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Kobels Kunstwoche

Arco Madrid 2023; Foto Stefan Kobel
Arco Madrid 2023; Foto Stefan Kobel
Stefan Kobel

Stefan Kobel

Kobels Kunstwoche 9 2023

Vor einem Jahr hat Russland die Ukraine überfallen. Schon wenige Tage danach wurde auf Betreiben von Akteuren der österreichischen Kunstszene das Office Ukraine durch das Kunstministerium eingerichtet, dessen Zwischenbilanz Werner Remm bei Artmagazine vorstellt: „Im ersten Jahr seines Bestehens wurde das Office Ukraine an den drei Standorten von etwa 900 ukrainischen Künstler:innen und Kulturschaffenden aus den Bereichen bildende Kunst, Fotografie, Film, Bildhauerei, Performance, Tanz, klassische und zeitgenössische Musik, Grafikdesign, darstellende Kunst und Architektur kontaktiert. 350 Hilfsangebote aus der Zivilgesellschaft konnten über das Office koordiniert und mit 190 heimischen und internationalen Kunstinitiativen und Institutionen zusammengearbeitet werden. Die Hilfsangebote umfassten die Vermittlung von Ausstellungs- und Auftrittsmöglichkeiten, Unterkünften, Ateliers, Unterstützung bei der Einreichung für Stipendienprogramme und ganz allgemeine Informationen zu Registrierung und Grundversorgung, denn viele der Geflüchteten sind mit Angehörigen und vor allem Kindern nach Österreich gekommen.“

Als Zeichen der Solidarität wird das Berliner Café Moskau temporär in Café Kyiv umbenannt. Aus diesem Anlass spricht Philipp Hindahl für Monopol mit Alona Karavai, der Leiterin der ukrainischen Institution Asortymentna Kimnate, die eine Residency und ein Archiv betreibt: „Dass die Schäden an Kulturinstitutionen nicht zufällig sind, haben wir auch nicht sofort verstanden. Ziemlich schnell mussten wir aber begreifen, dass die Kultur eines der Ziele ist. Kulturgüter werden entweder gestohlen oder zerstört. Wir wissen noch nicht, wie viele Artefakte verloren sind, aber es sind viele. Auf der anderen Seite muss die ukrainische Kunst und Kultur einen Weg finden, zeitgenössisch zu bleiben und den Kontakt mit ihrer Vergangenheit zu halten. Künstlerinnen und Künstler produzieren jetzt viel, und das ist auch eine Reaktion auf das, was passiert. Aber das ist nicht austauschbar: Die Sachen, die verloren sind und was neu produziert wird – es sind zwei sehr verschiedene Kategorien. Viele Menschen sind nicht da, und viele werden nicht zurückkommen. Das zu kompensieren ist eine Aufgabe für die nächsten Jahrzehnte. Es fühlt sich an, als wäre man zwanzig Jahre zurückgesetzt.“

Der Künstler Nobert Bisky erzählt im Interview mit dpa unter anderem von seiner Unterstützung für die Ukraine: „Der Maler steht in Kontakt mit ukrainischen Künstlern. Dort würde viel von den Diskussionen in Deutschland nicht verstanden. 'Weil sie darum kämpfen, nicht gefoltert, vergewaltigt und erschossen werden.' Bisky beteiligt sich selbst an Hilfsaktionen. Der sechsstellige Erlös einer Edition sollte einen Katalog zu Ausstellungen über seine jüngste Auseinandersetzung mit der DDR finanzieren. Das Geld floss in die Ukraine-Hilfe. 'Wir unterstützen auf unkomplizierte Art Leute, die zum Beispiel in der Clubszene elektronische Musik in Kiew machen. Das ist eine Riesenszene und natürlich sind Tanzen, Feiern, queere Partys auch böse aus Kreml-Perspektive'“.

