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Die große Umwälzung auf dem Kunstmarkt droht wahrscheinlich nicht in Form realen oder imaginierten Bedrohungen durch Techniken wie NFTs und KI, sondern durch Marketing. Diese These wird unterstützt durch Daniel Cassidys Beobachtungen und Gedanken anlässlich der Frieze LA für Artnews: "Einige haben behauptet, dass auch eine Veränderung hinter den Kulissen zu dieser Veränderung geführt hat. Das Unterhaltungsunternehmen Endeavor erwarb 2016 die Mehrheit an der Muttergesellschaft der Messe, Denmark Street Limited, und seither kommen viel mehr Menschen, die keine Sammler sind, zu den VIP-Tagen. Ein prominenter Kunstberater, der ebenfalls um Anonymität bat, spekulierte, dass die Frieze, weil Endeavor vor allem ein Unterhaltungsunternehmen ist, die Social Media Influencer bevorzugt. 'Das war eher wie das Warten auf einen Sneaker Drop als der Versuch, auf eine Kunstmesse zu kommen', so der Berater gegenüber ARTnews. 'Ein Kunde ist gegangen, bevor er überhaupt reinkam. 'Nehmen Sie mich nie wieder mit auf eine Kunstmesse', hat er mir gesagt. So etwas habe ich noch nie gesehen. Wir konnten nicht einmal das Ende der VIP-Schlange finden. Ich habe keine einzige Person in der Schlange erkannt und es war kein Ende in Sicht.'"
Glänzende Geschäfte („Goldrausch“) melden die Aussteller von der Frieze LA in Santa Monica, wie Charlie Porterfield für das Art Newspaper protokolliert: „Das Tempo der Verkäufe - von denen einige natürlich im Voraus arrangiert wurden - schien die nachlassenden Ängste vor einer schlimmsten Rezession widerzuspiegeln, die noch vor ein paar Monaten über dem Kunstmarkt schwebten. Die Händler auf der Messe deuteten auch darauf hin, dass bestimmte Veränderungen, die mit der Pandemie einhergingen, einen dauerhaften Einfluss haben: Sammler sind bereit, Geld für Kunst auszugeben, die sie zu Hause ausstellen wollen, wo sie immer noch mehr Zeit verbringen, auch wenn sich der dritte Jahrestag der Ankunft der Covid-19-Pandemie in Kalifornien nähert.“
Die größeren Umsätze werden auf der Frieze gemacht, die angesagtere Messe ist auf alle Fälle im Roosevelt Hotel. Maximilano Duróns Bericht für Artnews charakterisiert Angebot und Besucher: „Die meistdiskutierte Präsentation auf der diesjährigen Felix ist wahrscheinlich die Flurinstallation des Londoner Künstlers Jeffrey Dalessandro. [...] Das Projekt, das von A Hug from the Art World präsentiert wird, begann damit, dass der Gründer des Unternehmens, Adam Cohen, Dalessandro beauftragte, eine Figur von Larry Gagosian zu entwerfen, in dessen New Yorker Galerie Cohen als Direktor tätig ist. Das führte dazu, dass Dalessandro eine Figur des berüchtigten Spekulanten Stefan Simchowitz entwarf. In den letzten 18 Monaten ist die Serie von dort aus gewachsen. Die Werke in der Größe eines Action-Helden, die Dalessandro selbst herstellt und bemalt, werden in einer monochromen Schachtel geliefert. Sie sind gleichzeitig eine Verehrung für diese Figuren und ein respektloses Augenzwinkern. Zu den Künstlern, die ich erkannt habe, gehören Jeffrey Deitch, die Rubells, Yayoi Kusama, Damien Hirst, Rashid Johnson, Beth Rudin DeWoody, David Kordansky, Ai Weiwei, Maurizio Cattelan, Kenny Schachter und viele andere.“ Das klingt nach Kunst auf dem Niveau des kleinsten gemeinsamen Nenners.
Bei Artnet feiert Eileen Kinsella das wiedergefundene Miami-Feeling von Hotelmessen, jetzt halt in Los Angeles: „[Galerist Charlie] James fügte hinzu, dass er einen wichtigen Verkauf an einen berühmten Sammler aus L.A. getätigt hat, den er vorher noch nicht kannte. 'Die Sammler in L.A. finden dich in der Regel nicht von selbst, egal wie gut du bist, also ist es lukrativ, sie in einem kleinen Laden wie dem Roosevelt zu treffen.'"
Die in Frankreich erzielten Millionenpreise für Tim und Struppi-Originalzeichnungen setzt Andreas Platthaus in der FAZ vom 18. Februar ins Verhältnis: „Ebenfalls bei Heritage ist vor einem Jahr die bislang teuerste einzelne Comicseite versteigert worden, aus einem 'Spider-Man'-Comic von 1984, für 3,34 Millionen Dollar. Gezeichnet hat sie Mike Zeck, und den kann man im Gegensatz zu [Frank] Frazetta nun wirklich als künstlerisch kleines Licht betrachten. Das ändert nichts an der Plakativität seiner Seite, die den ersten auftritt des Superschurken Venom zum Gegenstand hat. So kamen drei preistreibende Faktoren zusammen: eben Plakativität (darum die Beliebtheit von Titelbildern), Prominenz (nicht des Zeichners, aber des Sujets – erste Auftritte bekannter Figuren sind begehrt) und Popularität.“ Mit dem letzten Satz lassen sich auch treffend die treibenden Kräfte des aktuellen Kunstmarkts beschreiben – zumindest des Teils, der Schlagzeilen und Preiskapriolen verursacht.
