Optionale Cookies erlauben?

Neben technisch notwendigen Cookies möchten wir Analyse-Cookies nutzen, um unsere Zielgruppe besser zu verstehen. Mehr dazu in unserer Datenschutz­erklärung. Sie können Ihre Zustimmung jederzeit widerrufen.

Kobels Kunstwoche

Frohe Weihnachten mit Leonardo (unverkäuflichund echt)
Frohe Weihnachten mit Leonardo (unverkäuflichund echt)
Stefan Kobel

Stefan Kobel

Kobels Kunstwoche 52 2017

Ein in mancher Hinsicht überraschendes Kunstjahr neigt sich dem Ende zu.Das ist wie gewohnt ein Anlass zur Rur Rückschau, die dieses Mal mit einer fast prophetisch wirkenden Vorschau beginnt:

Ein Superkunstjahr droht, wie es in dieser Konstellation nur alle zehn Jahre passiert: documenta, Venedig Biennale, Skulpturenprojekte Münster und dazwischen noch die Art Basel. Ob das Jubeljahr tatsächlich Grund zum Feiern bietet, bezweifelt Niklas Maak allerdings in der FAS vom 8. Januar. Er sieht die zeitgenössische Kunst in einer Sinnkrise: "Es scheint zum ersten Mal vorstellbar, dass 'Gegenwartskunst' ihren für gegeben angenommenen positiven Status als Gegengewicht und Infragestellung der herrschenden Gesellschaft einbüßen könnte und am Ende als etwas zumeist Machtaffines, Ästhetisierendes, Irrelevantes, Ornamentales und Korruptes dasteht - als etwas, was sie vor ihrer modernen Selbstmythifizierung als randständig, kritisch, existentiell, frivol und unbequem schon einmal war, nämlich ein systemkonformes Selbstdarstellungswerkzeug der Macht: Hofkunst."

Auf die Politik ist Kasper König nicht gut zu sprechen. Im Interview mit Nicola Kuhn im Tagesspiegel  vom 9. Januar erklärt der Leiter der Skulptur-Projekte Münster: "Man muss dem eigenen Betrieb gegenüber kritisch sein. Wenn die Skulptur-Projekte mithilfe öffentlicher Gelder die Bedeutung des öffentlichen Raums markieren, ist schon die Verteilung der Gelder ein Politikum. Das Engagement der Politiker verliert sich am Ende oft doch nur in Rhetorik und Selbstpromotion. Die Skulptur-Projekte besitzen eine größere Unabhängigkeit als andere Institutionen. Wir sind frei vom Erwartungsdruck eines Publikumserfolgs, denn es gibt keinen Eintritt, die Ausstellung spielt sich in der Stadt ab. Ich vermisse eine engagierte, differenzierte Kulturpolitik. Wir brauchen nicht ständig mehr Museen. Die Politiker haben immer Kohle für Neubauten, um sich selbst zu profilieren. Diese Kulturpolitik ist falsch gepolt, überhaupt ist der ganze Stolz auf Etaterhöhungen Augenwischerei, wenn es eigentlich nur um Machtzuwachs geht und nicht um ästhetische Aufklärung."

2017 wird (fast) alles besser, behauptet ArtTactic in seinem Global Art Market Outlook (50 Dollar für 15 Seiten), dessen Kernthesen Anna Louie Sussmann am 9. Februar für Artsy referiert. Das albernste vorgetragene Argument ist, dass es unmöglich noch schlimmer werden könnte als 2016.

Was hier aus verschiedenen Quellen schon häufiger zu lesen war, hat jetzt ein wissenschaftliches Fundament: Das Milliardengeschäft aus dem Handel mit Raubgrabungen zur Finanzierung des IS-Terrors existiert nicht. Thomas E. Schmidt stellt die Ergebnisse einer Studie in der Weltkunst vor und weist auf die Folgen des mit diesem Argument durchgedrückten Kulturgutschutzgesetz hin: "Die Dramatisierung des 'ISIS'-Schmuggels war letzten Endes Propaganda, ein Karnickel aus dem Zylinder des Postfaktischen avant la lettre. Mit dem Kulturgutschutzgesetz, so die Einschätzung von Experten, werden in Deutschland viele Sammeltraditionen abreißen. Provenienznachweise sind hierzulande, wo ältere Akten von Händlern und Versteigerern im Krieg vernichtet wurden, schwerer zu erbringen als in anderen Ländern. Der Handel mit ausländischen Antiquitäten flieht die Bundesrepublik jetzt schon. Gewinner werden die ohnehin starken Auktionshäuser in Großbritannien sein."

