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Seit 2015 ungefähr suchen vor allem Versicherungen nach einer Möglichkeit, Kunstwerke mittels eines sogenannten Tokens mit einem elektronischen Wasserzeichen zu versehen und so eindeutig identifizierbar und nachverfolgbar zu machen. Fälschern und Betrügern würde dadurch die Grundlage ihres Tuns entzogen. Allerdings wären damit nicht nur Echtheit und Provenienz eines Kunstwerks transparent, sondern auch die Preisentwicklung. Das wiederum wirft völlig neue Fragen und Probleme auf. Finanzbehörden etwa würden sich bestimmt über eine lückenlose Transaktionsliste zu einem Kunstwerk freuen. Knifflig ist auch die technische Seite: Wie lässt sich eine Datei physisch so mit einem Objekt verbinden, dass sie einerseits nicht zerstörungsfrei oder unautorisiert wieder entfernt werden kann, andererseits aber das Objekt selbst nicht beeinträchtigt? Findige Köpfe haben dafür jetzt eine einfache Lösung gefunden: Man lässt einfach das physische Kunstwerk weg und ersetzt es durch ein digitales – ein JPG etwa. Und schon haben wir das Phänomen, das in der Kunstwelt gerade Furore macht: NFT – Non-Fungible Token. Das ist zugestandenermaßen die etwas verkürzte und zugespitzte Version.
Was es mit den NFT auf sich hat, erklärt Anika Meier so verständlich wie sachgerecht bei Monopol: „Wenn man ein NFT kauft, kauft man einen Token und ein Objekt, das damit verknüpft ist. Digitale Kunst, Sammelkarten, Musik und virtuelles Land beispielsweise. Das NFT ist auf der Blockchain gespeichert, es ist einzigartig, authentifiziert und fälschungssicher. Kurz: Ein NFT dient als Echtheitsnachweis für jede digitale Datei. Bisher hatte digitale Kunst nicht den selben Wert wie etwa Malerei oder Skulptur, weil sie einfach geteilt und kopiert werden konnte. Und wie man am Beispiel von Beeple sieht, der jeden Tag eine Arbeit auf Instagram veröffentlicht, kann man sich die Kunst sowieso jederzeit im Netz ansehen und auf dem eigenen Rechner speichern. Endlich also können Künstler:innen ihre Memes und Gifs, Animationen und Renderings verkaufen.“
Eine Erklärung versucht auch Valentina di Liscia für Hyperallergic. Das Digital-Magazin t3n bringt seinen Lesern den Krypto-Hype um NFT anschaulich anhand von Sammelkarten und Digitalkunst näher.
Soviel zur Einführung. Vorhang auf für die nächste Tulpenmanie!
Selbst der Künstler, Händler und Kolumnist Kenny Schachter, der sich sonst für kaum etwas zu schade ist und nach eigener Aussage schon einen sechsstelligen Betrag mit NFTs verdient hat, wundert sich bei Artnet: „Entschuldigen Sie das Gerede über Geld, aber es ist ein gefundenes Fressen für die Flipperati: Bei NFTs ist der Kunstteil weitgehend aus der Gleichung gestrichen - was perfekt ist, da sie ihn nicht verstehen und er sowieso nur im Weg ist. Derzeit sehen die meisten dieser Dinge aus wie Bildschirmschoner oder Videospiel-Stills und stehen für (Krypto-)Geld, das noch mehr (Krypto-)Geld jagt. Aber ich greife mir selbst vor.“
Ein erstes Hoch markiert der Verkauf eines animierten Bildes, das zu dem berühmten Meme „Nyan Cat“ gehört, dessen NFT-Variante sein Schöpfer Chris Torres anlässlich des zehnjährigen Jubiläums auf einer einschlägigen Plattform für 300 Ether, umgerechnet 561.00 US-Dollar, versteigert hat, wie Eileen Kinsella bei Artnet berichtet.
Kurz darauf habe schließlich ein digitales Kunstwerk des oben erwähnten Beeple auf der Plattform Nifty Gateway sensationelle 6,6 Millionen Dollar erlöst, wie ebenfalls Eileen Kinsella bei Artnet meldet.
Eine weitere Datei desselben Künstlers wird gerade bei Christie's angeboten und stand am Sonntagabend bei 3 Millionen Dollar. Die Auktion läuft noch bis 11. März. Das ist sogar Andreas Wilkens eine Medlung im Computermagazin Heise eine Meldung wert.