Der Arco in Madrid hat Nicole Scheyerer für die FAZ einen Besuch abgestattet: „Nach zwei verlangsamten Jahren startet die ARCO wieder voll durch. Das bewies der starke Andrang bei der Preview. Zahlreiche Verkäufe in den ersten Messestunden sorgten für gute Laune bei vielen der 212 Galerien. Eine tragende Säule bildet Kundschaft aus lateinamerikanischen Ländern. Der politischen und ökonomischen Krisen in Venezuela oder Argentinien wegen haben in den vergangenen Jahren immer mehr südamerikanische Sammler in Spanien Immobilien erworben. Deren leere Wände sind gute Voraussetzung für eine Messe wie die ARCO, auf der das Preisniveau nur selten den sechsstelligen Bereich überschreitet.“

Ausgerechnet auf einer nicht US-amerikanischen Messe beobachtet Uta Reindl für die NZZ einen erstaunlichen Akt der Emanzipation: „Selbst wenn sie ihre Verkäufe nur als 'gut', ausdrücklich nicht als 'fabelhaft' bezeichnet, war die Madrider Galeristin Juana de Aizpuru, eine der wichtigsten Protagonistinnen in der Arco-Geschichte, begeistert, dass bei ihren Geschäften erstmalig ausschliesslich Sammlerinnen beteiligt waren. Das dürfte ungewöhnlich für die Madrider Messe sein, auf der traditionell eher Institutionen und – wie weltweit auf Kunstmessen – tendenziell Männer kaufen.“

In den internationalen Messekontext ordnet Georgina Adam die Arco im Art Newspaper ein: „Trotz seiner Größe zieht die Arco nicht alle Top-Galerien an - Gagosian, Pace und White Cube waren nicht anwesend, dafür aber Zwirner und Ropac. Das mag zum Teil daran liegen, dass sich die Preise bei Arco eher unter der 100.000 Dollar-Schwelle bewegen. Sie ist weniger schnelllebig als beispielsweise die Basler Messen, aber am Ende des ersten Tages meldete Ropac [sechsstellige Umsätze].“

Die wie üblich dümmlich sensationsheischende Skandal-Meldung der dpa zur Arco hat es zuverlässig in viele seriösen Medien geschafft.

Ich war für das Handelsblatt und Artmagazine in Madrid.

Der französische Kunsthandel sieht seinen gerade durch den Brexit entfachten Boom durch eine drohende massive Mehrwertsteuererhöhung gefährdet. Die Pariser Galerie Perrotin schlägt bei Instagram Alarm: "Dies ist eine noch nie dagewesene Preiserhöhung für Werke, die das Überleben unserer Künstler und Galerien gefährdet. Kein Sektor hat jemals eine solche Erhöhung der Mehrwertsteuer akzeptiert. Wir müssen unbedingt eine kulturelle Ausnahme für unseren Bereich erwirken, um die gute Dynamik unseres fragilen Ökosystems nicht in Frage zu stellen. Im Namen der kulturellen Ausnahmeregelung und zur Verteidigung der Interessen Frankreichs ist es unerlässlich, eine Ausnahme von der Umsetzung dieser Richtlinie zu erwirken oder den Prozess der Neuverhandlung durch Umsetzung der Richtlinie einzuleiten.“ Perrotin bezieht sich auf einen Bericht von Martine Robert in der Zeitung Les Echos (Paywall), so wie ebenfalls Devorah Lauter bei Artnet und Kabir Jhala im Art Newspaper. Warum sollte es den Franzosen besser gehen als etwa ihren deutschen Kollegen, die das Finanzministerium am ausgestreckten Arm verhungern lässt?