Warum deutsche Kunst im Ausland so hoch gehandelt werde, wollte Tobias Timm von Dirk Boll von Christie's im Gespräch für die ZEIT vom 23. Februar wissen: "Die deutsche Nachkriegskunst wird deshalb so hoch bewertet, weil die Sammler erkennen, dass sie so gut ist. Sicher spielt auch hier eine Rolle, dass Deutschland in den vergangenen Jahrzehnten die wirtschaftlich führende Nation in Europa war. Die herrschende Kunst ist die Kunst der Herrschenden: Der Kunstmarkt reflektiert immer auch ökonomische Wahrheiten."

Das war's: Auctionata macht dicht. Nachdem zunächst noch versucht worden war, aus dem Insolvenzverfahren heraus Investoren zu finden, die schlechtem Geld gutes hinterherwerfen, hat der Insolvenzverwalter jetzt die Reißleine gezogen. Die Kunde hat zuerst Niklas Hoyer in der Wirtschaftswoche vom 28. Februar überbracht.

Zahlreiche Medien berichten über einschneidende Maßnahmen bei Christie's. Weltweit sollen 250 Arbeitsplätze abgebaut werden, der Standort South Kensington in London wird ganz geschlossen. Der Standort Amsterdam soll stark zurückgefahren werden. Aus informierten Kreisen ist sogar von einer vollständigen Schließung zum Jahresende zu hören. Der aufschlussreichste Beitrag ist in diesem Zusammenhang das Gespräch, das Marcus Woeller mit Dirk Boll, dem neuen Präsidenten für Europa, Russland, Indien und den Nahen Osten für DIE WELT vom 12. März geführt hat. Der Deutsche erklärt darin, South Kensington werde geschlossen, weil das Auktionshaus das dort angesiedelte untere Preissegment zukünftig vor allem über das Internet abwickeln wolle. Das sei schon deshalb entscheidend, weil die Zukunft asiatisch sei: "Wenn das Gros der Konsumenten am Kunstmarkt eines Tages von der Generation der Digital Natives gestellt wird, dann wird es noch mal die Betrachtung von Mittelbarkeit im Kunstkauf massiv ändern. Das ist auch ein Grund, warum asiatische Regionen den europäischen voraus sind, weil man da jetzt schon eine ganz andere Haltung hat und die Nachfrager tendenziell jünger sind."

Die Ergebnisse der Tefaf-Studie fasst Susanne Schreiber im Handelsblatt vom 10. März zusammen: "Pownall und ihr Team sehen eine Verlagerung weg von den Auktionsverkäufen hin zu Privatverkäufen - sei es in den gerade energisch ausgebauten Private Sale-Abteilungen von Christie's und Sotheby's, sei es zu Händlern und Galeristen."

Dem angeblichen Wachstum des Kunstmarktes um 1,7 Prozent steht der dramatische Einbruch bei den Gesamtzahlen von 63,8 auf 45 Milliarden US-Dollar entgegen, wie Anny Shaw im Artnewspaper bemerkt. Das liege an der veränderten Berechnungsmethode. Nachprüfen lässt sich das noch weniger als bei der vorherigen Autorin, die zur Art Basel abgewandert ist, denn die angeblich stark angestiegenen Privatverkäufe lassen sich kaum seriös messen. Anna Louie Sussmann widmet sich diesem Thema ausführlich auf Artsy am 7. März.

