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Kobels Kunstwoche

Jahresenddekoration; Foto Stefan Kobel
Jahresenddekoration; Foto Stefan Kobel
Stefan Kobel

Stefan Kobel

Kobels Kunstwoche 51 2023 - die letzte in diesem Jahr

Bald dauert der Ukraine-Krieg zwei Jahre an, neu dazu gekommen ist der im Nahen Osten. Gleichwohl ist der Kunstmarkt fast zum business as usual zurückgekehrt. Der Rückblick auf das letzte halbe Jahr besteht diesmal aus zwei Teilen.

Abgerechnet wird zum Schluss, und die Ukraine führt umsichtigerweise Buch, auch über Kunst im Besitz von sanktionierten Russen, berichtet Ursula Scheer Anfang August in der FAZ: „Die Nationale Agentur zur Korruptionsprävention (NACP) des Landes hat die für weitere Meldungen offene Datenbank unter dem Rubrum „War & Art“ zusammengestellt. Sie soll nicht nur die Reichtümer von Putins Wirtschaftselite publik machen, sondern als leicht handhabbares Instrument dabei helfen, den Weiterverkauf aufgeführter Kunstwerke zu verhindern oder Beschlagnahmungen zu ermöglichen. Laut NACP ist es für Oligarchen immer noch zu leicht, Geld mit Kunst zu waschen oder zu verstecken. Die auf Sanktionsdurchsetzung fokussierte Datenbank weist allerdings Unschärfen auf: So führt sie nicht nur Kunstwerke in aktuellem russischem Besitz auf, sondern auch solche, die früher durch die Hände von Oligarchen gegangen sind.“

Nach Sotheby's und Christie's liefert auch Phillips schlechte Zahlen, berichtet Angelica Villa bei Artnews: „Phillips meldete für das erste Halbjahr 2023 einen weltweiten Umsatz von 453 Millionen US-Dollar, ein deutlicher Rückgang um 39 Prozent im Vergleich zu den 746 Millionen US-Dollar des ersten Halbjahres 2022. Im Vergleich zu den 542,7 Mio. USD, die für das erste Halbjahr 2021 gemeldet wurden, war das ein Anstieg um 37 Prozent. Die Auktionsverkäufe machten 409 Millionen Dollar der Gesamtsumme für das erste Halbjahr 2023 aus, die auch private Verkäufe einschließt. Das sind 31 Prozent weniger als die 590 Millionen Dollar, die für den gleichen Zeitraum des letzten Jahres gemeldet wurden. Der diesjährige Wert war auch niedriger als die 452 Millionen Dollar, die in der ersten Hälfte des Jahres 2021 gemeldet wurden. Auch die privaten Verkäufe gingen deutlich zurück, und zwar um 72 Prozent auf 44 Mio. $ gegenüber dem Vorjahresergebnis von 156 Mio. $. Der Rückgang der privaten Verkäufe ist umso bemerkenswerter, wenn man bedenkt, dass das Ergebnis des letzten Jahres ein Rekordhoch war“.

Viel zu wenig auf dem Schirm hat der Kunstmarkt wahrscheinlich gerade das Segment, das zwar immer naserümpfend beäugt wird, wenn es sich in die Peripherie des Kunstmarkts drängt, aber nie richtig ernstgenommen: Luxusgüter. Für das Handelsblatt beschreibt Christian Herchenröder die Entwicklung: „In seinen weltweiten Luxusauktionen erlösten Christie’s 2022 imposante 779 Millionen Dollar. Zu Vergleich: Im selben Jahr spielten die Auktionen von Kunst der sogenannten 'emerging artists' in allen drei großen Häusern nicht mehr als 350 Millionen Dollar ein. Asiaten bilden die wichtigste Käuferschicht. Im ersten Halbjahr 2023 dominierten laut 'Asianews' asiatische Käufer zu 38 Prozent die globalen Luxusgüter-Auktionen, während amerikanische Bieter nur zu 28 Prozent aktiv waren. Die starke Präsenz der Luxusgüter in den weltweiten Auktionen geht einher mit einer schleichenden Marktveränderung, die vom thematischen zum vielgestaltigen Sammeln führt.“

