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Kobels Kunstwoche

Markus Hannonen, Light in the Darkness; frei via creativesforukraine.com
Markus Hannonen, Light in the Darkness; frei via creativesforukraine.com
Stefan Kobel

Stefan Kobel

Kobels Kunstwoche 52 2022

Die Welt ist im Krisenmodus, der Kunstmarkt scheint zu feiern. In unserem dreiteiligen Rückblick auf die Kunstmarktberichterstattungen schauen wir noch einmal in und hinter die Kulissen. Den Anfang machen die Messen.

Die Herbstsaison hat noch nicht begonnen, da ist Anfang August schon die erste Messeabsage eingegangen. Anny Shaw meldet im Art Newspaper die Absage der Pariser Design Miami, da die Behörden aus Sicherheitsgründen die Nutzung der Place de la Concorde abgesagt habe. In der FAZ gibt es dazu eine Meldung von Ursula Scheer.

Keine halben Sachen macht die Paris+ par Art Basel in Sachen Fiac-Nachfolge, meldet Olga Grimm-Weissert im Handelsblatt: „Die Paris Plus findet nicht nur im Grand Palais Ephémère vom 20. bis 23. Oktober statt, sondern übernimmt auch sämtliche zusätzlichen Spielorte der Fiac für weitere Verkaufsangebote: Mit großen Skulpturen in dem Tuilerien-Park beim Louvre, auf dem Place Vendôme, wo immer ein Künstler beziehungsweise dessen Galerie im Fokus steht sowie im kleinen Musée Delacroix, das der Louvre mitverwaltet.“

Die Messen und Chart und Enter Art Fair in Kopenhagen hat Ursula Scheer Ende August für die FAZ besucht: „Den größten Anteil stellen dänische und schwedische Aussteller, den kleineren Norweger, Finnen und Isländer. Aus Berlin sind Persons Projects und Dorothée Nilsson angereist, aus Wien Croy Nielsen. Lokal, genügsam, persönlich, nachhaltig: Mit diesem Profil grenzt sich die CHART auch von der außerhalb in Kopenhagen stattfindenden jüngeren und global ausgerichteten Konkurrenz Enter Art Fair ab. In der Kunsthalle Charlottenborg am Nyhavn ist die Ausgelassenheit des Tivolis weit fort. Im Vergleich zum mit Debatten aufgeheizten Kunstbetrieb andernorts ist das ein deutlicher Temperaturunterschied und spiegelt das Interesse heimischer Sammler. Malerei dominiert, von figurativ bis abstrakt, oft in sanften, pastellig-lichten Tönen, von der Natur inspiriert, organisch anmutend oder mit einer Wendung ins Phantastische.“

Auf der Art-o-Rama in Marseille war ich für das Handelsblatt.

Der erste Aufschlag der Frieze Seoul (zusammen mit der angestammten Kiaf) scheint ein As zu sein, glaubt der notorisch sonnigen Messeberichterstattung des Art Newspapers, in diesem Fall von Reena Devi, die gleichwohl einige analytische Aspekte enthält: "Asiatische Galerien haben sich sowohl auf der Kiaf als auch auf der Frieze behauptet und damit deutlich gemacht, dass die Region weiterhin die aufstrebende Kraft auf dem Markt ist. [...] Die Kiaf wirft mit ihrer Satellitenmesse Kiaf Plus (bis zum 5. September) ein Schlaglicht auf die heimische Szene und zeigt aufstrebende und neue Medienkunst, die von mehr als 70 experimentellen lokalen Galerien auf der Seoul Trade Exhibition and Convention präsentiert wird. [...] 'Ich glaube, die Leute haben verstanden, dass es hier nicht nur um eine Kunstmesse geht', sagt [Galerist Brett] Gorvy. Es geht darum, dass Seoul ein kulturelles Zentrum ist, ein internationales Zentrum, und dass es die Möglichkeit hat, mit Hongkong oder anderen Gebieten in Asien gleichzuziehen, wo es diese internationalen Kunstmessen gibt."