Die beiden Studien für Tefaf und Art Basel hat Astrid Mania für die Süddeutsche Zeitung vom 24. März verglichen: "In vielem aber ähneln sich die Befunde. Das Volumen des Auktionshandels hat laut Tefaf vor allem in den USA deutlich abgenommen (um 40 Prozent), dennoch bleiben die USA mit 29,5 Prozent unverändert weltweit größte Kunsthandelsmacht, vor Großbritannien und China. Auch finden sich unter den teuersten Losen wie gewohnt keine Künstlerinnen, aber viele chinesische Künstler, und mit Raja Ravi Varma hat es erstmals ein indischer Maler in die Top 20 geschafft. Laut Tefaf-Report ist Asien auch der Kontinent, der mit 40,5 Prozent den größten Anteil am weltweiten Auktionshandel hat."

Über den Kunstmarktstandort Deutschland hat sich Catrin Lorch für die Süddeutsche Zeitung vom 22. April mit den Düsseldorfer Galeristen Daniela Steinfeld (Van Horn) und Thomas Reger (Konrad Fischer Galerie) unterhalten. Steinfeld appelliert: "Wenn Deutschland will, dass die Kultur gut läuft, muss der Gesetzgeber anerkennen, dass der Markt und die Kunst zusammen gehören. Aber etliche Galerien werden in den nächsten Monaten und Jahren aufgeben. Das ist jetzt schon abzusehen."

"Die Spekulationsblase ist geplatzt" betitelt das Manager Magazin seine Pressemitteilung vom 30. April, mit der das Blatt das Erscheinen des mm-Kunstindex ankündigt. Vor einem Jahr hieß es nicht ganz so dramatisch: "Der Boom am Kunstmarkt ist vorbei". Immerhin, im Gegensatz zu den Verfassern anderer Markt-Reports beschränkt sich Ökonom Roman Kräussl auf das belastbare Datenmaterial von Auktionshäusern. Doch um zu dieser Analyse zu kommen, reicht ein Blick in die von Materialarmut geprägten Kataloge der Frühjahrsauktionen deutscher Auktionshäuser.

Die Aktivitäten der Messe Schweiz hält Daniel Hug im Interview mit Uta M. Reindl für die NZZ vom 29. April "für eine Art von 'kulturellem Kolonialismus'". Die Gemengelage versucht Astrid Tauch vom SWR2 im Gespräch mit mir am 26. April zu ergründen.

Die kruden Thesen des Berliner Kultursenators zerpflückt Boris Pofalla in seinem Rundgang für die FAS vom 30. April: "An keinem anderen Wochenende ist Kunst ein so bestimmender Faktor in Berlin wie am Gallery Weekend, und das hat nicht nur damit zu tun, dass hier Umsätze in den Galerien generiert werden. Das tun sie aus eigener Kraft. Berlins linker Kultursenator Lederer, nun schon hundert Tage im Amt, hat kürzlich bei einer Podiumsdiskussion sein Programm erklärt und gesagt, dass Kultur für ihn kein Standortfaktor sei - ein Bruch mit der Politik seiner Vorgänger. Gefördert werden sollen von der Kulturbehörde nicht Wirtschaftsunternehmen, sondern die freie Szene und solche Institutionen und Projekte, die nicht auf Profit aus sind. Der 'Tagesspiegel' zitierte ihn mit der Frage, wie man verhindern könne, 'dass Künstler so schnell wie möglich an den Markt streben, damit sie überhaupt Künstler bleiben können'. Das ist einerseits richtig, weil Galerien eben Unternehmen sind, und die brauchen keine Subventionen. Andererseits ist der Kunstmarkt nicht die Antithese zu Kunst, so wie der Buchmarkt nicht die Antithese zu Literatur ist. Das eine funktioniert ohne das andere weniger gut, und das utopische Moment am Gallery Weekend ist, dass es der Kunstmarkt ist, der nach den Gesetzen der Aufmerksamkeitsökonomie dafür sorgt, dass an einem Termin im Jahr die Kunstprofis der Welt nach Berlin reisen, um sich hier Ausstellungen anzusehen, auch solche, mit denen kein Geld verdient werden muss."

