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"Alles bleibt im Rahmen". Dieses treffende Resümee zieht Rose-Maria Gropp schon in der Überschrift ihres Rückblicks auf das Auktionsjahr in Deutschland für die FAZ vom 22. Dezember. Auch wenn es mit über 5 Millionen Euro inklusive Aufgeld eine für Max Beckmanns "Ägypterin" einen Auktionsrekord gegeben hat.
"Und - alle Jahre wieder - ähneln sich die Jahresbilanzen in der engen Konkurrenz der führenden Häuser. Dass die Klientel wählerisch bleibt, lässt sich an den überall anzutreffenden, nicht wenigen Rückgängen im sechsstelligen Bereich erkennen, auch bei prominenten Namen. Ketterer behauptet sich 2018 mit vier Plazierungen unter den teuersten zehn. Es folgen Grisebach und Lempertz mit je drei Rängen; Hampel in München und Van Ham sind je einmal vertreten."
Der deutsche Kunsthandel ist nicht für heftige Ausschläge bekannt. Die Impulse kommen meist von Außen, sei es vom internationalen Markt oder von der Politik.
Den Middle Market Squeeze und die Dauerkrise der kleinen Galerie fasst Stephanie Dieckvoss noch einmal für das Handelsblatt vom 19. September zusammen: "Kommen in fast jedem Einzelfall kumulative Faktoren zusammen, so werden drei Gründe immer wieder zitiert: steigende Fixkosten, neben Mietkosten vor allem auch durch immer mehr Messebeteiligungen. Hinzu kommen das immer geringere Potenzial, mit der Galerie im kleinen Bereich überhaupt ein nachhaltiges Wirtschaftsmodell generieren zu können und die Aufspaltung des Marktes in den Olymp der global aufgestellten dominierenden Megagalerien à la Gagosian, Pace oder Zwirner - und dem Rest." Nomadische und andere Formate sieht sie kritisch: "All diesen Alternativmodellen für die 'Post-Galerie' ist gemein, dass sie vereinzelte Netzwerke bilden, die intern funktionieren und das System hinterfragen, deren Nachhaltigkeit aber noch schwer absehbar und vielleicht auch zweifelhaft ist."
Auf der anderen Seite stehen die internationalen Auktionshäuser und die Mega-Galerien, die den Markt und die Schlagzeilen beherrschen. Doch auch hier ist nicht immer alles Gold, was glänzt.
Hinter den Rekordpreisen macht Christian Schaernack in der NZZ eine gewisse Erschlaffung des Marktes aus: "Solche Werte dürfen jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Gebote streckenweise äusserst dünn waren, eine Folge nicht nur hoher Taxen, sondern auch der grassierenden Praxis zuvor gesicherter Garantiesummen vonseiten Dritter, die so manchem das Bieten verleidet. Dennoch: Ein derartiger Preis für einen Hopper, der immerhin sozusagen ausschliesslich für den amerikanischen Markt von Interesse ist, kommt einer Sensation gleich. Ungleich freudloser war dafür das Geschehen bei der regulären Impressionisten- und Moderne-Session von Christie's am Sonntag, wo man mit einem Gesamtergebnis von 279 Millionen Dollar denn auch hinter den Erwartungen zurückblieb."
Ebendiese Garantien sind Thema eines großen Berichts von Anna Brady und Anny Shaw Mitte November im Art Newspaper. Ihnen zufolge bedroht diese ausufernde Praxis das Gleichgewicht des gesamten Marktes.
Um das Marktvolumen zu erhöhen, wollten die großen Auktionshäuser die Erschließung des Niedrigpreissegments, berichtet James Tarmy Ende November bei Bloomberg. Aus dem hatten sie sich allerdings erst vor kurzem zurückgezogen.
Die öffentliche Diskussion um Raubkunst hat sich verlagert auf die Frage nach dem Umgang mit dem kolonialen Erbe, vor allem wegen der näherrückenden Eröffnung des Humboldt-Forums und des Restitutionsberichts der Berliner Professorin Bénédicte Savoy für den französischen Präsidenten.