Man muss sich Wien als eine glückliche Stadt vorstellen. Trotz aller Ränke und Nickeligkeiten schafft es die Donaumetropole, zwei Kunstmarktevents von internationalem Format gleichzeitig erfolgreich stattfinden zu lassen: die Kunstmesse Viennacontemporary und den Galerienmarathon Curated by. Victor Sattler beschreibt Synergieefekte bei Monopol: „Auf Magie waren am ersten Messetag noch manche der Galeristen angewiesen, die sich mehr Verkäufe erwartet hätten. Für das Meckern der anderen gab es bei der Wiener Galerie Georg Kargl Fine Arts jedoch kein Verständnis – stattdessen ein strahlendes Lächeln über die prächtige Messe. Zwar war hier bisher nur ein Bild von Katrina Daschner verkauft worden, aber der Besucherstrom der Kuratorinnen und Direktoren sei niemals abgerissen. Und mit David Fesl und David Maljković hat die Galerie direkt eine Einladung zum gleichzeitig eröffneten Galerien-Festival Curated By ausgesprochen, in dessen Rahmen sie Fesl und Maljković zeigt. Insofern verstehe man die Viennacontemporary, die vielleicht die wandlungsfähigste unter den Kunstmessen ist, als eine langfristige Mission.“

Unter anderem die Kunstmesse Positions hat Elena Witzeck während der Berlin Artweek Mitte September für die FAZ besucht: „Berlin ist wieder internationaler Kunstmarktstandort! Neustart Kultur, der Rettungsfonds, hat auch die Messe unterstützt, der Wunsch der Kulturstaatsministerin dazu: Nachwuchsförderung, Nachhaltigkeit, Diversität. Eine Galerie aus der Ukraine ist dabei und fünf Länder, die an die Ukraine angrenzen, sind vertreten. Den Schwerpunkt Osteuropa hat der Wirtschaftssenat gefördert, auch wenn nicht allzu viel Ukrainisches zu sehen ist. Gesammelt wird wie auch beim Gallery Weekend für den Verein „Be an Angel“, der Geflüchtete unterstützt. Vieles, was hier zu sehen ist, ist bunt, verträglich und bezahlbar. Hier und da wird es politisch".

Welche Galerien an den meisten Kunstmessen im September und Oktober teilnehmen, hat Josie Thaddaeus-Johne für Artsy untersucht. Auf sechs Veranstaltungen bringen es die Spitzenreiter Perrotin und David Zwirner - allein in diesen beiden Monaten! Das verdeutlicht die Kluft zwischen Galeriekonzernen und dem Heer der mittelständischen Galerien, die zunehmend dazu übergehen, sich auf zwei oder drei Messen im ganzen Jahr zu beschränken.

Den Trend, der die Frieze in den vergangenen Jahren kennzeichnet, bestätigt Patricia Grzonka bei Monopol: „Aber wer gedacht hätte, dass die Messestände der rund 120 Aussteller der diesjährigen Frieze London oder der Frieze Masters im Regent's Park vielleicht ein Moment der Verunsicherung wegen der weltweiten aktuellen Krisen zeigen würden, sieht sich getäuscht. Bunt, schrill und oft plakativ ist das Motto der Stunde, Neo-Pop-Art und tot geglaubter abstrakter Expressionismus sind aus der Versenkung zurück.“

Auch Gina Thomas ist in der FAZ leicht befremdet von dem Spektakel: „Auf der Frieze-Messe für zeitgenössi[s]che Kunst tummelten sich bei der Vorschau Mitglieder des Klubs der oberen Zehntausend und sogenannte VIPs wie eine wartende Frau, die bekannte, nicht zu wissen, wofür sie anstehe, vielleicht für eine Vorstellung oder ein Glas Champagner. Zwischen effekthascherischen Installationen, wie den eher in eine Meisterschaft für Riesengemüse passenden Lederkürbissen von Anthea Hamilton am Stand von Thomas Dane, drängten sich monumentale, frisch aus dem Atelier kommende Leinwände junger Künstler auf. Sie wirkten, als sei ein Kommando ausgegangen, dass in diesem Jahr die Malerei der letzte Schrei sei. Umso besser, wenn die Künstler weiblich und die Themen postkolonial sind.“

Schlechte Zeiten für Kunstmessen: Um 20 bis 50 Prozent hätten sich die Produktionskosten erhöht, hat Kabir Jhala für das Art Newspaper recherchiert. Die Preise dürften sich wohl kaum an die Aussteller weiterreichen lassen.

