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Kobels Kunstwoche

Sind NFTs doch des Kaisers Neue Kleider?
Sind NFTs doch des Kaisers Neue Kleider?
Stefan Kobel

Stefan Kobel

Kobels Kunstwoche 7 2022

Endlich Frieden in Paris! Allerdings kommt die erfreuliche Nachricht nicht aus der Zeitgenossen-Szene, sondern aus der Sparte Alte Kunst und Antiquitäten. Die (ehemalige) Biennale des Antiquaires und die Fine Art Paris fusionieren. Ursula Scheer schreibt dazu in der FAZ: "Der vorläufige, wenig elegante Doppelname 'Fine Arts Paris & La Biennale' zeigt, dass es sich um eine Vernunftehe handelt. Der Vertrag gilt zunächst für fünf Jahre. Die Biennale wurde bislang vom Syndicat National des Antiquaires (SNA) getragen. Eine Händlergruppe hatte sich abgespalten und 2017 die Fine Arts gegründet. Einheimische und internationale Händler mussten sich seither entscheiden, auf welche der beiden Messen sie setzen wollten. Der SNA soll nun in den Hintergrund treten, während die Messegesellschaften der Fine Arts Organisatoren werden." In den Nullerjahren hatte das Syndicat selbst erfolglos versucht, mit dem Salon du Collectioneur im Wechsel eine jährliche Bespielung des Grand Palais zu gewährleisten und war dann 2018 unter dem verkürzten Namen La Biennale selbst in diesen Modus gewechselt.

Mexiko scheint aktuell nicht bei vielen auf der Reiseliste zu stehen. Shanti Escalante-De Mattei bietet bei Artnews immerhin ihre Libelingsstände auf Zona Maco und Salón Acme im Bild an.

In einer unterhaltsamen Mischung aus Glosse und Bericht im Art Newspaper sagt Scott Reyburn Kunstmarkt-Hegemonie der großen Auktionshäuser voraus: "Sicherlich wird früher oder später schiere Langeweile das Interesse an den unablässig wechselnden Online- und Livestream-Angeboten von Sotheby's, Christie's und Phillips schwinden lassen? Aber Moment mal. Ist Langeweile nicht der Hauptgrund, warum die Reichen dieses Zeug überhaupt kaufen?"

In Vorbereitung auf einen anstehenden Börsengang von Sotheby's plane Eigentümer Patrick Drahi den Verkauf älterer Pensionsfonds des britischen Unternehmenszweigs an zwei Versicherungsgesellschaften, meldet Anny Shaw im Art Newspaper.

Mit dem Demokratieversprechen der NFT-Welt sei es nicht weit her, bemerkt Ursula Scheer in der FAZ vom 12. Februar: "Dass die größten Auktionshäuser Sotheby’s und Christie’s (letzteres Verkäufer des notorischen Beeple-NFT 'Everydays') mit für die größten Schlagzeilen im NFT-Business sorgen, zeigt an, dass es mit der Demokratisierungsmacht der Token nicht weit her ist. Nach einer in 'Nature Scientific Reports' publizierten Studie des Mathematikers Andrea Baronchelli von der City University of London generieren gerade einmal zehn Prozent der Käufer und Verkäufer von NFT neunzig Prozent des Umsatzes. 75 Prozent der Token kosten im Schnitt fünfzehn Dollar, nur ein Prozent bewegt sich in der schwindelerregenden Höhe von über 1,5 Millionen Dollar. Plattformen wie Open Sea, der größte NFT-Handelsplatz, Super Rare, der aufs Kuratieren setzt und natürlicher Kooperationspartner traditioneller Auktionshäuser ist, und Foundation sind die Schwergewichte der neuen Branche." Wie ein hohler Goldwürfel im Central Park, gelangweilte Affen und Kryptowährungen mit Kunstmarkt und Kapital zusammenhängen, versuche ich im Handelsblatt zu erklären.

Im Rahmen eines Pro und Contra zum Thema NFTs in der Süddeutschen Zeitung vom 11. Februar schwingt sich Philipp Bovermann zu einer rührenden Eloge auf die digitalen Zertifikate auf: "Durch NFTs und den Online-Besitz, den sie ermöglichen, könnte sich ein digitales Bürgertum etablieren. So richtig wird dieser Vorteil wohl erst spürbar, wenn das Internet sich mittels Datenbrillen in einen dreidimensionalen Raum, ein 'Metaversum', verwandelt hat. Wenn es soweit ist, werden die Menschen dort persönlichen digitalen Besitz haben wollen, und es wird Unternehmen und Designer geben, die diese Gegenstände für den digitalen Alltag verkaufen werden." Wenn es soweit ist, wird es vielleicht auch digitale Kleiderkammern geben für Menschen, die sich keine Designerklamotten leisten können. Um Kunst geht es dem Autor übrigens offenbar gar nicht. Sein Kollege Hannes Brühl wiederum hält NFTs hingegen bestenfalls für des Kaiser neue Kleider: "Je unklarer der Nutzen, desto lauter die Revolutionsrhetorik: Freiheit, Dezentralisierung und Befreiung vom Joch jeglicher Institutionen. Doch die Auktionsseiten sind schon die neuen Plattformen, die nach Krypto-Logik eigentlich gar nicht existieren dürften. Wer zu teuer kauft, muss sehen, wie er die NFTs noch auf Zweitmärkten weitervertickt, wie in Pyramidensystemen. So rekreiert die angebliche Revolution nur die schlechtesten Seiten der Finanz- und Kunstmärkte: Insiderhandel, Pump-and-Dump-Tricks, Fantasiepreise, Blasenbildung".

