Optionale Cookies erlauben?

Neben technisch notwendigen Cookies möchten wir Analyse-Cookies nutzen, um unsere Zielgruppe besser zu verstehen. Mehr dazu in unserer Datenschutz­erklärung. Sie können Ihre Zustimmung jederzeit widerrufen.

Kobels Kunstwoche

Hat stattgefunden: Art Rotterdam; Foto Stefan Kobel
Hat stattgefunden: Art Rotterdam; Foto Stefan Kobel
Stefan Kobel

Stefan Kobel

Kobels Kunstwoche 6 2020

Arroganz, Gier und wohl auch ein bisschen Weltfremdheit der Baseler Messegesellschaft haben dazu geführt, dass die Folgen der Art Basel Hong Kong-Absage deren Kunden zu tragen haben, sprich die Aussteller. Denn so richtig die Entscheidung ist, so schädlich war die Hinhaltetaktik der Schweizer für alle, die von dieser Entscheidung abhängen. In seiner aktuellen wirtschaftlichen Lage konnte der weitgehend selbstverschuldet ins Schlingern geratene Konzern jedoch möglicherweise gar nicht anders handeln.

Für das Handelsblatt hatte ich am Donnerstag noch versucht, die komplexe Situation darzustellen, wissend, dass die Absage erfolgen würde, nur nicht zu welchem Zeitpunkt. Am späten Donnerstagabend kam dann endlich die erlösende Pressemitteilung.

Immerhin, 75 Prozent der Standkosten will die Messe ihren Ausstellern zurückerstatten. Aus Kulanzgründen. Denn laut ihren AGB ist sie dazu nicht verpflichtet, wie ich für das Handelsblatt berichte. Doch damit nicht genug für die teilnehmenden Galerien. Die Absage kam so spät, dass Schiffstransporte zu dem Zeitpunkt etwa aus Europa schon unterwegs waren. Flüge und Hotels dürften von den meisten Galerien ebenfalls bereits gebucht worden sein. Die Schweizer behalten also ein Viertel des Preises für eine nicht erbrachte Leistung ein. Sie werden ihre Kunden auch kaum für deren weitere Kosten entschädigen, geschweige denn für den entgangenen Umsatz. Denn die nach Angaben der Art Basel durchaus bestehende Versicherung dürfte wohl nur den eigenen Schaden abdecken. Die Motive der Messe Schweiz versuche ich bei Monopol zu ergründen.

Der Versicherungsfrage geht Kurt Tschan in der Baseler Zeitung (kostenlose Registrierung erforderlich) nach: „Die MCH Group ist zwar gegen Ausfälle von Messen versichert. Ob die Versicherung im Fall der Art Hongkong für den gesamten geltend gemachten Schaden aufkommten wird, steht aber noch in den Sternen.“

Die Lage vor Ort beschreibt Vivienne Chow bei Quartz.

Der Ausfall einer Ausgabe der ABHK könnte weitreichendere Folgen haben, vermutet Marcus Woeller in der WELT vom 9. Februar: „In Asien ist die Art Basel zwar der dickste Player, aber nicht der einzige. Besonders der britische Messemacher Sandy Angus dürfte versuchen, sein umfangreiches Portfolio durch den misslichen Ausfall der Schweizer aufzuwerten. Angus hatte die Hongkonger Vorgängermesse gegründet und dann verkauft. Mittlerweile betreibt er Kunstmessen in Indien, Taiwan und Australien, eine Fotomesse in Shanghai, die kleine (und ebenfalls abgesagte) Art Central in Hongkong, die Art Düsseldorf. Im Oktober lädt er zur ersten Art SG nach Singapur. Dem wohlhabenden Stadtstaat wird am ehesten zugetraut, Hongkong als asiatischem Hotspot das Wasser abzugraben. Seine Argumentation hat durchaus etwas für sich, wie die Lektüre eines Vergleichs der beiden Stadtstaaten von Clara Ferreira Marques bei Bloomberg vor Augen führt.

Der Vorfall ist für Christoph Heim Anlass, in der Baseler Zeitung sogar die Systemfrage zu stellen: „Gut möglich, dass der Kunstmarkt wegen dem Ausfall der Kunstmesse in Hongkong vermehrt ins Internet abwandert. Möglicherweise nimmt wegen der Absage der Art Basel Hongkong 2020 auch der Brand «Art Basel» Schaden. Vor dem Hintergrund der Klimadebatte und im Zeitalter der um sich greifenden Flugscham, die auch bei den Galeristen und ihren Kunden festzustellen ist, wird laut darüber nachgedacht: Ist der internationale Kunstzirkus noch zeitgemäss? Macht es Sinn, im Monatsrhythmus Tausende von Kunstwerken über die Kontinente zu schicken, damit Tausende von Kunden, die im Flugzeug anreisen, sich auf diesem Luxusmarkt eindecken können? So schrecklich der Coronavirus bislang in China gewütet hat, vielleicht hat er auf den entfesselten Kunstmarkt eine heilende Wirkung?“

