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Kobels Kunstwoche

Frohes Neues Jahr!
Frohes Neues Jahr!
Stefan Kobel

Stefan Kobel

Kobels Kunstwoche 53 2018 / 1 2019

Sogar die Messe Schweiz schwächelt, mit Konsequenzen für die Art Basel und damit die gesamte Kunstmesselandschaft.

Das Baseler Beben kündigte sich Anfang September an: Die Messe Schweiz hat einen neuen CEO, und die Art Basel führt ein Stufenmodell bei den Preisen für kleine und große Galerien ein. Nachzulesen in einer Meldung von mir im Handelsblatt. Die neue Preisliste ordnet Silke Hohmann für Monopol ein. Anna Louie Sussman erklärt das Modell kurz und bündig bei Artsy, während Tim Schneider das Thema in gewohnt epischer Breite bei Artnet auswalzt. Man könnte fast den Eindruck gewinnen, die Baseler hätten das Kunstmarktrad neu erfunden (Die Fiac hat Vergleichbares ohne viel Tamtam schon Anfang des Jahres eingeführt), während es sich bei den neuen Mieten doch eher um Symbolpolitik handelt. Acht Prozent mehr oder weniger ändern nichts an der grundsätzlichen Asymmetrie im Kunstmarkt. Vielleicht hätten die Verantwortlichen sich zu einer Runde Monopoly zusammensetzen sollen; Stichwort Schloßalle/Poststraße.

Rein in die Kartoffeln, raus aus den Kartoffeln. Die Messe Schweiz zieht Anfang November die Reißleine und trennt sich von ihrem Geschäft mit regionalen Kunstmessen. Eine erste Meldung dazu von mir im Artmagazine und ein Kommentar bei Monopol. Margaret Cameron fasst die Situation für das Art Newspaper zusammen. Den Blick auf den Gesamtkonzern richtet Dieter Bachmann in der NZZ.

Die Kunstszene in Dubai stehe vor einem Scherbenhaufen, berichtet Anny Shaw Mitte September im Art Newspaper. Nachdem mit der Abraaj Group der größte Förderer zeitgenössischer Kunst in dem Emirat pleitegegangen ist, zeige sich, wie schwach der private Sektor dort eigentlich sei.

Nicht nur Galerien, auch Kunstmessen selbst finden sich im Middle Market Squeeze. Mit Ilaria Bonacossa von der Artissima in Turin habe ich Anfang November für Artmagazine über ihre Positionierung ihrer Veranstaltung gesprochen, die sie selbst als "Kleinste unter den Großen oder Größte unter den Kleinen" beschreibt. Wohlwollend beschreibt Kerstin Stremmel in der NZZ die Messe und die Ausstellungen in der Stadt.

Eine Trendumkehr hat Anny Shaw für das Art Newspaper bei den Mega-Galerien auf der Frieze Anfang Oktober ausgemacht: Sie exportierten jetzt chinesische Kunst in die westliche Welt.

Ist es wirklich eine brillant vorgetragene Attacke gegen die Spekulation mit Kunst, ein effektvoller Marketing-Gag für die vermeintliche eigene Anti-Haltung, oder nur ein weiterer Treibsatz für die Kunstmarkt-Rakete? Ein Bild von Banksy hat sich bei der Londoner Zeitgenossen-Auktion von Sotheby's Anfang Oktober mit dem Zuschlag selbst teilweise geschreddert. Über den Vorfall und dessen Bedeutung kursieren verschiedene Ansichten. Zuerst berichtete Anny Shaw im Art Newspaper. Im Guardian gibt es ein Video von der Selbstzerstörung. Monopol schreibt dazu: "Es ist nicht ausgeschlossen, dass Sotheby's eingeweiht war. Üblicherweise untersucht ein Auktionshaus den Zustand eingelieferter Werke genauestens. Auffällig ist auch, dass das Bild als letztes Los des Abends aufgerufen wurde. Eine Banksy-Sprecherin sagte allerdings am Samstagnachmittag, dass Sotheby's vorab nicht Bescheid gewusst habe." Stefan Trinks ist in der FAZ denn auch skeptisch. Nate Freeman behauptet bei Artsy, es handele sich um einen Inside-Job. Das "Balloon Girl" ist von 2006. Die unauffällig in einem Bilderrahmen Platz findende Batterie, die nach 12 Jahren noch ausreichend Strom liefert, um den ebenfalls dort untergebrachten Aktenvernichter anzutreiben, hätte ich gerne! Die Nasa wahrscheinlich auch.