Derweil hat der NFT-Marktplatz Cent angesichts überbordenden Missbrauchs die Reißleine gezogen, berichtet Elizabeth Howcroft für Reuters, indem die Plattform "seit dem 6. Februar keine Käufe und Verkäufe mehr zulässt, sagte CEO und Mitbegründer Cameron Hejazi gegenüber Reuters. 'Es gibt ein Spektrum von Aktivitäten, die im Grunde genommen nicht stattfinden sollten - aus juristischer Sicht', sagte Hejazi. [...] Hejazi wies auf drei Hauptprobleme hin: Leute, die unerlaubte Kopien anderer NFTs verkaufen, Leute, die NFTs von Inhalten erstellen, die ihnen nicht gehören, und Leute, die Sets von NFTs verkaufen, die einem Wertpapier ähneln. Er sagte, diese Probleme seien 'grassierend', da Nutzer 'gefälschte digitale Vermögenswerte minten und minten und minten'." Hätte uns doch bloß jemand gewarnt!

Nicht nur mit Bildern von Turnschuhen lässt sich sehr viel Geld verdienen, auch mit Turnschuhen selbst. Über einen besonders erfolgreichen Verkauf durch Sotheby's informiert eine AFP-Meldung: "Für insgesamt 25 Millionen Dollar – rund 22 Millionen Euro – sind 200 Paar Sneakers versteigert worden, die der kürzlich verstorbene Star-Designer Virgil Abloh entworfen hat. Das teuerste Paar der Sonderedition 'Air Force 1' des Luxuslabels Louis Vuitton und des Sportartikel-Giganten Nike wurde für mehr als 350.000 Dollar verkauft, wie das Auktionshaus Sotheby's am Mittwoch mitteilte.

Das British Museum erweise sich selbst möglicherweise einen Bärendienst, wenn es digitale Kopien von Kunstwerken aus dem eigenen Bestand als NFTs zum Verkauf anbietet, glaubt Brendor Grosvenor im Art Newspaper: "Dies ist für Museen von Bedeutung, die Objekte öffentlich ausstellen wollen. Wenn es nun möglich ist, perfekte Nachbildungen z. B. der Parthenon-Marmore oder der Benin-Bronzen anzufertigen, dann werden die Argumente für eine öffentliche Ausstellung der Originale an einer Wand in London schwächer, verglichen mit dem Argument, sie in ihrem ursprünglichen Kontext zu sehen. Indem das British Museum bedeutungslosen Reproduktionen kulturelle Geltung verleiht, verwischt es auf eigene Gefahr die Grenzen zwischen echt und unecht." Ebenfalls im Art Newspaper kündigt Kabir Jhala eine DAW-Verkaufsausstellung (Digital Art Works) mit Digitalversionen von Meisterwerken aus italienischen Museen in einer Londoner Galerie an.

Andererseits begännen Krypto- und NFT-Millionäre , sich für physische Kunstwerke zu interessieren, die wiederum von Galerien und Auktionshäusern heiß umworben würden, erklärt Zachary Small in der New York Times: "Kritiker haben gespottet, dass eine Ehe zwischen NFTs und der Kunstwelt unmöglich sei. Doch die kommerzielle Kunstwelt ist geradezu besessen davon, den Geschmack der Krypto-Neureichen zu treffen. Fast ein Jahr, nachdem Künstler wie Beeple und Pak NFTs (Non-Fungible-Tokens) für zig Millionen Dollar verkauft haben und damit die typischerweise technikfeindliche Kunstindustrie dazu inspiriert haben, sich ins Metaversum zu begeben, formt sie sich um diese neuen Sammler herum neu."