Anlässlich des 50. Jubiläums der Serpentine Gallery bewirbt deren Künstlerischer Direktor Hans-Ulrich Obrist im Art Newspaper ihre neue Plattform General Ecology und verspricht, seine eigene notorische Vielfliegerei einzuschränken. Das schlägt natürlich Wellen, unter anderem bis zu Daniel Völzke und Monopol, lässt den Superkurator wieder einmal als Avantgarde dastehen und ist kostenlose Werbung für die eigene Person, ohne konkrete Verpflichtung zu irgendetwas.

Andere Kunstmessen haben stattgefunden. Stephanie Dieckvoss berichtet für das Handelsblatt aus Neu Delhi von der India Art Fair: „Wenn man bedenkt, dass Indien mit circa 1,3 Milliarden Einwohnern nur wenig kleiner ist als China, dann bekommt auf einmal die Idee einer regionalen Kunstmesse eine ganz andere Bedeutung. Peter Nagy von der international etablierten Galerie Nature Morte begrüßt, dass so viele Galerien aus den Provinzen auf der Messe in Delhi ausstellen. Sie leisten vor Ort Bildungsarbeit, sind aber nur selten in Delhi präsent. Messedirektorin Jagdip Jagpal beschreibt die Messe mit Stolz als regional. Das ist aus Besuchersicht eine zu begrüßende Abkehr von dem dominierenden Anspruch, immer alles international und damit oftmals gleichförmig auszurichten. Die britisch-indische Kuratorin leitet seit zwei Jahren die Messe. Diesmal hat sie die Kunst Südasiens in den Blick genommen. Mindestens 70 Prozent der Aussteller müssen aus Südasien stammen.“

Auf der Art Rotterdam war ich für Artmagazine.

Über die Versuche, Altmeister mittels Social Media, prominenten Testimonials und anderem Marketing-Schnickschnack preislich auf die Füße zu helfen, betrachtet Astrid Mania in der Süddeutschen Zeitung www.sueddeutsche.de/kultur/pr-strategien-der-auktionshaeuser-alles-wird-pop-1.4788865 kritisch: „Beide Marktteilnehmer, Versteigerer wie Sammler, wollen immer mehr. Gute Ergebnisse sind im gegenwärtigen Kampf der Auktionsgiganten nicht genug. Und ein Platz in der Kunstgeschichte ist eindeutig nicht das ausschlaggebende Argument für all jene, die sich sammlerisch im Höchstpreissegment vergnügen. Ein Name, der Spätrenaissance-Experten in Verzückung versetzt, verheißt noch lange nicht die gewaltigen, und man muss immer wieder betonen, vereinzelten Wertsteigerungen, auf die viele Sammler in den letzten Jahren spekulieren und die sich vorwiegend mit überhitzter Gegenwartskunst erzielen ließen. Und so werden andere Narrative über Werke gelegt, deren eigene Erzählungen - von ihrem Sujet, ihrer Technik, ihren Schöpfern, ihrer Historie - ungehört verhallen.“

Leverage, also der Einsatz von Fremdkapital, nehme im Kunstmarkt explosionsartig zu, behauptet Katya Kazakina bei Bloomberg. Hedgefonds-Manager wie Daniel Sundheim hätten den Kunstmarkt als neues Geschäftsfeld entdeckt und gingen mit gigantischen Summen auf Einkaufstour, um das schnelle Geld zu machen.

Im Rahmen der Verkleinerung der Sammlung der Deutschen Bank habe ein Triptychon von Gerhard Richter bereits bei einem nicht öffentlichen Verkauf den Besitzer gewechselt, eventuell zu einem deutlich geringerem Preis als dem möglichen Wert von über 100 Millionen, schreibt Sebastian Sprenger im Handelsblatt.

Die nahezu vergessene Galeristin Berthe Weill würdigt Karen Chernick auf Artsy. Die Pariserin sei für die Künstler der Moderne, wie Pablo Picasso, Francis Picabia oder Amedeo Modigliani, nicht weniger wichtig gewesen als ihre berühmten männlichen Kollegen, zu denen viele nach ersten Erfolgen bei ihr abgewandert seien.

Newsletter

Die neuesten Ausgaben von Zilkens Newsblog und Kobels Kunstwoche direkt per E-Mail erhalten.
Dr. Stephan Zilkens | Zilkens Kunstversicherung