichtet Angelica Villa bei Artnews.
Hongkongs Kunstmarkt blüht und gedeiht offenbar, so Reena Devi bei Artnews: "Trotz der jüngsten Spekulationen darüber, dass Hongkongs Vorrangstellung als wichtiger Akteur in der Kunstwelt in den letzten Jahren nachgelassen hat, was vor allem auf innenpolitische Proteste und die Beschränkungen des Covid-19 zurückzuführen ist, setzen Megagalerien und globale Auktionshäuser weiterhin auf die Stadt. In dieser Woche eröffnete Hauser & Wirth eine neue Galerie auf Straßenebene im zentralen Geschäftsviertel von Hongkong."
Das Anwesen der ehemaligen Medien-Mogulin Louise Blouin sei von Sotheby's mit einem Zuschlag bei 79 Millionen US-Dollar netto versteigert worden, nachdem zuvor auch schon 150 Millionen Dollar gefordert worden seien, berichtet Jennifer Gould in der New York Post.
Gute Nachrichten von einem Unternehmen aus einer benachbarten Branche des Kunstmarkts mit gewissen Schnittmengen, allerdings mit mehr Umsatz (allein) als dieser (insgesamt)! Der Luxusgüterkonzern LVMH habe im vergangenen Jahr bei einem Umsatz von über 86,2 Milliarden Euro einen Nettogewinn von 15,2 Milliarden Euro erzielt, meldet das Handelsblatt: "Getrieben wurde die Geschäftsentwicklung von der mit Abstand größten Konzernsparte, dem Geschäft mit Mode und Lederwaren." Ob wohl die Komma Zwei bei Umsatz und Gewinn für die von bildenden Künstlern gestalteten Waren eingespielt wurden?