Weitreichende Folgen nicht nur für den Kunstmarkt dürfte ein US-Urteil zum Urheberrecht an KI-generierten Bildern haben, wenn es auch letztinstanzlich Bestand haben sollte. Tessa Salomon berichtet bei Artnews: „Ein Bundesrichter in Washington, D.C., entschied am Freitag, dass Kunstwerke, die von künstlicher Intelligenz erzeugt werden, nicht urheberrechtlich geschützt werden können, weil es ihnen an 'menschlicher Beteiligung' mangelt, und bestätigte damit eine Entscheidung der US-Urheberrechtsbehörde vom März. Das Urteil ist das erste in den USA, das die Grenzen des rechtlichen Schutzes für von künstlicher Intelligenz erzeugte Kunst festlegt, deren ungeheure Popularität eine nebulöse rechtliche Grenze eröffnet hat, die - im Guten wie im Schlechten - von der Bewertung von Ästhetik und Originalität bestimmt wird. Richterin Beryl A. Howell vom US-Bezirksgericht für den District of Columbia stimmte der Entscheidung des US-Urheberrechtsamtes zu, einem Kunstwerk, das der Informatiker Stephen Thaler mit der von ihm entwickelten 'Creativity Machine' geschaffen hat, den Urheberrechtsschutz zu verweigern.Howell schrieb in ihrem Antrag, dass 'Gerichte es einheitlich abgelehnt haben, das Urheberrecht für Werke anzuerkennen, die ohne jegliche menschliche Beteiligung entstanden sind.'“

Der Skandal um die Kuntberaterin Lisa Schiff zieht immer größere Kreise, berichtet Alex Greenberger bei Artnews: „Laut der Winston Art Group, der Beratungsfirma, die von [dem Insolvenzverwalter Douglas J.] Pick mit der Inventarisierung von Schiffs Unternehmen beauftragt wurde, gibt es 108 Kunstwerke, deren Verbleib noch unbekannt ist, von Künstlern wie Damien Hirst, Richard Prince, Virgil Abloh, Jana Euler, Alex Israel, Joel Mesler, Ugo Rondinone, Julie Mehretu und Lisa Edelstein, einer Schauspielerin, die früher Kunst produziert hat und mit Schiff befreundet ist.“ Auch die Zahl der Geschädigten sei mittlerweile deutlich größer als bisher bekannt.

Eine mittelmäßige Saison attestiert Nicole Scheyerer Anfang Septemer der österreichischen Auktionsbranche in der FAZ, ohne Umsätze zu nennen: „Ausreißer nach oben bot das erste Halbjahr im österreichischen Auktionsgeschehen wenige. Sichere Nachfrage bestand aber für qualitätsvolle orientalistische Malerei“.

Die Muttergesellschaft der Art Basel macht wieder Gewinn, geht aus ihrem Geschäftsbericht hervor, den ich für das Handelsblatt zusammenfasse.

Das Kunstmagazin art scheint jetzt wohl doch nicht verkauft zu werden, meldet dpa: 'Gruner + Jahr-Chef Bernd Hellermann teilte zu 'Art' mit: 'Das Magazin ist profitabel und gut aufgestellt. Wir werden es nun - gemeinsam mit Chefredakteur Tim Sommer und dem gesamten Team - selbst weiterentwickeln.' Die Marke habe mit ihrer 'hervorragenden Positionierung an der Spitze des Segments große Potenziale, insbesondere im Digitalen, die wir erschließen wollen.'“ Um sich im Internet hinten anzustellen, weil man ja seine Online-Aktivitäten bis auf den Shop vor einigen Jahren eingestampft hatte. Vielleicht wäre es zur Abwechslung mal eine gute Idee, Verlage von Verlegern und Zeitschriften von Journalisten führen zu lassen und nicht von quartalszahlengetriebenen Erbsenzählern.

Der Skandal im British Museum lässt Tobias Timm für die ZEIT nach Deutschland und auf die hiesigen Defizite blicken: „Auch in vielen deutschen Museen, so hört man von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die anonym bleiben wollen, gibt es noch Kisten mit antiken Objekten, Grafikkonvoluten, Nachlässen, die schlecht dokumentiert sind – und so zur leichten Beute von Dieben werden könnten. Das Sammelgut bleibt zudem meist auch unerforscht und ungesehen. Es sei eine der großen Aufgaben des 21. Jahrhunderts, sagt die in Berlin und Paris lehrende Kunsthistorikerin Bénédicte Savoy, ein politisches Bewusstsein dafür zu schaffen, dass das, was europäische Museen hüten, sich nicht in ihrem alleinigen Besitz befindet, sondern in der Verantwortung der allgemeinen Öffentlichkeit liegt – im ethischen wie im materiellen Sinn. 'Je vollständiger und transparenter eine Sammlung im Internet zugänglich ist, desto besser lässt sich dieser Verantwortung weltweit gerecht werden und desto sicherer ist das für das Kulturgut.'“

Anfang September hat sich zum neuen Hotspot im Kunstweltkalender entwickelt, die Auswahl ist mittlerweile so unüberschaubar, dass nicht nur das Publikum, sondern auch Medien stark auswählen müssen, wem sie ihre Aufmerksamkeit schenken. Das Brussels Gallery Weekend findet bestenfalls noch in lokalen Medien Berücksichtigung.