Zeichen einer Marktabkühlung hat Alexander Forbes in Miami für Artsy ausgemacht. Er belegt seine These mit zahlreichen Zitaten von Blue Chip-Galeristen, die dem Abschwung zumeist natürlich auch etwas Gutes abzugewinnen suchen. So seien die Verkäufe zwar schleppender, aber das hieße ja nicht, dass sie nicht trotzdem stattfänden. Es dauere nur länger. Was man halt so sagt, wenn es nicht so gut läuft. Ein Trend scheint allerdings darin zu bestehen, dass vor allem die sehr hochpreisige Handelsware unter der Zurückhaltung leide, während die zwar (in absoluten Zahlen) günstigeren, aber spekulativeren Erstverkäufe sich größerer Beliebtheit erfreuten.

Online kommt! Eine Mehrheit der 175 von der UBS befragten Kunstsammler und High Net Worth Individuals (HNWI) würde Kunst kaufen, die sie nur aus Abbildungen im Internet kennen, berichtet Alex Greenberger Anfang Dezember bei Artnews. Das seien doppelt so viele wie im letzten Jahr.

Wenn sich Finanzdienstleister mit ihren Ideen zur Spekulation mit Kunst und ihren digitalen Derivaten an Nischenmärkte wie Deutschland oder an Laien wenden, könnte der ganz große Boom unmittelbar bevorstehen. Aber ein wenig erinnert das an die Bauernregel mit dem Postboten: Wenn der einem Aktien empfiehlt, ist es höchste Zeit auszusteigen.

Deutlich analytischer als Sabine Spindler vor einigen Wochen im Handelsblatt, nimmt sich Annegret Erhard für die NZZ Anfang September den Finanzdienstleistern im Kunstmarkt an. Anlass ist anscheinend auch ihr ein Auftritt Philip Hoffmans in München. Dessen Fine Art Group möchte sich wohl nicht mehr allzu sehr auf die eigene Propaganda in Sachen Performance von Kunstfonds verlassen und hilft Sammlern lieber beim Beleihen der eigenen Kunstwerke.

Vom Kunstfond zum Kunstberater. Im Interview mit Eva Karcher in der ZEIT Ende Oktober preist Philip Hoffman von der Londoner The Fine Art Group, früher Fine Art Fund, seine Dienstleistungen an. Zahlen verwendet er dabei recht großzügig, aber kaum vergleichbar. Er spricht von 2001 aufgelegten Fonds im Volumen von 25 Millionen Pfund und bisher vermittelten Kunstwerken im Wert von 850 Millionen Pfund. Es sieht so aus, als stehen die Kunstberatung und Art Lending mittlerweile im Vordergrund der wirtschaftlichen Aktivitäten, während das angeblich erfolgreiche Fonds-Geschäft vor allem der Publicity dient.

Dem CEO von Maecenas, einer Plattform, auf der man gegen Kryptowährung Anteile an Kunstwerken erwerben kann, fühlt Clemens Bomsdorf in der ZEIT auf den Zahn. Das Modell ist komplex. Beim ersten Werk, einem Warhol, der schon einmal bei einer Auktion durchgefallen ist, standen laut CEO Marcelo García Casil 49 Prozent der nicht stimmberechtigten Anteile zum Verkauf. Den Rest halte eine AG, die wiederum zu 51 Prozent dem ehemaligen Besitzer des Bildes gehöre. Die AG ist laut Geschäftsbedingungen der Webseite auf den Kaiman-Inseln registriert. Die britische Maecenas fungiert lediglich als Vermittler. Wer seine Anteile wieder loswerden möchte, könne dies auf einer separaten Plattform des Unternehmens versuchen, Garcia Casil : "Die Blockchain-Technik hilft dabei. Es sei aber gesagt, dass es nicht um den ganz schnellen großen Gewinn geht - es ist ein Investment, und Anleger sollten schon Zeit mitbringen." Klingt total seriös alles. Bitcoin, Kaiman-Inseln, nicht außerhalb der Maecenas-Plattform handelbare nicht stimmberechtigte Aktien - was soll da schon schiefgehen?