Im Zeichen des Klimawandels werde sich auch die Art ändern, wie Kunst versichert wird, ist sich die Juristin Catrin Povey im Art Newspaper sicher: "Eine alternative Versicherungsoption könnte die parametrische Versicherung sein. Die parametrische Versicherung basiert zwar immer noch auf ähnlichen Katastrophenmodellen, bietet aber eine im Voraus festgelegte Auszahlung bei Eintritt eines bestimmten auslösenden Ereignisses, z. B. wenn der Auslöser ein Erdbeben mit einer Stärke von über vier auf der Richterskala ist. Diese Policen können den Prozess rationalisieren und die Verluste besser vorhersehbar machen. Bei der parametrischen Versicherung von Kunstgegenständen ist jedoch zu bedenken, dass die Versicherung von Kunstgegenständen nicht dasselbe ist wie die Versicherung von ersetzbaren Gegenständen - ein Kunstwerk, das einmal verloren ist, ist für immer verloren."

Welche Pläne sie bezüglich der umstrittenen Sparte Stammeskunst haben, hat Ingo Barlovic für die WELTKUNST (kostenlose Anmeldung) fünf Auktionshäuser gefragt: "Und die entscheidende Nachricht vorab lautet: Entgegen anderslautender Gerüchte setzen alle Häuser weiter auf das Pferd 'Tribal Art'. Dass Christie’s 'die Geschäfte wie gewohnt weiterführen' würde, wie Teodorescu angab, war freilich anzunehmen: Das Auktionshaus war 2021 der unangefochtene Leader auf dem Gebiet. Aber auch die anderen Befragten wollen zunächst nichts an ihrer Ausrichtung ändern, sondern eher offensiv in ihre nächsten Auktionen gehen – bei denen das Dorotheum unter anderem Objekte aus der Sammlung Leopold und der Sammlung Phillip Goldman anbieten wird. Sotheby’s bereitet 'große Auktionen' für den Beginn des Jahres vor, und auch Lempertz möchte wieder Kontinuität durch 'regelmäßige Verkäufe' erlangen, nachdem der Zeitplan 'durch Covid durcheinandergebracht wurde.'"

Bei Restitutionsfragen mache sich die Politik hierzulande immer noch einen schlanken Fuß, indem sie die Verantwortung an Museen delegiere, kritisiert die Juristin Sophie Schönberger in ihrem Buch "Was soll zurück? Die Restitution von Kulturgütern im Zeitalter der Nostalgie" , das Christiane Fricke im Handelsblatt bespricht: "Auf ihnen lastet die Hauptverantwortung bei Rückgaben. Sie sollen nicht nur ihrer Rolle als Sammler, Aussteller und Vermittler bzw. als Konstrukteure von Identität gerecht werden. Sie sollen auch die Vergangenheit aufarbeiten. [...] Hinzu kommt, dass 'rechtliche Regeln, die das Zurückgeben politisch verbindlich gestalten würden', bis heute nicht existieren. Damit bleiben Parlamente als 'Rechtssetzer' und Gerichte als 'Rechtsdurchsetzer' außen vor. Am Ende führt das dazu, dass größere Streitigkeiten um die Restitution von NS-Raubkunst zunehmend vor amerikanischen Gerichten ausgetragen werden. Die Deutung der deutschen Unrechtserzählung verlagert sich ins Ausland."

Der ideologisierte Blick auf die Kunst vergangener Epochen stößt Christian Herchenröder bei seinem Besuch der Brücke-Ausstellung in Berlin für das Handelsblatt auf: "Wenn sie die Kunst betrifft, wird in der Kolonialismus-Debatte allzu oft das Kind mit dem Bade ausgeschüttet. Das geschieht in erheblichem Maße in einer Ausstellung des Berliner Brücke Museums, die die Expressionisten der Künstlergemeinschaft 'Die Brücke' in den kolonialen Kontext stellt. Die Schau, die nach Stationen in Kopenhagen und Amsterdam jetzt eine hausgemachte Verschärfung und Zuspitzung erfährt, gleicht über weite Strecken einem Tribunal."

Eine neue Runde mit 15.000 Corona-Stipendien für Künstler zu je 6.000 Euro legt das Land NRW laut einer Pressemitteilung auf: "Die Stipendien richten sich an freischaffende, professionell arbeitende Künstlerinnen und Künstler aller Sparten mit Hauptwohnsitz in Nordrhein-Westfalen, die ihre künstlerische Tätigkeit im Haupterwerb betreiben. Künstlerinnen und Künstler, die bereits in den beiden vorigen Runden ein Stipendium erhalten haben, sind auch in dieser Runde weiterhin antragsberechtigt. Die Mittel sollen helfen, begonnene Projekte zum Abschluss zu bringen, neue Vorhaben zu konzipieren bzw. umzusetzen oder neue Vermittlungsformate zu erproben. Eine Antragsstellung ist ab Mitte März möglich."

Hauser & Wirth habe Elaine Kwok von Christie's abgeworben, für das sie bisher in Hongkong die Abteilung für Kunst des 20. und 21. Jahrhunderts geleitet hat, meldet Angelica Villa bei Artnews.

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Dr. Stephan Zilkens | Zilkens Kunstversicherung