Die Kontroverse um den Umgang mit Stammeskunst hat durch die Versteigerung eines Schrumpfkopfes bei Lempertz in Brüssel für 19.356 Euro inklusive Aufgeld (Taxe 10.000 Euro) neuen Schub bekommen. Christiane Fricke beleuchtet das Thema im Handelsblatt vom 26. Oktober: "Wie sollen die ehemaligen Kolonialmächte mit der Kunst und den Artefakten aus den Ländern in Afrika, Asien und Amerika umgehen? Deutschland hat in seinen Museen große Sammlungsbestände in Vitrinen und Lagerräumen, und davon stammen immerhin bis zu zwei Drittel aus kolonialen Kontexten. In Deutschland wurde vor zwei Jahren das Kulturgutschutzgesetz verabschiedet, auch um den Handel mit geraubten Kulturgütern zu verhindern. Lösungen für den rechtmäßigen Umgang mit kolonialen Artefakten hält das kiloschwere Gesetzespaket jedoch nicht bereit. Er ist eher eine Frage von Anstand und Moral."
Provenienzforschung als Geschäftsidee: Catrin Lorch portraitiert Ende Oktober in der Süddeutschen Zeitung die Firma zweier Provenienzforscherinnen, denen die staatlichen Einrichtungen nicht ausreichen: "Dass die privat angebotene Beratung zudem den großen Vorteil der Diskretion hat, bestreiten Terlau und Voigt nicht. Denn wer sich mit einem Kunstwerk an öffentliche Stellen wie das Zentrum für Kulturgutverluste in Magdeburg wendet, muss damit rechnen, dass die Recherchen öffentlich gemacht werden und als 'Fundmeldung' in die Datenbank Lost Art eingestellt werden. Damit ist ein Werk bis zur endgültigen Klärung der Provenienz nicht mehr verkäuflich. Wer dagegen ein Gutachten bei Vanessa Voigt und Katja Terlau bestellt, kann eine belastende Expertise auch einfach in den Papierkorb werfen. 'Mir ist genau das schon ein paarmal passiert', sagt Voigt. 'Aber keiner meiner Kunden hat sein Bild danach wieder über das Sofa gehängt. Ich sehe es als meine Pflicht und Verantwortung an, in solchen Fällen auch Privatleute darauf hinzuweisen, dass sie historisch in einer Verantwortung stehen, dass sie etwas tun müssen.'"
Wie abseits des großen Medienauftritts und der Symbolpolitik ein angemessener Umgang mit dem kolonialen Erbe gestaltet werden kann, erkundet Gerhard Mack Anfang November für die NZZ in Zürich: "Das Rietberg-Museum und verwandte Häuser sind da inzwischen zu Schaufenstern kleiner Völker geworden. 'Wir stellen Kulturen und Religionen vor, die sonst von unserer westlichen Kunst an den Rand gedrängt werden. Wir bieten eine Nische, in der wir uns etwa um ein kleines Volk in Liberia kümmern, Kataloge machen und forschen. Und das Wissen zurückgeben. Hier sehe ich unsere Aufgabe.' Viele aussereuropäische Länder verstehen das auch als Werbung für die eigene Kultur und wollen, dass das Museum Objekte von ihnen hat. Aus solchen Ansätzen könnte ein Dialog gelingen." Hoffentlich hat jemand beim Humboldt-Forum ein NZZ-Abo.
Der von Frankreichs Präsident Emanuel Macron in Auftrag gegebene und Ende November vorgestellte Restitutionsbericht der in Berlin lehrenden französischen Kunsthistorikerin Bénédicte Savoy und des senegalesischen Ökonomen Felwine Sarr liegt vor und setzt nicht nur Deutschland unter Druck, wie Marcus Woeller in DIE WELT berichtet: "Der Bericht fordert - so viel war vor Veröffentlichung schon bekannt - die sofortige und bedingungslose Rückgabe aller Objekte, die bei militärischen Aktionen erbeutet wurden. Das müsste längst Selbstverständlichkeit sein, sind Raub und Diebstahl doch gesetzlich klar definiert. Darüber hinaus wird die Rückgabe aller Kulturgegenstände aus dem Besitz französischer Kolonialbeamter und ihrer Familien gefordert, die Rückgabe aller Sammlungsobjekte aus wissenschaftlichen Expeditionen bis zum Ende der Kolonialherrschaft und die Rückgabe aller Artefakte, deren Besitzer nicht nachweisen können, dass sie auch rechtmäßige Eigentümer der Stücke sind."