Die mit Spannung erwartete Art Basel-Tochter Paris+ hatte letzte Woche ihre erfolgreiche Premiere, die von der internationalen Presse durchweg positiv aufgenommen wurde, mit einigen kritischen Zwischentönen. Scott Reyburn resümiert in der New York Times: „Trotz ihres weniger konzernmäßigen, französischen Charmes stand die FIAC bei einigen internationalen Händlern in dem Ruf, kommerziell weniger erfolgreich zu sein als ihre Londoner Rivalin Frieze. Auf der letztjährigen FIAC erklärte der New Yorker Händler David Zwirner gegenüber der Times, dass er Paris zwar für eine 'großartige Stadt für eine Messe' halte, die FIAC aber für seine Galerie "tendenziell nicht so erfolgreich' sei. Dann kam das 42-köpfige globale Team der Art Basel, das die V.I.P.-Relations verwaltet. Es stellte ein Programm mit exklusiven Empfängen, Gesprächen und Besuchen in Ateliers und Museen zusammen, das umfangreicher war als alles, was die FIAC je angeboten hatte, und das eine viel stärkere Gästeliste anzog.“

Unmittelbar nach der Premiere von Paris+ par Art Basel geht auch der zweite Initiator des Coups, der das Ende der Fiac bedeutet hat, von Bord. Marc Spiegler verlässt die Art Basel, sein Nachfolger wird Noah Horowitz, wie aus einer Pressemeldung (PDF) hervorgeht. In einer ersten Meldung beziffert Kate Brown bei Artnet James Murdochs Anteil an der MCH Group AG irrtümlich auf 49 Prozent, was sie später in 38 Prozent korrigiert. Der Fehler zieht sich durch die Berichterstattung, etwa bei Maximiliano Durón für Artnews. Ursula Scheer macht in der FAZ zusätzlich Horowitz zum Nachfolger Spieglers als CEO der Art Basel, dabei handelt es sich um einen neugeschaffenen Posten, den es vorher gar nicht gab. Eine einordnende Nachricht gibt es von mir im Handelsblatt. Einen Kommentar zur Ära Spiegler habe ich für Monopol verfasst.

Eindrücke von der Artissima bringt Silke Hohmann für Monopol Anfang November aus Turin mit. Mit einer angeblich „mondäneren und globaleren Mailänder Messe Miart“ vergleicht Eva Karcher die Artissima im Tagesspiegel. Dabei waren in Turin 60 Prozent der Aussteller aus dem Ausland, in Mailand waren es zuletzt 30 Prozent. Für das Art Newspaper berichtet Jenny Dogliani. Ich habe die Artissima für das Handelsblatt besucht und für Artmagazine mit ihrem Direktor Luigi Fassi gesprochen.

In Paris haben gleich zwei hochkarätige Messen stattgefunden. Bernhard Schulz hat den Zusammenschluss zweier Messen für Kunst und Antiquitäten für den Tagesspiegel besucht: „Zudem haben sich zwei Pariser Messen zusammengetan, um unter dem neuen Namen Fine Arts Paris & La Biennale Präsenz zu zeigen. Der Ort ist in diesem November nochmals der Carrousel du Louvre, ehe 2024 die Übersiedlung in den grundsanierten Grand Palais ansteht. Die Räume des Carrousel sind elegant eingerichtet, so dass die 86 teilnehmenden Galerien auch bei unterschiedlicher Standgröße optimal zur Geltung kommen. Das Prinzip dieser Hybridmesse ist es, die insgesamt 14 vertretenen Kategorien, von Altmeistergemälden bis zu außereuropäischer Kunst, bunt zu mischen. Keine der Kategorien ragt quantitativ heraus, weder die alten Meister noch das in Frankreich traditionell starke Kunsthandwerk vom intarsierten Schreibtisch bis zum vergoldeten Kerzenhalter.“