Die Wiener Kunstmessen haben eine bewegte Geschichte, die Nicole Scheyerer anlässlich der Viennacontemporary in der FAZ anreißt: „Die Viennacontemporary hat drei schwierige Jahre hinter sich, und das nicht nur wegen Covid. Zwar fand sie im Herbst 2020 als eine der wenigen Kunstmessen Europas physisch statt, aber mit kaum ausländischer Beteiligung, niedrigeren Standmieten und reduziertem Publikum. Nach diesen Verlusten trat 2021 auch noch die Konkurrenz Spark Art Fair auf den Plan, der viele Wiener Galerien den Vorrang gaben. Nach dem Beginn des Krieges in der Ukraine zog sich der russische Mehrheitseigentümer Dmitry Aksenov zurück, der seit 2013 viel Geld in die Viennacontemporary gesteckt hatte. Gewinn soll diese ohnehin nie erwirtschaftet haben. Laut Messemanager Huber machten Aksenovs Verlustvorträge dessen Adieu zu einem teuren Abnabelungsprozess. Die öffentliche Hand griff der Viennacontemporary mit 1,69 Millionen Euro unter die Arme. Die Höhe dieser Corona-Hilfe – mehr als für jede andere Messe in Österreich – sorgt für Diskussionen. Dieses Jahr hat die Viennacontemporary in eine bessere Standgestaltung investiert, die das Büro BWM Architekten in Form langgestreckter Kojen baute.“

Nach zahlreichen westlichen Galerien schickt sich die Frieze mit ihrer zweiten Ausgabe an, Seoul als neues Marktzentrum in Asien zu stärken, beobachtet Laura Storfner im Tagesspiegel (Paywall) : „Die Frage, ob Hongkong als Hub in der Region von Seoul abgelöst wird, beschäftigt die Kunstwelt nicht erst seit diesem Messeherbst. Die einen sagen, Singapur und die südkoreanische Hauptstadt liefern sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen um die Poleposition auf dem asiatischen Kunstmarkt. Andere sehen mit der Rückkehr der Art Basel ein Wiedererstarken Hongkongs nach Covid – trotz zunehmender Repression. Doch alle sind sich einig: Seoul vibriert. Die Stadt hat den Aufstieg verdient – dank ambitionierter Institutionen wie dem Leeum Museum und einer Galerieszene, die international mithalten kann.“

Der Schwerpunkt des Berichts von Frauke Steffens für die FAZ liegt auf der Armory: „Zurück sind die Kunstsammler aus den Sommerresidenzen auf Long Island oder Cape Cod. Sie schieben sich nun wieder durch die Hallen der ersten großen Kunstmesse der Saison statt durch Staus auf den Straßen zu den Stränden. Die Armory Show gastiert erst zum dritten Mal im Javits Center auf der Westseite Manhattans, und schon stehen wieder große Veränderungen an: Der in London beheimatete Kunstmessenausrichter Frieze hat die New Yorker Konkurrenz gekauft – für 124 Millionen Dollar von einem Investorenkonglomerat (F.A.Z. vom 15. Juli). In der Messehalle liegt die Zeitung 'The Art Newspaper' aus, die dramatisch titelt, es gebe eine 'britische Invasion'. Zumindest auf personeller Ebene sieht es bisher eher nach Kontinuität aus: Die Messechefin Nicole Berry, seit 2017 im Amt, bleibt.“

Anfangs grantelt Niklas Maak in der FAZ etwas über die Berlin Art Week, am Ende ist er dann aber doch versöhnt: „Berlin hat viel Kunst, aber keine große Messe. Immer wieder gab es Versuche, die Hauptstadt zu einem Ort zu machen, an dem Kunst nicht nur produziert, sondern auch gekauft wird: Es gab das Art Forum, die abc, die Art Berlin; überlebt haben nur das Gallery Weekend, das Anfang Mai stattfindet, und die Kleinmesse Positions, die es seit zehn Jahren gibt und die gerade wieder im ehemaligen Flughafen Tempelhof Galerien aus zwanzig Ländern ein Forum bietet. Auch sie ist Teil der Berlin Art Week, bei der bis Ende dieser Woche in mehr als hundert Museen, Ausstellungshäusern, Projekträumen, Diskotheken, Hotelruinen und Galerien Kunst zu sehen ist. Man kann das Konzept des Festivals, das die aus mehreren Senatsetats reich ausgestattete landeseigene Kulturprojekte Berlin GmbH organisiert, chaotisch und das Geld für nicht in allen Fällen gut angelegt finden. Aber natürlich kann man bei solch einem Großaufmarsch immer vieles entdecken.“