Besserung beim Umgang mit Raubkunst gelobe Monika Grütters, berichtet Bernhard Schulz im Tagesspiegel: Die "'Beratende Kommission im Zusammenhang mit der Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogener Kulturgüter' soll künftig effektiver arbeiten können. Zum einen wurde die Amtszeit ihrer Mitglieder eingegrenzt, zweitens sind ausdrücklich Vertreter jüdischer Institutionen hinzuberufen worden und drittens können Gutachten aus der Kommission heraus an unabhängige Experten vergeben werden. Die wichtigste Änderung jedoch betrifft die Antragstellung. Bislang kann die Kommission nur mit Zustimmung beider Seiten, den Anspruchstellern und dem zur Herausgabe aufgeforderten Museum, tätig werden. Künftig soll dies auch auf Antrag der einen, anspruchsberechtigten Seite hin geschehen können."
Den Raubkunstbericht für den französischen Präsidenten analysiert Marcus Woeller Anfang Dezember in DIE WELT: "Bénédicte Savoy und Felwine Sarr haben ihren Bericht bewusst als Polemik geschrieben, die aufrütteln soll. Sie treten der vorauseilenden Verlustangst europäischer Institutionen aber auch entgegen. Die zu restituierenden Objekte trügen 'unwiderruflich ein Stück Europa und Afrika in sich'. Wurden sie doch durch koloniale Gewalt ihren Herkunftskulturen entrissen, dann aber in europäischen Sammlungen gepflegt und bewahrt. Sie hätten sich gleichsam 'verschiedene Meinungssysteme einverleibt' und könnten als 'Vermittler der Verwandtschaftsbeziehungen dienen'. Und damit formuliert der Bericht viel mehr als nur die Modalitäten einer ethnologischen Reparation, sondern eine politische Utopie: die 'Kreolisierung der Kulturen'." Erste Reaktionen auf den Bericht haben Joseph Hanimann, Jörg Häntzschel und Thomas Kirchner für die Süddeutsche Zeitung zusammengetragen.
Zu einer längst fälligen Generalabrechnung mit dem System Grütters holt Jörg Häntzschel schon Ende Oktober in der Süddeutschen Zeitung aus: "Grütters festigt ihre marktbeherrschende Stellung immer mehr, bläht ihren Apparat immer weiter auf. Doch da sie ideologisch so ungreifbar bleibt, da ihre Einmischungen nur strategischer Art sind, und da die 'Zuwendungsempfänger' weiter auf Zuwächse hoffen können, üben sie sich in Duldsamkeit. Politik und Presse sehen nicht so genau hin. Kultur ist gut, mehr Kultur ist besser, wo ist das Problem? Ohnehin sind die großen Scheine, mit denen sie den Betrieb füttert, kleine Münzen, verglichen mit dem, was für Autobahnen, Waffen oder Renten ausgegeben wird. Doch es kann nicht richtig sein, wenn es keinen Wettbewerb um wichtige Stellen gibt, wenn Posten heute noch auf Lebenszeit besetzt werden, wenn die besten Köpfe in der deutschen Kultur nicht offen über ihre Arbeit sprechen können, weil sie fürchten, in Berlin sonst nie wieder einen Job zu finden. Die intellektuelle Lähmung ist schon jetzt spürbar."
Deutliche Worte von Monika Grütters und Michelle Müntefering in der FAZ vom 15. Dezember, denen jetzt nur noch Taten folgen müssen: "Alle Besucher haben das Recht zu erfahren, wie Kult-, Kultur- und Alltagsgegenstände aus kolonialen Kontexten in die Bestände der jeweiligen Häuser gelangt sind. Zu der dringend notwendigen Offenheit gehört es ebenso, dass unsere Kultureinrichtungen kenntlich machen, welche Objekte sie überhaupt in ihrem Besitz haben. Das heißt: Wir müssen unsere Aktivitäten zur Digitalisierung von Beständen und Inventaren deutlich verstärken. Sinnvoll ist eine bundesweite Forschungsdatenbank, in der alle verfügbaren Recherchen frei zugänglich sind."