Anders als sein Redaktionskollege Tim Schneider glaubt Ben Davis von Artnet Mitte September nicht an die Segnungen der Kryptowährungen für den Kunstmarkt.

Der erste Artnet Intelligence Report steht seit Anfang Oktober zum Download bereit. In schön buntem Layout wird versucht zu erklären, wer die "Zombie-Apokalypse" überlebt hat. Tatsächlich handelt es sich um einen klassischen Marktreport, der sich aus den Daten der Artnet-Preisdatenbank speist. Dadurch entstehen mitunter so befremdliche Behauptungen wie die, der durchschnittliche Auktionspreis eines Kunstwerks in Europa betrüge 42.903 Euro. Aus so einer Datenbank kann halt auch nur das herausholen, was man vorher hineingetan hat.

Ende Oktober war es dann soweit: Investorenkunst, frei von jeder kreativen Leistung ist vermarktbar. Ein angeblich vollständig vom Computer geschaffenes Kunstwerk hat bei Christie's in New York seinen Schätzpreis verzigfacht: Statt 10.000 US-Dollar hat ein anoymer Bieter 432.500 Dollar inklusive Aufgeld für einen von Künstlicher Intelligenz (KI) geschaffenen Druck bezahlt. Endlich schafft es die Kunst wieder weltweit in die Schlagzeilen, seitdem nach der Banksy-Schredderei schon wieder ein paar Wochen Ruhe war. Eine Win-Win-Win-Situation: Die Medien haben Futter, die Investoren auch, und alle an Kunst Interessierten können sich wieder den Inhalten zuwenden.

Die Fachpublikation Netzwoche bemängelt Anfang Dezember die mangelhafte Handelbarkeit digitaler Kunst und bietet auch gleich eine Lösung: "Das Zuger Blockchain-Start-up Orion Vault will dies ändern und mit einer Technologieplattform Investitionen und Spenden in digitale Kunst ermöglichen, indem sie deren Eigentümerschaft auf Blockchain kodiert. Orion Vault bietet auch einen Marktplatz, um in der neuen digitalen Anlage-Klasse schneller, sicherer und kostengünstiger als bisherige Lösungen zu handeln." Das Geschäftsmodell könnte sich Sergey Skaterschikov ausgedacht haben.

Zum Realitätsabgleich: Die Ergebnisse einer Studie von 43 Blockchain-Projekten stellt Andrew Orlowski in The Register vor. Völlig überraschend und schockierenderweise sei kein einziges davon erfolgreich gewesen.

Nach einem 75 Millionen Dollar-Deal habe sich der Aktienkurs eines auf Kunst umgestiegenen chinesischen Baustoffunternehmens um 47 Prozent erhöht, erklärt Benjamin Sutton bei Artsy. Für diese Summe wolle das Unternehmen ein Gemälde Michelangelos von einem kalifornischen Nachfahren der Medici gekauft haben. Das Eigentum an dem Bild solle in Form von auf 10 Dollar lautenden Aktien unter die Anleger gebracht werden.

Über die Neuerfindung des Rades namens Blockchain darf sich Elena Zavelev, ehemalige Mitarbeiterin von Sergey Skaterschikov, darf sich bei Forbes verbreiten und vom "Blockchain-Fieber auf der Miami Art Week" fabulieren.

Auch die Anwälte Andres Ritter und Luise Schnidrig widmen sich in der NZZ dem Thema Blockchain. Sie äußern bei aller Zuversicht jedoch Bedenken: "Zentraler Punkt bleibt schliesslich, ob mit der erhöhten Transparenz auch der Verlust von Anonymität einhergeht. Der Kunstmarkt wird nämlich nicht bereit sein, diese aufzugeben. Es wird also darauf ankommen, ob die neue Technologie den sich stets verschärfenden Geldwäschereibestimmungen zu genügen weiss und gleichwohl ein hohes Mass an Anonymität gewährt. Blockchain verspricht also viel, wird in der Kunst aber vor allem dann eine Zukunft haben, wenn es den Kunstmart zwar transparenter und rechtssicherer macht, aber nicht weniger anonym."

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Dr. Stephan Zilkens | Zilkens Kunstversicherung