110 Millionen US-Dollar für ein Gemälde von Jean-Michel Basquiat! Den glücklichen Käufer protraitiert die FAZ vom 19. Mai. Barbara Kutscher hat für das Handelsblatt vom 19. Mai eine erfolgreiche Auktionswoche in New York erlebt: " Für beide Häuser lief es in den Impressionisten- und Moderne-Auktionen besser als noch vor einem Jahr. Christie's konnte am Montag mit eingehämmerten 289,2 Millionen Dollar eine Steigerung von 104 Prozent gegenüber dem letzten Mai verzeichnen. Wie der im Januar eingestellte CEO Guillaume Cerutti vorrechnete, sei es auch das beste Ergebnis für die Abteilung seit sieben Jahren. Auch Sotheby's Einnahmen für Impressionisten und Moderne von respektablen 173,8 Millionen Dollar lagen über denen vom Vorjahr. Auch Christie's Zeitgenossenauktion am Mittwoch [...] sah bei starken 448,06 Millionen Dollar einen fast 30-prozentigen Zuwachs. Allein fünf Lose übersprangen hier die 20-Millionen-Dollar-Hürde. [...] Neue Rekordpreise für Skulpturen Diese Saison förderte eine ganze Reihe kapitaler Werke zutage, Christie's konnte auch einige große Nachlässe mit marktfrischer Kunst akquirieren. Aber vor allem auf Klassiker des frühen 20. Jahrhunderts wurde entschieden geboten. Die Zuschläge setzten ein neues Preisniveau.' Für die NZZ vom 20. Mai war Christian Schaernack dabei.

Das Verhältnis von Kunst und Kommerz bei Biennalen und anderen Kunstgroßveranstaltungen untersucht Astrid Mania für die Süddeutsche Zeitung vom 2. Juni: "Die Kritik, dass sich immer mehr kommerzielle Interessen in die eigentlich unabhängig kuratierten Großausstellungen einschreiben, wird entsprechend lauter. Ausgerechnet bei der letzten, vermeintlich so politischen Biennale von Venedig unter der Ägide von Okwui Enwezor, dem Direktor des Münchner Hauses der Kunst, schwoll der Klagechor besonders heftig an. Aus seiner Schau ragten diverse Künstler prominenter New Yorker Galerien wie Fremdkörper heraus."

Die aktuelle Ausgabe der documenta wird von der Kritik fast einhellig verrissen. Unterstützung erhält sie von unerwarteter Seite. Susanne Schreiber bemerkt im Handelsblatt am 10. Juni: "Während im Handel ein schnelles Rad gedreht wird mit immer denselben Namen, die sich nur in größeren Zeitabschnitten auswechseln, trifft der documenta-Flaneur ständig auf neue Künstler, Kontexte und Haltungen. Wer in Kassel einige der 30 Spielorten ansteuert, kann viel lernen und seinen Blick en passant globalisieren. Anders als im kommerziellen Umfeld will Szymczyks documenta nicht gemalte Illusionen schaffen, sondern der fragilen Existenz in einer bedrohten Welt mit Gemeinschaftsaktionen und künstlerischen Eingriffen Gestalt geben."

Auch Catrin Lorch bemerkt im Tagesanzeiger vom am 12. Juni: "Nein, man distanziert sich nicht einfach vom Kunstmarkt, auch wenn es keine Großausstellung in den vergangenen Jahrzehnten so souverän wie diese geschafft hat, sich von Galerien oder dem Handel fern zu halten." Wenn Marktferne allein schon als Qualitätsmerkmal herhalten muss, ist das kein gutes Zeichen. Der ehemalige griechische Finanzminister Yannis Varoufakis und die Kuratorin iLiana Fokianaki werfen der Veranstaltung hingegen in Art Agenda am 7. Juni monopolkapitalistisches Verhalten vor, weil sie in Athen sämtliche Ressourcen des Landes an aufgesogen habe.

Newsletter

Die neuesten Ausgaben von Zilkens Newsblog und Kobels Kunstwoche direkt per E-Mail erhalten.
Dr. Stephan Zilkens | Zilkens Kunstversicherung