Seinen Raketenantrieb hat der Hype in der ebenfalls gehypten App Clubhouse gefunden, in der es vor allem im englischsprachigen Bereich praktisch keinen virtuellen Raum mit Kunstbezug gibt, der sich nicht entweder explizit mit NFT beschäftigt oder irgendwann von deren Propagandisten gekapert wird. Marion Maneker thematisiert dieses Phänomen bei Artnews unter der an Fightclub angelehnten Überschrift „Die erste Regel von Clubhouse: Hör niemals auf über NFT zu sprechen“: „Die Kunstleute fragen sich, ob sie [die NFT] als Kunst gelten können, was eine berechtigte Frage ist; allerdings führt sie schnell zu der Art von philosophischen Gesprächen zu später Stunde, die mit Fragen wie "Was ist überhaupt Kunst, Kumpel? Und wer hat das zu entscheiden?" enden. Der Unterton der NFT-Konversation ist eine latente Feindseligkeit gegenüber der Kunstwelt, diesem scheinbar willkürlichen System der Hochkultur, das seinen Wert aus einem System von Galerien, Kuratoren, Kulturinstitutionen - und auch Kritikern - aufbaut. Der imaginäre "Krypto-Kunstmarkt" wirft all das über Bord. Vielleicht ist das der Grund, warum er sich "demokratisch" anfühlt. Aber wie [der ansonsten im Artikel nicht weiter erwähnte Autor] Kyle Chayka hervorhebt, löscht digitale Kunst die Qulle des Wertes (oder zumindest die Vereinbarung über den Wert) des eigentlichen Kunstobjekts. Diese Vereinbarung über den Wert ist es, die in so vielen dieser Diskussionen angefochten wird. In unserer Kultur ist Geld leider ein Ersatz für den vereinbarten Wert.“
Lifestyle heißt das Zauberwort, mit dem Christie's und Sotheby's schon seit geraumer Zeit an einer Erweiterung ihrer Kundenbasis werkeln. Mit Villa Grisebach unter Diandra Donecker hat jetzt auch ein deutsches Auktionshaus die Zeichen der Zeit erkannt, wie Kevin Hanschke in der FAZ vom 27. Februar herausarbeitet: 'Bei Grisebach soll der Kunstkauf künftig in einem erweiterten Kontext stattfinden: 'Kunstsammler interessieren sich auch für Kunsthandwerk, Schmuck und Mode. Es geht darum, ein Lebensgefühl zu verkaufen.' Der Kunsthandel in Deutschland solle die Nähe zur Luxusgüterindustrie suchen und dabei seine Stärke, das kunsthistorische Wissen, betonen. Diese Expertise, verbunden mit der Treue der Kunden, habe Grisebach bisher erfolgreich durch die Pandemie geführt.“
White Cube kündigt währenddessen an, mit „Salon“ ein hybrides Modell aus Internet- und Galerieausstellung mit einem monatlich wechselnden Kunstwerk aus dem Secondary Market zu starten, das jeweils im Internet und in den Showrooms in London, Hongkong, New York or Paris zu sehen sein werde.
Erste Erfahrungen des Kunsthandels mit der neuen Grenze zwischen der EU und Großbritannien hat Stephanie Dieckvoss für das Handelsblatt zusammengetragen: „Vor allem kleine Händler versuchen teilweise verzweifelt, sich den neuen Bedingungen anzupassen. Dabei stehen vor allem Transportprobleme und Fragen zu Deklarationen, Zöllen und Steuern im Vordergrund. Seit 1. Januar müssen Objekte bei Ein- oder Ausfuhr ausführlich deklariert werden. Die Zollabfertigung braucht Zeit und kostet Geld. Die Tage, als ein Händler mit seinem Transporter in Frankreich auf Märkten einkaufen, die Objekte einfach über die Grenze bringen und dann mit Aufgeld auf der Insel verkaufen konnte, sind ein für alle Mal vorbei. Es sei auch keine Lösung, alles den Kunsttransport-Spezialisten anzuvertrauen, sagt [die Direktorin von Lapada, einer Vereinigung britischer Kunst- und Antiquitätenhändler, Freya] Simms. Die Profitmargen deckten die Zusatzkosten oftmals nicht.“
Anscheinend kann man nie genug auf die tatsächliche Einkommenssituation von Künstlern hinweisen. dpa hat Zahlen des Bundesamts für Statistik zusammengefasst, nachzulesen unter anderem bei Monopol: „36 Prozent der bildenden Künstlerinnen und Künstler hatten 2019 ein monatliches Nettoeinkommen von weniger als 1100 Euro. Ein weiteres gutes Drittel befand sich in der Einkommensklasse 1100 bis 2000 Euro netto im Monat.“
Viele Künstler stehen in Deutschland zudem vor dem Verlust der Krankenversicherung, da die Künstlersozialkasse aufgrund der noch von 1980 stammenden Gesetzeslage gezwungen ist, sie auszuschließen, wenn sie durch eine Nebentätigkeit zur Sicherung ihres Lebensunterhalts mehr als 5.400 Euro im Jahr verdienen, selbst wenn sie in ihrem Hauptberuf pandemiebedingt überhaupt kein Einkommen erzielen. Die Gewerkschaft Verdi erklärt die Zwickmühle und wie es dazu kam: „Es ging damals darum, eine finanziell bereits gut abgesicherte Gruppe Selbstständiger von der Privilegierung durch die KSK auszuschließen, selbst wenn sie nebenbei künstlerisch tätig war. Es ging nie um den Zuverdienst, mit dem eine/ein Künstlerin/Künstler ihr/sein künstlerisches Schaffen oft stabilisiert oder erst ermöglicht. Dem Gesetzgeber war vor rund 40 Jahre schlicht nicht bewusst, welche Tätigkeiten in Zukunft alle (auch) selbstständig ausgeübt werden können. Heute aber ist Selbstständigkeit keineswegs mehr grundsätzlich gleichzusetzen mit wirtschaftlicher Unabhängigkeit und sozialer Absicherung.“ Auf facebook hat der Künstler Daniel Mathéus gerade einen Brief zu diesem Thema an die KSK öffentlich gemacht.
In New York seien mittlerweile zwei Drittel aller Jobs im Kultur- und Freizeitsektor der Pandemie zum Opfer gefallen, weiß Valentina di Liscia von Hyperallegic.
Während in Wien die Spark Art Fair ihre Veranstaltungsdaten von Anfang Mai auf Ende Juni verschiebt, meldet die als Satellit zur Viennacontemporary Parallel gestartete Parallel ein neues Format zu just dem früheren Termin, wie bei Werner Remm im Artmagazine nachzulesen ist.