Der bildende Künstler Mark Grotjahn hat Skier entworfen, die im US-Nobel-Skiort Aspen auf seine Ausstellung bei Gagosian in Gstaad aufmerksam machen sollen, meldet Jo Lawson-Tancred bei Artnet.
Zu allem oben Erwähntem passt die Nachricht, dass der chinesische Sammler und Unternehmer Adrian Cheng (K11 Art Mall und K11 Art Foundation in Hongkong) Co-Vorsitzender der in Hongkong beheimateten Meta Media Group wird, der neben Modezeitschriften auch ArtReview gehört. Gemeldet wird die Nachricht nicht nur von Zinnia Lee bei Forbes, sondern auch von Denni Hu bei Women's Wear Daily von der Penske Media Group, die ihrerseits kürzlich Artforum erworben hat.
NFTs halten langsam, aber sicher Einzug in Museen. Der NFT-Sammler mit dem Pseudonym Cozomo de’ Medici habe dem LACMA in Los Angeles 22 Werke Generativer Kunst geschenkt, berichtet Shanti Escalante-De Mattei bei Artnews: „Das LACMA ist nicht das einzige Museum, das derzeit NFTs erwirbt. Das Centre Pompidou gab Ende letzter Woche bekannt, dass es eine kleine Sammlung von NFTs erworben hat. Im November letzten Jahres schenkte Yuga Labs dem ICA Miami einen Crypto Punk. Das LACMA und de' Medici haben sich bewusst dafür entschieden, diese Werke als Blockchain-Kunst, auf der Blockchain geprägte Kunst oder On-Chain-Kunst zu bezeichnen, im Gegensatz zu NFTs. 'Der Begriff NFT ist mit einem Stigma behaftet, deshalb haben wir uns von ihm abgewendet', sagt de' Medici. 'Die Welt der digitalen Kunst spaltet sich in zwei Kategorien, ich nenne es die große Kluft. Die große Kluft trennt die erste Kategorie, PFP [Profile Picture] NFTs, und den Spekulationswahn, der (mit PFP NFTs) verbunden ist, von der zweiten Kategorie, der digitalen Kunst, wie wir sie bei den generativen Kunstprojekten gesehen haben.'“
Gleichzeitig hat das Centre Pompidou in Paris 18 NFTs von 13 Künstlern angekauft, meldet Dorian Batycka im Art Newspaper: „Der Erwerb - der erste seiner Art durch ein großes französisches Museum - ist das Ergebnis einer gemeinsamen Anstrengung von wissenschaftlichen und administrativen Teams des französischen Kulturministeriums und des Direktors des Pompidou, Xavier Rey. 'Das Web3 ist ein innovatives Territorium, das sich die Künstler zu eigen gemacht haben, um originelle und gewagte Werke zu schaffen', so Rey, 'und diese Sammlung bekräftigt unsere Unterstützung für die Künstler bei ihrer Eroberung neuer Ausdrucksmittel, die die Grundlage der modernen Kunst bilden.' Die Neuerwerbungen umfassen Praktiken und Sparten wie Kryptokunst, plastische Kunst, Netzkunst und generative Kunst, so das Museum“.
Das Herstellen von Bildern durch Künstliche Intelligenz ist mit einer Fülle neuer urheberrechtlicher Fragen verbunden, die die Anwältin Eva Dzepina für die WELTKUNST (Paywall) umreißt. Ihre Prognose, „wenn man irgendwann nur noch 'Schwarze schlafende Katze auf einem roten Kissen im Stil van Goghs' schreiben muss, um ein Kunstwerk herzustellen, das sich gut verkaufen lässt, sieht es für echte Künstler düster aus“, greift allerdings zu kurz. Für chinesische Kopistenwerkstätten und andere Epigonen wird es schwierig, die eigene „Leistung“ zu rechtfertigen und zu vermarkten. „Echte Künstler“ könnten in KI auch eine willkommene Herausforderung für die eigene Kreativität sehen.
Kostenloser Museumseintritt sorge nicht nur für deutlich höhere Besucherzahlen, sondern auch für ein diverseres und jüngeres Publikum, so das Ergebnis einiger Langzeit-Versuche in Kalifornien, deren Ergebnisse Lori Finkel für das Art Newspaper zusammenfasst.
Den alten und wahrscheinlich nie enden wollenden Streit um den künstlerischen und kunsthistorischen Wert von Nachgüssen fasst Hubertus Butin in der FAZ vom 18. Februar zusammen: „Die Auffassungen, dass postume Güsse allgemein zu akzeptieren oder im Gegenteil grundsätzlich abzulehnen seien, erscheinen in ihrer Ausschließlichkeit nicht überzeugend. Vielmehr kommt es immer auf die jeweiligen künstlerischen Intentionen und die spezifischen Entstehungsumstände der Arbeit an. Ob ein Original vorliegt oder nicht, lässt sich also nur von Fall zu Fall entscheiden. So hat etwa die zwar rechtlich erlaubte, aber inflationäre und völlig skrupellose Vermarktung von Vervielfältigungen nach plastischen Werken von Ernst Barlach absurde Formen angenommen“. Fatalerweise ziehen in diesem Fall Museen und Handel an einem Strang: Während für letzteren auch der x-te posthume Abguss Umsatz bedeutet, wollen die Museen ihren Bestand auch an weniger zweifelsfreien Werken geschützt wissen und Lücken mit für sie noch leistbaren Werken schließen können.