Die fragwürdige Rolle der Emirate als Krisengewinnler beleuchtet Ursula Scheer in der FAZ vom 25. Februar: Die Vereinigten Arabischen Emirate machen nicht mit bei den Sanktionen, und so wurde Dubai – während der Pandemie schon Zuflucht für Reiche, die Corona-Beschränkungen andernorts entgehen wollten – zum sicheren Hafen für vermögende Russen. Zu Wasser kommen sie mit ihren Luxusjachten, zu Luft in Privatjets, zu Land kaufen sie sich ein. Seit Kriegsbeginn in der Ukraine haben Immobilienpreise und Lebenshaltungskosten in Dubai kräftig angezogen. Der 'Art Basel and UBS global art market report' verzeichnet für 2022 eine Belebung des Handels mit Luxusgütern und Kunstwerken zwischen Russland, den Golfstaaten und der Türkei – als Konsequenz westlicher Sanktionen. Halb Moskau sei praktisch in Dubai, heißt es schon“.

Das Neukölln der 2020er-Jahre liegt in Kalifornien, folgt man Alexander Gutzmer in der WELT am Sonntag von 26. Februar: „Los Angeles leugnet soziale Gegensätze nicht, kann sie nicht leugnen, lebt mit ihnen. Und so macht es auch die lokale Kunstszene. Diese Haltung scheint in der Kunstwelt insgesamt gut anzukommen. Los Angeles ist angesagt. Immer mehr Galerien aus New York eröffnen Dependancen oder ziehen gleich ganz rüber. Sean Kelly hat gerade von dem Architekten Toshiko Mori seinen neuen Sitz in Hollywood gestalten lassen. Marian Goodman, Lisson, Hauser & Wirth, David Zwirner, Sprüth Magers – diese großen Namen der Galeriewelt sind inzwischen auch in Los Angeles präsent. Stellt sich die Frage, warum eigentlich? Was macht den Standort Los Angeles aus? Ein banaler Grund: Die Käufer sind da.“

Den indischen Sammler Abhishek Poddar und sein gerade eröffnetes Museum in Bangalore hat Sabine Spindler für das Handelsblatt besucht: „Privatmuseen sind in Indien immer noch eine Seltenheit. Aber sie sind Zeichen eines neuen Selbstverständnisses von Kunstsammlern. Sie wollen mit ihren Kollektionen in die Öffentlichkeit treten, Zugang zu neuen Kunstformen schaffen. 'Das ist keine Bewegung, aber wir sind in Indien an einem Punkt, wo Kunst und Kultur eine stärkere Bedeutung bekommt.' Der ehemalige Banker ist überzeugt, dass das mit der Prosperität des Landes zu tun hat. 'Hier ist viel Geld im Umlauf, auch bei der jungen Generation.' Und andererseits hat sich eine eigenständige, zeitgemäße Künstlerszene herausgebildet, die international wahrgenommen wird. 'Die Museen sammeln nur sehr wenig moderne Kunst, das machen die Privaten.'“

Das US-amerikanische Pendant zur VG Bildkunst, die ARS Artists Rights Society, weist bei Twitter darauf hin, dass mit OpenSea eine der größten Handelsplattformen für NFTs die bisher verpflichtende Folgerechtsregelung auf optional gestellt habe. Hat ja nicht lange gehalten, das Versprechen eines gerechteren Kunstmarkts dank Blockchain.

Das gemeinsame Projekt „Kunst, Raub, Rückgabe“ der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen und des RBB stellt Kevin Hanschke in der FAZ vor: “Eine Mediathek wird im Frühsommer 2023 mit den ersten fünf Lebensgeschichten online gehen, die anhand von Texten, Bildern und Filmen vorgestellt werden. Museen müssten die Provenienzforschung als selbstverständlichen Teil ihrer Arbeit sehen und das auch vermitteln, sagte Kulturstaatsministerin Claudia Roth. Bis 2024 planen die beiden Kultureinrichtungen und die Sendeanstalten, dreißig Videos zu dreißig Persönlichkeiten zu veröffentlichen. 'Diese sollen nicht nur Informationen über die Geschichten der Restitution geben. Es ist auch unser Ziel, ein jüngeres Publikum zu erreichen', sagte Bernhard Maaz, der Direktor der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen.“

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Dr. Stephan Zilkens | Zilkens Kunstversicherung