95 Prozent aller NFT-Sammlungen seien inzwischen wertlos, berichtet Jörn Brien bei t3n: „Demnach soll es derzeit 73.257 NFT-Sammlungen geben, von denen 69.795 – oder gut 95 Prozent – komplett wertlos sind. Dadurch sollen fast 23 Millionen Investor:innen Geld verloren haben. Ebenfalls interessant: 79 Prozent aller erstellten NFT-Sammlungen wurden gar nicht erst verkauft. Durch dieses deutliche Angebotsplus dürfte es auch künftig schwer werden, den Markt wieder anzukurbeln“ Der Autor beruft sich ebenso wie Phil Rosen im Business Insider auf eine Untsersuchung des NFT Gaming-Spezialisten Vlad Hategan für die Plattform dappGambl. Hätte uns doch bloß jemand vorher gewarnt, dass das ganze NFT-Spektakel lediglich ein Pyramidenspiel ist!

Die Umstände des Einbruchs in das Ostasiatische Museum scheinen wieder einmal alle möglichen Vorurteile über den kölschen Schlendrian zu bestätigen. Regine Müller hat für das Handelsblatt Haarsträubendes zusammengetragen: „Auf die Frage nach der Sicherheitslage des Museums wird der Kunst-Experte Christoph Bouillon überraschend deutlich: 'Man darf sich fragen, ob der Versicherer das nicht als grob fahrlässig einschätzt. Nach zwei Einbruchsversuchen ist das Fenster nur mit einem Brett vernagelt?' Nach wie vor gibt es keine Spur vom Diebesgut. Man darf wohl davon ausgehen, dass es sich längst außer Landes befindet auf dem Weg zu seiner potenziellen Kundschaft. Die dürfte in Asien auf die Lieferung warten, vermutet Bouillon: 'Wenn ich denke, wer solches Porzellan bei den Auktionen kauft? Das sind zu 98 Prozent chinesische Sammler.'“

Wie New Yorks Galerien zu der marktbeherrschenden und -definierenden Macht geworden sind, wie sie sich heute darstellt, erkundet T, das Stil-Magazin der New York Times in mehreren langen Texten. Die Lektüre ist eher etwas für das Wochenende als für einen Montagmorgen.

Nach sieben Jahren ist Andrew Goldstein nicht mehr Chefredakteur von Artnet News, meldet Artforum: "Obwohl seine Pläne für die Zeit danach nebulös bleiben, gab er an, dass er hofft, etwas zu schreiben und neue Projekte zu erkunden."

Gedanken über die Gründe für den Zusammenbruch des NFT-Marktes macht sich Anfang Oktober Titus Blome für den Freitag: „Die Vision hinter NFTs war kein basisdemokratisches Netz, aufgeteilt auf seine Nutzer:innen. Sie begann und endete mit dem eitlen Wunsch, Dinge online besitzen zu können und digitale Kultur in ein für Märkte greifbares Format zu bringen. Dahinter steht ein trübes, spätkapitalistisches Menschenbild, das sich außer Geld keine Motivation für kulturelle Produktion vorstellen kann. Memes, Kunst, Tweets und alles Weitere sollte in Token verwandelt werden, die man verkaufen und versteigern kann. Ihr künstlerischer und selbst ihr sozialer Wert sollte durch die spekulative Logik der Finanzmärkte ermittelt werden. NFTs waren noch nie mehr als die Finanzialisierung von absolut allem.“ Das Metaversum liege gleichfalls „im Koma“, erklärt der Berliner Informatik-Professor Raúl Rojas González bei Telepolis.

Und wieder geht eine Chefredakteurin, meldet Francesca Aton bei Artnews: „Am Montag gab The Art Newspaper den Rücktritt von [Alison] Cole nach fünfeinhalb Jahren an der Spitze bekannt. Sie wird jedoch weiterhin als editor-at-large tätig sein. Cole verlässt die Publikation, um eine neu geschaffene Strategieberatung zu leiten, die die Kunst- und Kreativbranche in Bezug im Zusammenhang mit der Kulturpolitik in Großbritannien beraten soll.“




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Dr. Stephan Zilkens | Zilkens Kunstversicherung