Auf der parallel abgehaltenen Paris Photo hat sich Olga Grimm-Weissert für das Handelsblatt umgesehen: „Der Gesamteindruck dieser 25. Ausgabe mit gut 180 Ausstellern, inklusive Verlegern, ist zufriedenstellend. Nicht mehr. Die Direktorin der Paris Photo, Florence Bourgeois, sieht beunruhigt aus. Wenn die Messe kein kommerzieller Erfolg für die Aussteller und den Organisator RX France wird, könnte dies ihre Existenz bedrohen. Genau das war der 'Fiac'-Messe passiert, gleichfalls organisiert von RX France. Sie hatte in den Coronajahren finanzielle Probleme, behaupten Gerüchte in Paris. Da das französische Kulturministerium, dem die Vereinigten Museen und das Grand Palais unterstehen, auf verlässliche Bezahlung ihrer Mieten besteht, wurde der Oktobertermin der Fiac kurzerhand an die Konkurrentin 'Art Basel' vergeben.“

Wieder dauerhaft im November positioniert hat sich die Art Cologne, die Georg Imdahl für die FAZ besucht hat: „'Alle sind vorsichtig – alle', betont ein Galerist aus dem Rheinland kategorisch. Bei der Art Cologne des Vorjahres seien viele Kolleginnen und Kollegen, ökonomisch gesehen, schon zufrieden gewesen, wenn sie 'mit einem blauen Auge davongekommen' seien. Diesmal gehe die Vorsicht auch bei einheimischen Galerien teilweise so weit, dass sie gar nicht erst teilnehmen an der 55. Ausgabe der Messe. Diese ist ausgesprochen luftig aufgeplant, bietet viel Fläche für angeblich große Skulpturen, präsentiert sich gediegen mit heller Auslegware und einem farbenfrohen, ja kunterbunten Angebot, als hätten sich zahlreiche Aussteller darauf verständigt, das Publikum mit eher einladender als sperriger, auch mal unbequemer Kunst zu adressieren. Erzeugt wird damit weniger so etwas wie Markthitze als vielmehr ein gewisses Feel-good-Flair. Aber in dem Prinzip 'auf Nummer sicher' in den Kojen bekundet sich wohl, wie die Anbieter die Sammlerlust auf Experimente gerade einschätzen."

Gegen Ende einer Pressemitteilung zur nächsten Ausgabe der Art Basel Hong Kong weisen die Schweizer darauf hin, dass die Messe mit Angelle Siyang-Le eine neue Direktorin erhalte. Adeline Ooi werde sich als Director Asia der Art Basel-Strategie in Asien widmen. Ähnliche Formulierungen waren bei der Einstellung von Vincenzo de Bellis zur Unterstützung von Marc Spiegler zu lesen.

Die Art Karlsruhe bekommt eine neue Führung, meldet Susanne Schreiber im Handelsblatt: „Olga Blaß ist eine Hausberufung. Seit 2017 steuert die Kunsthistorikerin bereits operativ die Messe. Die Überraschung ist der nicht eben unterbeschäftigte Galerist, BVDG-Vorstand und Messegründer Kristian Jarmuschek als Vorsitzender des Beirates. Dort soll er für Strategie und Neuaufstellung zuständig sein.“

20 Jahre Art Basel Miami Beach, 15 Jahre Marc Spiegler – eigentlich ein Grund zum Feiern. Doch wenn selbst Anny Shaw und Gareth Harris vom Medienpartner Art Newspaper vor unruhigen Zeiten warnen, ist Sorge angebracht: „Es heißt, der Kunstmarkt hinke der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung um mehrere Monate hinterher - aber einige dieser Realitäten sind diese Woche auf der Art Basel in Miami Beach bereits zu spüren. 'Es liegt ein Hauch von etwas in der Luft', sagt ein ungenannter Blue-Chip-Händler. Und damit meint er nicht nur die Regenwolken, die am Donnerstagnachmittag aufzogen und einen plötzlichen Wolkenbruch brachten. 'Der Markt hat so etwas wie einen Zenit erreicht, und jetzt machen sich alle auf eine holprige Fahrt gefasst.' Er stellt einen Rückgang der Besucher aus anderen US-Städten fest, darunter New York, Chicago und Dallas, sowie eine kleinere Gruppe von Europäern und noch weniger Kunden aus asiatischen Ländern, wo die Covid-Reisebeschränkungen erst kürzlich aufgehoben wurden. 'Es ist eine Kombination aus Reisezurückhaltung und Kaufzurückhaltung', fügt der Händler hinzu.“

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Dr. Stephan Zilkens | Zilkens Kunstversicherung